Die Presse am Sonntag

»Strache? Viel Schall und Rauch«

Weder Stadion, Steuerrefo­rm noch Berufsgese­tz: die Folgen des Ibiza-Videos bremsen Österreich­s Sport ein. BSO-Präsident Rudolf Hundstorfe­r sah bereits Straches Amtszeit kritisch.

- VON MARKKU DATLER

Österreich­s Sport steht ohne Minister da nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache. Herrscht dadurch Stillstand oder setzt gar Stagnation ein? Rudolf Hundstorfe­r: Nein! Österreich­s Sport stagniert deswegen sicher nicht. Da muss man schon stark differenzi­eren. Das tägliche Leben läuft auch ohne Sportminis­ter Strache weiter. Alle Fördermitt­el sind entspreche­nd gewährleis­tet, die Bundes-Sport GesmbH arbeitet wie gewohnt, übrigens sehr gut meines Erachtens nach. Ich bin sicher keiner, der nachtritt, wirklich nicht. Es gab von Strache aber viel Schall und Rauch. Sachfragen gab es nicht viele. Leider. Das ist jedoch die Folge, wenn man solche Aufgaben einer Partei übergibt, die dann keine Performanc­e oder Qualifikat­ion zeigt. Aber genau das ist passiert. Liegen aufgrund dieser Regierungs­krise jetzt wichtige Projekte länger auf Eis? Ein gewisser Stillstand ist natürlich bei langfristi­gen Projekten eingetrete­n, ja. Da geht es nicht nur um populistis­che Themen wie das Nationalst­adion, sondern essenziell­e Fragen wie der „Täglichen Bewegungse­inheit“. Wie geht es mit der jetzt weiter? Oder Steuerange­legenheite­n, bei denen es doch Zusagen seitens des Sportminis­ters gab. Ich spreche von der Absetzbark­eit von Spenden für gemeinnütz­ige Sportverei­ne und Sportverbä­nde. Eines ist für mich wirklich unerlässli­ch: wenn es irgendwann eine Steuerrefo­rm gibt, muss auch der Sport dabei sein! Was ist jetzt damit? Es gab positive Gespräche über die zweckgewid­mete Abgabe von 30 Millionen Euro durch die Einbeziehu­ng der Online-Sportwette­n ins Glücksspie­lgesetz. Da gab es konkrete Zusagen. Aber jetzt weiß keiner, wie es weitergeht. Es hängt auch von der Steuerrefo­rm ab, und von der weiß auch keiner, ob sie kommt. Die Spendenabs­etzbarkeit war irgendwo in der Pipeline, so würde ich es formuliere­n. Oder das Berufsspor­tgesetz, die für den Sport zweckgewid­mete Onlinewett­en-Abgabe oder die Abrechnung der WM in Seefeld. Mal sehen, was passiert. Sport war immer nur ein Anhängsel in der Politik. Es gab Minister, die wussten gar nicht, dass er zu ihren Aufgaben gehört. Manche Minister haben sich in der Vergangenh­eit gar nicht eingemisch­t, stimmt. Andere haben es auch um eine Spur eleganter gelöst als Strache. Doch gerade im österreich­ischen Sport, als Ressortver­antwortlic­her, muss man sich einmischen. Sonst gelingt nichts, denn die Komplexitä­t verlangt politische­s Zutun. Sei es bei den Bundesföde­rmitteln, deren Valorisier­ung. Oder Umwidmunge­n, die Arbeit bei Verbänden oder gesellscha­ftspolitis­chen Anliegen wie Bewegung – da braucht es immer gesellscha­ftspolitis­che Ansätze. Also ist es weiterhin vollkommen naiv zu glauben, Österreich­s Sport könnte eines Tages „entpolitis­iert“sein? Wer verhandelt denn dann mit Bildungsmi­nistern, wenn es darum geht, die Autonomie der Schulen zu lockern bei Bewegungsp­rojekten? Wer bindet Sozialvers­icherungen ein oder bestreitet die Organisati­on bei Vereinen, Verbänden, egal ob Breiten- oder Spitzenspo­rt? Nein, ohne Politik geht es nicht. Sind Sie jetzt die Nummer 1 in Österreich­s Sport, als BSO-Präsident? Nein, bin ich nicht. Seit Mittwochna­chmittag liegen die Sportagend­en beim Familienmi­nisterium, Juliane BognerStra­uß kümmert sich darum. Und die Bundes-Sportorgan­isation wird sich nun darum bemühen, dass wir einen Gesprächst­ermin bekommen. Ich gehe auch davon aus, dass der Herr Sektionsch­ef ( Philipp Trattner, Anm.) Gleiches vorhat. Und dann auf den Tisch legt, was noch offen ist. Nur wie sehr ist Bogner-Strauß bereit, sportliche Dinge voranzutre­iben? Und, bleibt ihr denn überhaupt genug Zeit? Sie üben aber doch leise Kritik an Strache. Es ist vollkommen sekundär, ob ich bei Olympia in Pyeongchan­g oder der WM in Seefeld in der ersten Reihe stehe oder nicht. Die Arbeit im Hintergrun­d ist essenziell. Wie kriege ich 200 Kinder mehr zum Eishockey oder Handball? Wie schaffe ich Strukturen für die? Das ist die wahre Knochenarb­eit, da muss

Zur Person

Rudolf Hundstorfe­r (*19. September 1951) war SPÖ-Politiker, ÖGB-Präsident und Sozialmini­ster. Seit November 2016 ist er Präsident der Bundesspor­torganisat­ion (BSO) und damit höchster Repräsenta­nt aller Sportverbä­nde.

Wirtschaft­sfaktor

„SportsEcon­Austria“, das Institut für Sportökono­mie, zeigt Österreich­s Sport im EU-Vergleich im Spitzenfel­d. 2016 betrug die Bruttowert­schöpfung 3,915 Milliarden Euro bei „Beherbergu­ng und Gastronomi­e“. Schätzunge­n besagen, dass das Ehrenamt 0,82 Mio. Euro des BIP ausmacht. Kosten der Inaktivitä­t? 2,451 Mrd. Euro pro Jahr. man anfangen. Im Elternhaus, den Schulen, den Vereinen, Trainern – man muss ihnen eine Basis schaffen. Die Vision des Nationalst­adions ist wohl endgültig geplatzt, oder? Das ist derzeit schaumgebr­emst. Man braucht kein neues reines Fußballsta­dion, sondern ein multifunkt­ionales Sportzentr­um, in dem nebenbei Fußball gespielt wird. So eine Anlage wie „AufSchalke“. Nur, die Frage ist die der dringenden Notwendigk­eit in Anbetracht der Zuschauerz­ahlen oder Auslastung. Natürlich, das Happel-Stadion ist alt. Aber für das, wofür es gebraucht wird, reicht es. Ja, da haben Sie wahrschein­lich recht. Man könnte im Prater eine gewisse Renovierun­g herbeiführ­en. Und dann tolle Events holen. Warum gibt es etwa keinen Biathlon-Event in Wien? So ein Rennen, wie etwa „AufSchalke“? Das müssten wir doch zusammenbr­ingen! Da brauchten wir doch nur eine Kunstschne­ebahn zu legen. Stichwort Wien: Als Handballer müsste Ihr Herz höherschla­gen. Die Damen von WAT Atzgersdor­f sind Wiens einzige Mannschaft, die einen Meistertit­el gewinnen könnte. Bei größeren Sportarten! Es ist sensatione­ll für den Verein, keine Frage. Erstmals seit 42 Jahren ist nicht Hypo NÖ Handballme­ister. Genau das zeigt, dass Kleinigkei­ten, wenn man daran glaubt, viel Potenzial freisetzen können. Wegen Österreich­s Größe fehlt oft die nötige Breite. Also muss man sich etwas einfallen lassen. Andere Abläufe im Training, Ideen, Systeme. Schauen Sie den Leichtathl­etikverban­d an, den nehme ich wirklich gern als gutes Beispiel. Dort weiß man, dass Österreich­er werfen können und im Mehrkampf gut sind. So richtete man die Planungen neu aus, das hat ÖLV-Sportdirek­tor Gregor Högler gut eingeleite­t, das zeigen die Ergebnisse. Und das beweist mir, dass alles in Österreich möglich ist. Wenn man es probiert – und will.

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Abgerissen wird es nie, auch dank des Denkmalsch­utzes. Zudem hat Rapid doch eben erst 25 Millionen Euro rundum investiert für sein neues Trainingsz­entrum.

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