»Strache? Viel Schall und Rauch«
Weder Stadion, Steuerreform noch Berufsgesetz: die Folgen des Ibiza-Videos bremsen Österreichs Sport ein. BSO-Präsident Rudolf Hundstorfer sah bereits Straches Amtszeit kritisch.
Österreichs Sport steht ohne Minister da nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache. Herrscht dadurch Stillstand oder setzt gar Stagnation ein? Rudolf Hundstorfer: Nein! Österreichs Sport stagniert deswegen sicher nicht. Da muss man schon stark differenzieren. Das tägliche Leben läuft auch ohne Sportminister Strache weiter. Alle Fördermittel sind entsprechend gewährleistet, die Bundes-Sport GesmbH arbeitet wie gewohnt, übrigens sehr gut meines Erachtens nach. Ich bin sicher keiner, der nachtritt, wirklich nicht. Es gab von Strache aber viel Schall und Rauch. Sachfragen gab es nicht viele. Leider. Das ist jedoch die Folge, wenn man solche Aufgaben einer Partei übergibt, die dann keine Performance oder Qualifikation zeigt. Aber genau das ist passiert. Liegen aufgrund dieser Regierungskrise jetzt wichtige Projekte länger auf Eis? Ein gewisser Stillstand ist natürlich bei langfristigen Projekten eingetreten, ja. Da geht es nicht nur um populistische Themen wie das Nationalstadion, sondern essenzielle Fragen wie der „Täglichen Bewegungseinheit“. Wie geht es mit der jetzt weiter? Oder Steuerangelegenheiten, bei denen es doch Zusagen seitens des Sportministers gab. Ich spreche von der Absetzbarkeit von Spenden für gemeinnützige Sportvereine und Sportverbände. Eines ist für mich wirklich unerlässlich: wenn es irgendwann eine Steuerreform gibt, muss auch der Sport dabei sein! Was ist jetzt damit? Es gab positive Gespräche über die zweckgewidmete Abgabe von 30 Millionen Euro durch die Einbeziehung der Online-Sportwetten ins Glücksspielgesetz. Da gab es konkrete Zusagen. Aber jetzt weiß keiner, wie es weitergeht. Es hängt auch von der Steuerreform ab, und von der weiß auch keiner, ob sie kommt. Die Spendenabsetzbarkeit war irgendwo in der Pipeline, so würde ich es formulieren. Oder das Berufssportgesetz, die für den Sport zweckgewidmete Onlinewetten-Abgabe oder die Abrechnung der WM in Seefeld. Mal sehen, was passiert. Sport war immer nur ein Anhängsel in der Politik. Es gab Minister, die wussten gar nicht, dass er zu ihren Aufgaben gehört. Manche Minister haben sich in der Vergangenheit gar nicht eingemischt, stimmt. Andere haben es auch um eine Spur eleganter gelöst als Strache. Doch gerade im österreichischen Sport, als Ressortverantwortlicher, muss man sich einmischen. Sonst gelingt nichts, denn die Komplexität verlangt politisches Zutun. Sei es bei den Bundesfödermitteln, deren Valorisierung. Oder Umwidmungen, die Arbeit bei Verbänden oder gesellschaftspolitischen Anliegen wie Bewegung – da braucht es immer gesellschaftspolitische Ansätze. Also ist es weiterhin vollkommen naiv zu glauben, Österreichs Sport könnte eines Tages „entpolitisiert“sein? Wer verhandelt denn dann mit Bildungsministern, wenn es darum geht, die Autonomie der Schulen zu lockern bei Bewegungsprojekten? Wer bindet Sozialversicherungen ein oder bestreitet die Organisation bei Vereinen, Verbänden, egal ob Breiten- oder Spitzensport? Nein, ohne Politik geht es nicht. Sind Sie jetzt die Nummer 1 in Österreichs Sport, als BSO-Präsident? Nein, bin ich nicht. Seit Mittwochnachmittag liegen die Sportagenden beim Familienministerium, Juliane BognerStrauß kümmert sich darum. Und die Bundes-Sportorganisation wird sich nun darum bemühen, dass wir einen Gesprächstermin bekommen. Ich gehe auch davon aus, dass der Herr Sektionschef ( Philipp Trattner, Anm.) Gleiches vorhat. Und dann auf den Tisch legt, was noch offen ist. Nur wie sehr ist Bogner-Strauß bereit, sportliche Dinge voranzutreiben? Und, bleibt ihr denn überhaupt genug Zeit? Sie üben aber doch leise Kritik an Strache. Es ist vollkommen sekundär, ob ich bei Olympia in Pyeongchang oder der WM in Seefeld in der ersten Reihe stehe oder nicht. Die Arbeit im Hintergrund ist essenziell. Wie kriege ich 200 Kinder mehr zum Eishockey oder Handball? Wie schaffe ich Strukturen für die? Das ist die wahre Knochenarbeit, da muss
Zur Person
Rudolf Hundstorfer (*19. September 1951) war SPÖ-Politiker, ÖGB-Präsident und Sozialminister. Seit November 2016 ist er Präsident der Bundessportorganisation (BSO) und damit höchster Repräsentant aller Sportverbände.
Wirtschaftsfaktor
„SportsEconAustria“, das Institut für Sportökonomie, zeigt Österreichs Sport im EU-Vergleich im Spitzenfeld. 2016 betrug die Bruttowertschöpfung 3,915 Milliarden Euro bei „Beherbergung und Gastronomie“. Schätzungen besagen, dass das Ehrenamt 0,82 Mio. Euro des BIP ausmacht. Kosten der Inaktivität? 2,451 Mrd. Euro pro Jahr. man anfangen. Im Elternhaus, den Schulen, den Vereinen, Trainern – man muss ihnen eine Basis schaffen. Die Vision des Nationalstadions ist wohl endgültig geplatzt, oder? Das ist derzeit schaumgebremst. Man braucht kein neues reines Fußballstadion, sondern ein multifunktionales Sportzentrum, in dem nebenbei Fußball gespielt wird. So eine Anlage wie „AufSchalke“. Nur, die Frage ist die der dringenden Notwendigkeit in Anbetracht der Zuschauerzahlen oder Auslastung. Natürlich, das Happel-Stadion ist alt. Aber für das, wofür es gebraucht wird, reicht es. Ja, da haben Sie wahrscheinlich recht. Man könnte im Prater eine gewisse Renovierung herbeiführen. Und dann tolle Events holen. Warum gibt es etwa keinen Biathlon-Event in Wien? So ein Rennen, wie etwa „AufSchalke“? Das müssten wir doch zusammenbringen! Da brauchten wir doch nur eine Kunstschneebahn zu legen. Stichwort Wien: Als Handballer müsste Ihr Herz höherschlagen. Die Damen von WAT Atzgersdorf sind Wiens einzige Mannschaft, die einen Meistertitel gewinnen könnte. Bei größeren Sportarten! Es ist sensationell für den Verein, keine Frage. Erstmals seit 42 Jahren ist nicht Hypo NÖ Handballmeister. Genau das zeigt, dass Kleinigkeiten, wenn man daran glaubt, viel Potenzial freisetzen können. Wegen Österreichs Größe fehlt oft die nötige Breite. Also muss man sich etwas einfallen lassen. Andere Abläufe im Training, Ideen, Systeme. Schauen Sie den Leichtathletikverband an, den nehme ich wirklich gern als gutes Beispiel. Dort weiß man, dass Österreicher werfen können und im Mehrkampf gut sind. So richtete man die Planungen neu aus, das hat ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler gut eingeleitet, das zeigen die Ergebnisse. Und das beweist mir, dass alles in Österreich möglich ist. Wenn man es probiert – und will.