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EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS
24 Jahre nach Thomas Muster könnte wieder ein Österreicher die French Open gewinnen. Dominic Thiem ist im besten Alter und hat die nötige Qualität: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Understatement ist unangebracht. Ja, Dominic Thiem hat unlängst in Rom bereits sein Auftaktspiel verloren und damit die Generalprobe verpatzt. Ja, Dominic Thiem hat keines der drei großen Sandplatzturniere in Monte Carlo, Madrid oder Rom gewonnen, sondern „nur“beim ATP-500-Event in Barcelona zugeschlagen. Und ja, der Weltranglistenerste Novak Ðokovic´ und vor allem der elffache Paris-Sieger Rafael Nadal sind bei den heute beginnenden French Open allein aufgrund ihrer langen Liste an Erfolgen ein Stück weit höher einzuschätzen. Und dennoch, viel besser könnte die Ausgangslage für Thiem nicht sein.
Der 25-Jährige präsentiert sich zu seinem persönlichen Saisonhöhepunkt körperlich in Bestform, bei einem zweiwöchigen Grand-Slam-Turnier ist die physische Komponente ein ganz wesentlicher Faktor. Niemand im 128 Mann starken Feld möchte einen fünften Satz gegen Thiem spielen, auch dahingehend können ihm wohl nur die beiden Ausnahmeathleten Nadal und Ðokovic´ das Wasser reichen. Auch Schläge und Selbstvertrauen stimmen, das frühe Ausscheiden in Rom spukt zwei Wochen später in Paris gewiss nicht mehr im Kopf herum.
Die Auslosung spielt Dominic Thiem bei seiner Titelmission durchaus in die Karten. Der US-Amerikaner Tommy Paul, Nummer 136 der Weltrangliste, ist sogar so etwas wie ein Traumlos zum Auftakt. Im Lostopf lauerten eine Menge unangenehmer Erstrundengegner, sie blieben ihm allesamt erspart. Zwar lebt ein Grand-Slam-Turnier von Überraschungen, im Falle des Weltranglistenvierten deutet allerdings nichts auf ein böses Erwachen hin. Die erste echte Prüfung dürfte erst im Achtelfinale (Verdasco oder Monfils) warten, bis dahin sollte Thiems Motor schon auf Hochtouren laufen.
Dominic Thiem bringt alles mit, um eines Tages als zweiter Österreicher nach Thomas Muster 1995 die French Open zu gewinnen. Mit 25 Jahren hat der Lichtenwörther mittlerweile genügend Erfahrungen gesammelt, er hat die besten Spieler der Welt geschlagen, auch die Besonderheiten eines Grand-Slam-Endspiels können ihn nach seinem letztjährigen Finaleinzug nicht mehr erschrecken. In den kommenden zwei, vielleicht drei Jahren sind Thiems Chancen, Paris zu gewinnen, am besten. Sie waren allerdings noch nie besser als dieses Jahr. Die Zeit ist reif.