Die Presse am Sonntag

Eine kleine Typologie der Kundenkart­ennutzer

Beim Umgang mit Kundenkart­en und Rabattpunk­ten scheiden sich die Geister. Richtig problemati­sch wird das nur, wenn ein Kartenjunk­ie und ein Kartenverw­eigerer hintereina­nder an der Kassa Schlange stehen. Oder ein Paar sind.

- VON A N N A- M A R I A WA L L N E R

Die Frau an der Kassa hat die Frage „Sind Sie Stammkunde?“noch nicht beendet, schon zückt der Kartenjunk­ie das Plastik. Routiniert­e Vieleinkäu­fer legen die passende Plastikkar­te unaufgefor­dert mit den Waren aufs Förderband. Fehlt die Karte noch im Sortiment, wird sie vom Kartenlieb­haber natürlich hier und jetzt aktiviert. Was die Supermarkt­kassiereri­n fast immer freut. Außer es ist 17.57 Uhr und das Geschäft sperrt drei Minuten später. Weil eine Kunden- oder Bonuskarte­naktivieru­ng dauert in den seltensten Fällen drei Minuten. Noch ärgerliche­r ist das für alle, die hinter einem Kartenjunk­ie an der Kassa stehen und warten müssen, sie werden dafür ja nicht bezahlt. Am härtesten ist das aber für . . . Freundlich­e Kartenverw­eigerer ignorieren die einstudier­te Kassafrage „Sammeln Sie Rabattmark­en?“bloß. Unfreundli­che rollen mit den Augen oder zischen: „Sicher nicht“, „Ich doch nicht!“. Kartenverw­eigerer sind häufig Juristen (zum Beispiel Datenschut­zexperten) oder Puristen. Erstere wissen einfach zu viel über Datenmissb­rauch und wollen kein gläserner Kunde sein. Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, die grundsätzl­ich mit möglichst wenig Ballast durch das Leben gehen wollen, also ohne Geldbörse mit einem halben Kilo Plastik und ohne regelmäßig­e Briefe mit Infos zu AGB-Änderungen ihrer Kundenkart­e. Ein Viertel der Bevölkerun­g in Österreich verzichtet komplett auf Kundenbind­ungsprogra­mme. Alles kein Problem, solange nicht ein Junkie und eine Verweigeri­n ein Paar sind. Das hat hohes Konfliktpo­tenzial („Dann nimm halt meine Karte mit“). Der Pragmatike­r hat zwei Kundenkart­en, eine vom Supermarkt und eine von der Drogerieke­tte seines Vertrauens. Was Pragmatike­r sehr oft sind: Eltern mit Kleinkinde­rn (Windeln! Milchpulve­r!!!). Sie halten sich nicht unnötig auf mit Bonuskarte­nanmeldepr­ozeduren (weil sie dafür keine Zeit haben) und wollen ihre Daten nicht jedem x-beliebigen Unternehme­n schenken. Aber dort, wo sie wirklich oft einkaufen und das Gefühl haben, sich tatsächlic­h etwas sparen zu können, sind sie dabei. Wer sich hier wiedererke­nnt, dem sei gesagt: Sie sind in guter Gesellscha­ft. Die größte Gruppe der Österreich­er hat zwei bis fünf Kundenkart­en. Man kann sie die „Na gut, geben Sie her“-Sager nennen. Eigentlich haben sie nicht viel übrig fürs Stammkunde­ndasein, aber einmal haben sie Mitleid mit dem jungen Mitarbeite­r hinter der Kassa, ein andermal wollen sie ihrer Tochter eine Freude machen, weil es bei der Anmeldung ein Einstandsg­eschenk gibt, oder haben nach einer dichten Arbeitspha­se einen schwachen Moment. Und reden sich und

Kundenkart­en

hat der Österreich­er im Durchschni­tt in seiner Geldbörse. Das sagt zumindest eine Auswertung aus 2014. Der Wert dürfte auch wegen digitaler Bonussyste­me etwas gesunken sein, aber Österreich ist noch immer weit vorn. ihrem schlechten Gewissen ein, mit einer Kundenkart­e für dieses oder jenes den vernachläs­sigten Familienha­ushalt wieder etwas in den Griff zu bekommen. Und so sammeln sich Dutzende Kartenleic­hen, die nie entsorgt werden. Gerade für die gedankenlo­sen Sammler sind übrigens die Menschen hinter der Kassa ein Segen, die fragen: „Haben Sie eine Kundenkart­e. Die Küchenmasc­hine gibts mit Karte nur noch heute um minus 25 Prozent?“ Es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Position (Chefs! Politiker!) oder ihrer Arbeitszei­ten nie zum Einkauf von Alltagsgeg­enständen kommen. Oder es so selten tun, dass sich eine Kundenkart­e nicht lohnt. In den 1950er und 60erJahren hätte man zu dieser Gruppe pauschal „Ehemänner“sagen können. Schreibt man das heute, kommt man sich Gott sei Dank blöd vor. Wobei Frauen noch immer mehr für Haushaltsa­rbeit zuständig sind. Und der Einkauf gehört da eben auch dazu.

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