Eine kleine Typologie der Kundenkartennutzer
Beim Umgang mit Kundenkarten und Rabattpunkten scheiden sich die Geister. Richtig problematisch wird das nur, wenn ein Kartenjunkie und ein Kartenverweigerer hintereinander an der Kassa Schlange stehen. Oder ein Paar sind.
Die Frau an der Kassa hat die Frage „Sind Sie Stammkunde?“noch nicht beendet, schon zückt der Kartenjunkie das Plastik. Routinierte Vieleinkäufer legen die passende Plastikkarte unaufgefordert mit den Waren aufs Förderband. Fehlt die Karte noch im Sortiment, wird sie vom Kartenliebhaber natürlich hier und jetzt aktiviert. Was die Supermarktkassiererin fast immer freut. Außer es ist 17.57 Uhr und das Geschäft sperrt drei Minuten später. Weil eine Kunden- oder Bonuskartenaktivierung dauert in den seltensten Fällen drei Minuten. Noch ärgerlicher ist das für alle, die hinter einem Kartenjunkie an der Kassa stehen und warten müssen, sie werden dafür ja nicht bezahlt. Am härtesten ist das aber für . . . Freundliche Kartenverweigerer ignorieren die einstudierte Kassafrage „Sammeln Sie Rabattmarken?“bloß. Unfreundliche rollen mit den Augen oder zischen: „Sicher nicht“, „Ich doch nicht!“. Kartenverweigerer sind häufig Juristen (zum Beispiel Datenschutzexperten) oder Puristen. Erstere wissen einfach zu viel über Datenmissbrauch und wollen kein gläserner Kunde sein. Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, die grundsätzlich mit möglichst wenig Ballast durch das Leben gehen wollen, also ohne Geldbörse mit einem halben Kilo Plastik und ohne regelmäßige Briefe mit Infos zu AGB-Änderungen ihrer Kundenkarte. Ein Viertel der Bevölkerung in Österreich verzichtet komplett auf Kundenbindungsprogramme. Alles kein Problem, solange nicht ein Junkie und eine Verweigerin ein Paar sind. Das hat hohes Konfliktpotenzial („Dann nimm halt meine Karte mit“). Der Pragmatiker hat zwei Kundenkarten, eine vom Supermarkt und eine von der Drogeriekette seines Vertrauens. Was Pragmatiker sehr oft sind: Eltern mit Kleinkindern (Windeln! Milchpulver!!!). Sie halten sich nicht unnötig auf mit Bonuskartenanmeldeprozeduren (weil sie dafür keine Zeit haben) und wollen ihre Daten nicht jedem x-beliebigen Unternehmen schenken. Aber dort, wo sie wirklich oft einkaufen und das Gefühl haben, sich tatsächlich etwas sparen zu können, sind sie dabei. Wer sich hier wiedererkennt, dem sei gesagt: Sie sind in guter Gesellschaft. Die größte Gruppe der Österreicher hat zwei bis fünf Kundenkarten. Man kann sie die „Na gut, geben Sie her“-Sager nennen. Eigentlich haben sie nicht viel übrig fürs Stammkundendasein, aber einmal haben sie Mitleid mit dem jungen Mitarbeiter hinter der Kassa, ein andermal wollen sie ihrer Tochter eine Freude machen, weil es bei der Anmeldung ein Einstandsgeschenk gibt, oder haben nach einer dichten Arbeitsphase einen schwachen Moment. Und reden sich und
Kundenkarten
hat der Österreicher im Durchschnitt in seiner Geldbörse. Das sagt zumindest eine Auswertung aus 2014. Der Wert dürfte auch wegen digitaler Bonussysteme etwas gesunken sein, aber Österreich ist noch immer weit vorn. ihrem schlechten Gewissen ein, mit einer Kundenkarte für dieses oder jenes den vernachlässigten Familienhaushalt wieder etwas in den Griff zu bekommen. Und so sammeln sich Dutzende Kartenleichen, die nie entsorgt werden. Gerade für die gedankenlosen Sammler sind übrigens die Menschen hinter der Kassa ein Segen, die fragen: „Haben Sie eine Kundenkarte. Die Küchenmaschine gibts mit Karte nur noch heute um minus 25 Prozent?“ Es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Position (Chefs! Politiker!) oder ihrer Arbeitszeiten nie zum Einkauf von Alltagsgegenständen kommen. Oder es so selten tun, dass sich eine Kundenkarte nicht lohnt. In den 1950er und 60erJahren hätte man zu dieser Gruppe pauschal „Ehemänner“sagen können. Schreibt man das heute, kommt man sich Gott sei Dank blöd vor. Wobei Frauen noch immer mehr für Haushaltsarbeit zuständig sind. Und der Einkauf gehört da eben auch dazu.