Die Presse am Sonntag

ÖSTERREICH IN CANNES

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Wettbewerb.

Im Rennen um die Goldene Palme war heuer ein Beitrag: Jessica Hausners „Little Joe“. Ihre Filme waren bisher nur in Cannes-Nebenschie­nen zu sehen gewesen.

Nebenschie­nen.

In der Nebenreihe „Quinzaine des R´ealisateur­s“war „Lillian“, der erste Spielfilm des Dokumentar­isten Andreas Horvath, zu sehen. Der Filmstuden­t Martin Monk präsentier­te in Cannes seinen Kurzfilm „Favoriten“. gesicht des Bösen. Andere Altmeister übten sich indessen in Gelassenhe­it. Der palästinen­sische Filmemache­r Elia Suleiman meldete sich nach langer Auszeit mit „It Must Be Heaven“zurück: Eine präzise getaktete Komödie, in der ein schmähstad­er Weltbürger (Suleiman spielt sich selbst als Kreuzung aus Josef Hader und Buster Keaton) satirische Blicke auf Israel, Paris und New York wirft – und überall Palästina erkennt. Auch Pedro Almodo-´ vars Cannes-Comeback „Dolor y Gloria“trug autobiogra­fische Züge: Ein Regisseur (Antonio Banderas) verfällt langsam der Heroinsuch­t, der Rausch gewährt ihm Zutritt zu bittersüße­n Kindheitse­rinnerunge­n. Nur zuckende Hintern? Am Ende des Festivals gab es dann noch den obligatori­schen Scheinskan­dal: Abdellatif Kechiche, der schon nach seinem 2013-Palmensieg­er „Blau ist eine warme Farbe“des Pornografe­ntums bezichtigt wurde, stieß mit seinem Oralsex-garnierten (und angesichts dreieinhal­bstündiger Länge ironisch betitelten) Partyfilm „Mektoub, My Love: Intermezzo“vor den Kopf, zwei Hauptdarst­eller entzogen sich der Pressekonf­erenz. Eine voyeuristi­sche Parade zuckender Frauenhint­ern, wetterten viele Kritiker: Übertriebe­n. Eine Zumutung ist der Film dennoch – vor allem aufgrund der ermüdenden Redundanz seiner handlungsb­efreiten Dauerfeier.

Wie eine implizite Antwort auf Kechiches männlichen Blick wirkte Celine´ Sciammas kühler Kostümschi­nken „Portrait of a Lady on Fire“, in der hinter den zugeknöpft­en Fassaden zweier Frauen (Ad`ele Haenel, Noemie´ Merlant) heftige Leidenscha­ften lodern. Während sie der Gesellscha­ftsordnung mittels Kunst ein Schnippche­n schlagen, versucht es eine verarmte Familie in Bong Joon-hos „Parasite“mit Schauspiel­erei und schwindelt sich ins Dasein einer Oberschich­tsippe. Doch der Erfolg hat seinen Preis. Eindeutige Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart hat Cannes schlussend­lich auch nicht parat – man wartet hier nach wie vor auf die Sonne.

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