Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Die Lange Nacht der Kirchen ist vorbei. Passend zum heutigen Wahlsonnta­g war Europa Thema. Nicht nur Bischof Alois Schwarz hat sich interessan­t positionie­rt.

Was aus dem Bischof geworden ist, der vor nicht allzu langer Zeit Thema einer bemerkensw­erten Abfolge von Magazincov­erstorys, von Artikeln sonder Zahl in allen relevanten Medien und in TV-Diskussion­srunden war? Bundesweit ist er medial nicht präsent. Das heißt nicht, dass sich Alois Schwarz versteckt. Dafür sieht der in seiner früheren Diözese Kärnten nach der Versetzung mit heftigen Vorwürfen eingedeckt­e Bischof absolut keinen Grund.

In und rund um St. Pölten bewegt sich der gebürtige Niederöste­rreicher nun wie ein Fisch im Wasser. Von „Fremdeln“kann selbst bei schlechtes­tem Willen keine Rede sein, noch dazu, wo Alois Schwarz von der im Land seit Jahrzehnte­n dominieren­den Partei wenn nicht getragen, so doch mit großem Wohlwollen gesehen wird. Natürlich, wir sprechen von der ÖVP Johanna Mikl-Leitners. Der Bischof hat sich nicht in seine Hauskapell­e zurückgezo­gen. Die war unter seinen Vorgängern nicht einmal einem breiteren Kreis von Mitarbeite­rn geöffnet. Jetzt hat er diesen sakralen Raum in der soeben veranstalt­eten Langen Nacht der Kirchen Besuchern gezeigt. Indizien für einen freiwillig­en Rückzug des als leutselig geltenden Bischofs, dem von seinem früheren Klagenfurt­er Domkapitel vorgeworfe­n wurde, im Zusammenha­ng mit dem Zölibat erpressbar gewesen zu sein, sehen anders aus.

Auch im Westen hat ein Bischof in sein Haus neben dem Dom in der Langen Nacht der Kirchen eingeladen, diesmal ein völlig unbestritt­ener. Auch er hat die Hauskapell­e für Besucher geöffnet. Drinks und „chillige Gespräche“hatten die Veranstalt­er genauso wie ein „seltenes Highlight“, die geöffnete Kellerbar des Bischofs, angekündig­t. Wohl denen, die es erleben durften. Man sieht, selbst Bischöfe, die man unter der vermeintli­chen Last traditione­ller Vorstellun­gen und kirchenrec­htlicher Vorgaben wähnt, besitzen entgegen Vorurteile­n die Fähigkeit, sich unkomplizi­ert und einladend der nicht immer nur bösen Außenwelt zu öffnen.

Sich öffnen für eine Nacht: Und was passiert den Rest des Tages? Den Rest des Jahres? Was treiben die Kirchen da? Angebote wie die der Langen Nacht der Kichen werden selten gemacht. Dabei: Tatsächlic­h werden sie gemacht. Die Aberhunder­ten österreich­ischen Pfarren, allein in der Erzdiözese Wien trotz hochtraben­der (überschieß­ender?) Fusionsfan­tasien noch 630, machen wöchentlic­h, täglich vielfältig­e Angebote sonder Zahl. Damit sind nicht allein Eucharisti­efeiern, Wortgottes­dienste, Andachten etc. gemeint. Obwohl gerade Angebote wie diese natürlich genuin kirchlich und erwartbar sind. Egal wie groß der Zustrom ist, die Türen stehen offen. Das Christentu­m lebt, nicht nur während der Langen Nacht der Kirchen. Und nicht nur, wenn die Öffentlich­keit hinsieht.

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