Hofer ist Parteichef, Kickl auch ein bissch
Die FPÖ will keine Vergangenheitsbewältigung mehr – und wählt Norbert Hofer zu ihrem Chef. Dass ihn jeder akzeptiert, heißt das nicht. Ausgerechnet die Partei, die sich 14 Jahre lang auf einen Mann fokussiert hat, setzt nun auf eine Art Doppelspitze. Wie
Es gibt Reden, die gehören zu den bedeutendsten im Leben eines Politikers. Das hat Norbert Hofer gerade gesagt, aber man kann es auch als Faktum niederschreiben: Er hat recht. Hofer wird eine solche Ansprache gleich halten, am Samstagvormittag in der schnöden Grazer Messehalle. Kein spektakuläres Feuer hat ihn angekündigt, keine JohnOtti-Band für ihn Stimmung gemacht. Zumindest dem Anschein nach herrscht Bescheidenheit hier am Bundesparteitag der FPÖ.
Hofer steht also am Podium und zieht einen Din-A4-Zettel aus seiner Sakkotasche. Noch ist er zusammengefaltet, er wird es die kommende Stunde auch bleiben. „Natürlich habe ich eine Rede vorbereitet. Aber ich mache es so wie immer und sage einfach, was ich denke“, sagt Hofer.
Gut möglich, dass genau dieser Satz auf dem Zettel mit dem Redetext steht. Hofer kann sich heute keine Aussetzer leisten. Keine Passage darf er vergessen, kein kleiner Scherz soll unerzählt bleiben. Es ist ein „AufbruchParteitag“, sagt Hofer. Er ist dazu da, „um die Partei zu stabilisieren und einen klaren Blick in die Zukunft zu bekommen.“Hofer stellt sich zum ersten Mal der Wahl als Parteichef. Dass ihn die Delegierten wählen, ist klar: Die Freiheitlichen haben gelernt, nach Außen in entscheidenden Momenten ihren Zusammenhalt zu beweisen. Die Fragen waren am Samstag nur: Wie viele Stimmen erhält er am Parteitag? Und sind sie auch ein Zeichen authentischer Unterstützung?
Die erste Frage wurde um 13.30 Uhr beantwortet: 14 Nein-Stimmen, 486 JaStimmen, eine ungültige Abgabe – damit ist Hofer mit 98,25 Prozent neuer Parteichef. Dann gibt es doch noch eine kleine Lichtshow, dazu wird Queens „Don’t stop me now“in voller Lautstärke abgespielt. „Liebe Freunde, wir sind wieder da!“, ruft Hofer ins Publikum. Die Menge jubelt. Auf der Bühne reicht man ihm eine Modell-Cessna als Geschenk, „weil du jetzt den Steuerknüppel hast.“Und auch einen Co-Piloten, wird zur Sicherheit erinnert: Herbert Kickl.
Denn nun setzt ausgerechnet die Partei, die 14 Jahre lang den Fokus auf einen Mann gelegt hat, erst einmal auf eine Art Doppelspitze. Wie funktioniert das? Und kann das gut gehen?
Die Taktik ist riskant, aber möglicherweise erfolgreich: Kickl soll die freiheitliche Basis bei Laune halten, damit sie am 29. September wieder ihre Stimme für die FPÖ abgibt. Dafür übernimmt er den klassischen Wahlkampf und tourt durch die Bundesländer mit seinem Kernwähler-Programm. Hofer will die Zielgruppe erweitern und liberalere Wähler ansprechen. Und die erreicht er am besten via Fernsehen. Praktischerweise tritt Hofer als Parteichef und Spitzenkandidat mehrmals die Woche in einer TV-Diskussion auf. Auftritte wie hier am Bundesparteitag sind eher die Ausnahme.
Mit Vergangenheitsbewältigung wollen die Freiheitlichen in Graz daher keine Zeit verschwenden, zumindest offiziell. Nur zwei Mal wird der langjährige Parteichef Heinz-Christian Strache erwähnt: Einmal von Norbert Hofer, einmal von Robert Lugar. Jetzt soll es um die Zukunft gehen.
Angriffig, dann demütig. Und die zeichnet Hofer in seiner Rede durchaus optimistisch: „Ich trete nicht als Obmann einer Partei an, die Dritter werden will.“Das Ziel der FPÖ müsse es langfristig sein, am Wahlabend alle Kontrahenten zu überholen. Bis dahin sei Türkis-Blau ein „Angebot, keine Bitte“. Als die ÖVP Kickl nicht als Innenminister haben wollte, sei klar gewesen: „Wenn einer geht, gehen alle.“Das ist der Moment, in dem Hofer am angriffigsten wird. Sonst gibt sich Hofer vorwiegend demütig – er erzählt von seinem Werdegang vom kleinen Funktionär hin zum Präsidentschaftskandidat. Vereinzelt wird es deftig: „Der Islam wird niemals Teil unserer Kultur sein.“Am Ende aber auch mahnend: Die Partei müsse sich thematisch breiter aufstellen und auch im urbanen Raum überzeugen. „Bei schweren Schnitzern dürfen wir nicht mehr zusehen, wenn sie unserer Partei schaden.“Denn schon unter Jörg Haider, aber auch unter Strache habe man Erfolge gefeiert – „und dann sind wir über unsere eigenen Füße gestolpert. Niemals wieder werden wir an uns selbst scheitern.“
Es ist eine Ansprache, die ein bisschen etwas für alle Delegierten bietet. Hofer will niemandem weh tun, nicht zu viel Reibungsfläche bieten. Das ist nicht seine Aufgabe – und hier kommt wieder seine Nummer zwei zum Einsatz. Für Hofer gibt es höflichen, aber nicht überbordenden Applaus.
Kickl steht hingegen noch keine Minute am Rednerpult, da hat er schon den lautesten Applaus und die meisten Lacher des Tages erhalten. Das heißt nicht, dass die Menge Hofer nicht schätzt – schon unter Strache war Kickl der unterhaltsamste Redner für sein Publikum. Aber nur Kickl bringt die typischen Schenkelklopfer, die die Menge hören will. Wie zum Beispiel: „Lassen wir die Henderl in Ruhe und panieren die Roten und die Schwarzen.“
Man könnte einen Machtkampf zwischen Kickl und Hofer vermuten, Beweise dafür gibt es nicht. Eher könnte ein unbeteiligter Dritter an die Spitze drängen. Derzeit ist es aber ohnehin keine dankbare Aufgabe, in der vordersten Reihe der FPÖ zu stehen.
Andererseits: Es kommt darauf an, wo man sich bewegt. Kickl und sein Stil sind nicht nur hier in Graz unter den Delegierten beliebt. Auch bei seinen klassischen Wahlkampfterminen wird Kickl gefeiert.
Kickls Auftritt bei Kernwählern. Um das zu beschreiben, muss man einen kurzen Zeitsprung und einen schnellen Ortswechsel machen: Hin zum Hubertus Stadl, einem urigen Familienlokal im Herzen des zehnten Wiener Bezirks. Erst seit einem Jahr führt eine U-Bahn aus dem Zentrum in das Grätzl, und auch sonst fühlt sich die Stadtpolitik für die Kundschaft des Lokals sehr weit von ihrer Lebensrealität entfernt an. Die FPÖ Favoriten weiß das, sie hat wahrscheinlich auch deswegen vor eineinhalb Wochen einen Abend mit Kickl angekündigt. Das Gasthaus ist voll: Eine telefonische Anmeldung war Pflicht, wer alleine kommt, teilt den Holztisch mit anderen Besuchern. Sie essen Linsen mit Knödeln oder Schnitzel, zur Nachspeise gibt es „HaiderOmas Kardinalschnitte“.
Hier findet ein ganz anderer Wahlkampf statt als jener, den Hofer vor laufender
Hofer verspricht der Partei: »Niemals wieder werden wir an uns selbst scheitern.«