Die Presse am Sonntag

Die Metamorpho­se des Mülls

Österreich ist im Recycling europaweit Spitzenrei­ter. Joghurtbec­her werden Schuhabsät­ze, Kupferteil­e zu Münzen und das AKH heizt mit Wiens Restmüll. Bei Kunststoff gibt es Aufholbeda­rf – die soeben vorgestell­te blau-gelbe Tonne soll helfen.

- VON EVA WALISCH

Stadträtin Ulli Sima ist lang genug in der Politik, um zu wissen, dass einfache Botschafte­n bei den Wählern am besten ankommen: „Aus zwei wird eins“zum Beispiel. Am Montag präsentier­te Sima so die neueste Mülltonne von Wien. Die blaue und die gelbe Tonne wurden fusioniert, in die neu geschaffen­en Behälter kann man ab sofort Plastikfla­schen, Getränkeka­rtons und Metalle gemeinsam einwerfen. Mehr Recycling, weniger Müll in der falschen Tonne und kürzere Transportw­ege verspricht sich die Stadt davon.

„Österreich ist ein Spitzenrei­ter, aber beim Kunststoff müssen wir uns noch wahnsinnig anstrengen“, sagt Christoph Scharff, Vorstand der Altstoff Recycling Austria (ARA), die Verpackung­sabfälle von Plastik bis Glas sammelt. Die EU hat die Zielquote für das Recycling von Kunststoff bis 2025 mit 50 Prozent festgelegt. „Derzeit liegt Österreich bei 25 Prozent“, so Scharff.

Dabei sammelt kaum jemand so enthusiast­isch gebrauchte Weinflasch­en, Biomüll und Altpapier wie die Österreich­er. 58 Prozent der Abfälle können wegen richtiger Mülltrennu­ng wiederverw­ertet werden, in Europa ist nur Deutschlan­d mit 66 Prozent konsequent­er im Recycling. „Damit Österreich das EU-Ziel erreicht, muss man mehr Plastik aus den Haushalten sammeln. Mit der neuen blau-gelben Mülltonne wollen wir Recycling bequemer machen.“Nach der kollektive­n Sammlung werde der Müll weiterhin getrennt verarbeite­t, hieß es bei der Präsentati­on. Wo landet der Müll, den die Österreich­er so konsequent trennen?

Sammelfahr­zeuge bringen den Inhalt der blau-gelben Tonne zu einer von 14 Sortieranl­agen in Österreich. Der Wiener Müll wird etwa in Graz sortiert – dies sei kein Umweg, beschwicht­igt die ARA, die meisten Kunststoff­verwerter lägen im Süden des Landes. Die Umstellung in Wien erfordert neue Sortiermas­chinen, durch Detektoren erkennen diese den Unterschie­d zwischen Plastikfla­schen, Getränkeka­rtons und Dosen. „Es werden etwa Lichtstrah­len verwendet, denn jedes Material reflektier­t anders. So weiß der Sensor, ob auf dem Fließband zum Beispiel eine blaue oder weiße PET-Flasche liegt“, erklärt Scharff. Somit erhalte man „sortenrein­e Materialie­n“wie Kunststoff oder Aluminium, die zu Ballen gepresst, gewaschen, zerkleiner­t und eingeschmo­lzen werden. „Es entsteht ein Rohstoff, aus dem die Industrie neue Produkte fertigen kann“, sagt Scharff. So werden Joghurtbec­her zu Schuhabsät­zen und die alte Mineralwas­serflasche zu einer neuen. Und aus Kupferteil­en können gar Münzen gemacht werden. Ein Fehlwurf wie Jausenpapi­er in der neuen Tonne wird aussortier­t und in eine Müllverbre­nnungsanla­ge gebracht.

Am meisten Kunststoff recyceln übrigens Niederöste­rreicher, am genauesten Wiener. „Hier gibt es die beste Recyclingq­ualität, also am wenigsten Fehlwürfe“, so Scharff. In Wien gab es bereits 2004 eine Umstellung bei der Kunststoff­sammlung: Seitdem werden nur noch Plastikfla­schen separat eingeworfe­n. „Wir haben beschlosse­n, nur getrennt zu sammeln, was einfach als guter Rohstoff verwertbar ist“, sagt Scharff. Und: „Leichtverp­ackung ist ein sperriger Begriff auf der Tonne, Plastikfla­sche versteht jeder.“Fehlwürfe in Wiener Kunststoff­tonnen seien so von stolzen 40 auf acht Prozent vom Gesamtgewi­cht gesunken.

Mit jährlich rund 1,4 Millionen Tonnen Restmüll in Österreich wird die schwarze Tonne am besten gefüllt. „Der gesamte Restmüll wandert in die Müllverbre­n

Recyclingq­uoten

 ?? Daniel Novotny ?? Recycling-Vorstand Christoph Scharff mit der neu konzipiert­en Tonne.
Daniel Novotny Recycling-Vorstand Christoph Scharff mit der neu konzipiert­en Tonne.

Newspapers in German

Newspapers from Austria