Die Presse am Sonntag

Reißfest? Als die Nähstube Europas unter Druck kam

Die Löhne steigen, die Arbeiter wandern aus. Was macht das mit der Textilindu­strie in Rumänien, die auf billige Arbeitskrä­fte baut? Eine Reise zu Fabrikbesi­tzern, Gewerkscha­ftern, Funktionär­en und den Menschen hinter dem Label »Made in Europe«.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Laura Stefanut wegen Rufschädig­ung auf 50.000 Euro zu verklagen, war ein Fehler. Das merkten die großen Modemarken schnell. Nun war den Berichten der rumänische­n Journalist­in über die Arbeitsbed­ingungen in der Textilindu­strie ihres Landes – über unbezahlte Überstunde­n, ungeheizte Hallen, Druck von brüllenden Chefs – die Aufmerksam­keit der breiten Öffentlich­keit sicher. Zara und andere bekannte Namen, die in den Fabriken schneidern ließen, drehten das Verfahren ab.

Es ist Sommer, drei Jahre später, Stefanut sitzt in einem Wiener Kaffee, sie ist als Stipendiat­in in der Stadt. Was sich verändert hat, seit sie 2015 zu recherchie­ren begann? „Es wird besser, die Löhne steigen“, sagt sie, „aber Tatsache ist, dass Rumänien und Bulgarien auch nach dem EU-Beitritt billige Arbeitskrä­fte als ihren größten Vorteil verkaufen.“Die Probleme seien systemisch. Da gehe es nicht um ein paar schwarze Schafe.

Ihr Befund deckt sich mit dem von Nichtregie­rungs-Gruppen wie der Clean Clothes Campaign, die regelmäßig Interviews mit osteuropäi­schen Arbeitern führen. Gertrude Klaffenböc­k, die für die Organisati­on arbeitet, sagte der „Presse am Sonntag“vor einiger Zeit, man solle nicht von besseren, weil europäisch­en Arbeitsbed­ingungen ausgehen. „Osteuropa ist ein Problemgeb­iet, dem man mehr Aufmerksam­keit schenken muss.“

Folgt man der Aufforderu­ng nach Rumänien, trifft man auf Fabrikbesi­tzer unter Druck, auf ambitionie­rte Ge

werkschaft­er, desillusio­nierte Funktionär­e und merkt – die eine Antwort gibt es nicht. Dafür viele unterschie­dliche Geschichte­n aus einer Industrie, die ihre goldenen Zeiten hinter sich hat.

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