Reißfest? Als die Nähstube Europas unter Druck kam
Die Löhne steigen, die Arbeiter wandern aus. Was macht das mit der Textilindustrie in Rumänien, die auf billige Arbeitskräfte baut? Eine Reise zu Fabrikbesitzern, Gewerkschaftern, Funktionären und den Menschen hinter dem Label »Made in Europe«.
Laura Stefanut wegen Rufschädigung auf 50.000 Euro zu verklagen, war ein Fehler. Das merkten die großen Modemarken schnell. Nun war den Berichten der rumänischen Journalistin über die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie ihres Landes – über unbezahlte Überstunden, ungeheizte Hallen, Druck von brüllenden Chefs – die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit sicher. Zara und andere bekannte Namen, die in den Fabriken schneidern ließen, drehten das Verfahren ab.
Es ist Sommer, drei Jahre später, Stefanut sitzt in einem Wiener Kaffee, sie ist als Stipendiatin in der Stadt. Was sich verändert hat, seit sie 2015 zu recherchieren begann? „Es wird besser, die Löhne steigen“, sagt sie, „aber Tatsache ist, dass Rumänien und Bulgarien auch nach dem EU-Beitritt billige Arbeitskräfte als ihren größten Vorteil verkaufen.“Die Probleme seien systemisch. Da gehe es nicht um ein paar schwarze Schafe.
Ihr Befund deckt sich mit dem von Nichtregierungs-Gruppen wie der Clean Clothes Campaign, die regelmäßig Interviews mit osteuropäischen Arbeitern führen. Gertrude Klaffenböck, die für die Organisation arbeitet, sagte der „Presse am Sonntag“vor einiger Zeit, man solle nicht von besseren, weil europäischen Arbeitsbedingungen ausgehen. „Osteuropa ist ein Problemgebiet, dem man mehr Aufmerksamkeit schenken muss.“
Folgt man der Aufforderung nach Rumänien, trifft man auf Fabrikbesitzer unter Druck, auf ambitionierte Ge
werkschafter, desillusionierte Funktionäre und merkt – die eine Antwort gibt es nicht. Dafür viele unterschiedliche Geschichten aus einer Industrie, die ihre goldenen Zeiten hinter sich hat.