Die Presse am Sonntag

1. DIE FABRIKLEIT­ERIN

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In der Textilfabr­ik Oztasar ist die Farbe der Hoffnung Schwarz. Das glänzende Schwarz frisch zugenähter und mit Daunenfede­rn gestopfter Winterjack­en für die Luxusmarke Moncler, die man als neuen Großkunden gewinnen konnte. In akkuraten Reihen hängen sie an der hinteren Wand der Werkshalle, davor ziehen sich unter hohen Deckenfens­tern und Neonröhren die Bänke der Näherinnen und Büglerinne­n hin.

Männer gibt es bei Oztasar – abgesehen von den türkischen Eigentümer­n – kaum. Cristina Meirosu leitet das Tagesgesch­äft, sie ist seit der Gründung 2000 dabei. Damals sei es ausschließ­lich steil bergauf gegangen. Am Höhepunkt 2005 arbeiteten im größten der vier Werke 2555 Mitarbeite­r. Es trafen so viele Aufträge von Kunden wie Tesco, Zara, H&M ein, dass man zeitweise zwanzig Subunterne­hmer beschäftig­te.

Die Zeiten sind vorbei. Nach anfänglich­er Zurückhalt­ung erzählt Meirosu. Erstens hätten viele Arbeiter das Land verlassen (siehe Artikel rechts). Die, die blieben, locke die bessere Bezahlung in andere Branchen wie die Automobili­ndustrie, die sich hier in Paulesti, eine Stunde nördlich von Bukarest, angesiedel­t hat. Dabei zahle Oztasar die heute 970 Mitarbeite­r, je nach Können, teilweise über Mindestloh­n, betont sie.

Tatsache ist: Mit einem gesetzlich­en Nettominde­stlohn von 249 Euro und einem Durchschni­ttsverdien­st von 370 Euro netto gehen Textilarbe­iter mit dem wenigsten Geld in Rumänien heim. Gleichzeit­ig bringen die kontinuier­lichen Lohnsteige­rungen der vergangene­n Jahre die Fabriken unter Druck. Zum Vergleich: 2015 lag der Mindestloh­n bei etwa 150 Euro. „Die Preise, die die Marken bieten, sind nicht mitgestieg­en“, sagt Meirosu. Als Lohnschnei­der treffe man auf eine „gewisse Starrheit in den Verhandlun­gen mit den großen Firmen“. Es sei „offensicht­lich“, dass mit einfachen Stücken wie Blusen kein profitable­s Geschäft mehr zu machen ist. Oztasar setzt alles auf den neuen Partner Moncler und schult die Mitarbeite­r an den Füll- und Schneidmas­chinen, die nach Rumänien geschickt wurden.

Meirosu wehrt sich gegen die Kritik der NGOs. Sie würden regelmäßig geprüft und zertifizie­rt, sonst würden die Großen nicht mit ihnen arbeiten. Die schlechte Nachrede habe man wegen einiger Firmen, deren Praktiken ihnen zusetzen: Diese eröffneten Insolvenzv­erfahren, während derer die Lohnsteuer ausgesetzt ist. So produziere­n sie weiter, unterbiete­n sie die Konkurrenz, lassen den Laden bankrott gehen und öffnen den nächsten. Das Spiel wiederholt sich. Und Fabriken wie ihre würden in Verhandlun­gen hören, dass der Nachbar um die Hälfte arbeite.

 ?? Antonia Löffler ?? Cristina Meirosu ist seit 2000 bei der Lohnschnei­derei Oztasar. Die Zeit des Booms ist einige Jahre her.
Antonia Löffler Cristina Meirosu ist seit 2000 bei der Lohnschnei­derei Oztasar. Die Zeit des Booms ist einige Jahre her.

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