Die erste Riesenbatteriefabrik Europas
Batterien gelten als Hürde bei der Verbreitung von E-Autos. Nun entsteht die erste Gigafabrik Europas – im teuren Schweden.
Europa und die Autobaunation Deutschland hätten den Anschluss an die weltweit anbrechende Ära des Elektrofahrzeugs verschlafen, heißt es derzeit immer wieder. Als Flaschenhals gelten Batterien. Im Gegensatz zu den USA und vor allem den asiatischen Weltmarktführern gibt es bislang in ganz Europa keine einzige Großanlage zur Produktion von Strombatterien.
Im Herbst beginnen die Ex-Tesla
Topmanager Peter Carlsson und Paolo Cerruti deshalb, in der nordschwedischen Kommune Skelleftea˚ die erste Batteriegigafabrik Europas mit Hilfe großer Investoren zu errichten.
Dazu wurde eine enorme Fläche von 50 Hektar oder 70.028 Fußballfeldern mitten im Wald, zehn Autominuten vom Rathaus, eingeebnet. 40.000 Bäume wurden gefällt. Bis 2021 sollen zwei von vier Großanlagen der Batteriefabrik die Produktion aufnehmen. Zwei Anlagen haben eine Produktionskapazität von rund 15 Gigawattstunden im Jahr. Es sei wichtig, schnell zu sein, so Carlsson, bevor der richtig große Elektroautoboom losgehe. „Wenn niemand etwas tut, wird Europa komplett abhängig von asiatischen Lieferanten. Noch hat Europa die Gelegenheit, für seine eigene Energieunabhängigkeit zu handeln. Da geht es um jetzt oder nie“, sagte er der „Financial Times“. Die Fabrik soll fast so groß wie Teslas Fabrik im US-Bundesstaat Nevada werden und könnte bis zu 640.000 neue Elektroautos jährlich mit einer 50-Kilowattstunden-Batterie bestücken.
Auch andernorts in Europa gibt es Bestrebungen für Batteriefabriken. Inzwischen ist gar die Rede vom Wettlauf um die ersten europäischen Gigafabriken. „2030 wird es vermutlich 10 Fabriken in Europa geben“, glaubt auch Carlsson von Northvolt. Die Skandinavier haben bislang aber die Nase vorn.
Für Schweden ist es das wichtigste Industrieprojekt seit Langem. Die nordschwedische Bergbaukommune Skelleftea,˚ einst „Goldstadt“genannt, mit knapp 33.000 Einwohnern, erhofft sich ein neues Goldenes Zeitalter. „Was derzeit hier passiert, ist historisch. Wir stehen vor einer neuen Industrieepoche. Es ist ein wenig wie der erste Goldfund vom Bolidenkonzern vor 100 Jahren“, schwärmt Bengt Ivansson, kommunaler Wirtschaftschef in Skelleftea.˚ Bis zu 3000 neue Einwohner sollen durch die Fabrik in die Stadt kommen. „Wir müssen schnell die Infrastruktur anpassen, Straßen, Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, das wird eine große Herausforderung sein“, so Ivansson.
Namhafte Investoren. Dabei war das Projekt lang an der Kippe. Ausgerechnet am Rande Europas, im teuren Schweden? Doch die Lohnkosten von rund 2500 Mitarbeitern gelten als weniger bedeutend als der Strompreis. „Wir haben reichlich sauberen und preiswerten Strom, gänzlich aus Wasserkraft. In Deutschland kostet Strom dreimal so viel. Zudem verfügen wir in Nordschweden historisch über gut ausgebildete Industriefachkräfte“, so Ivansson. In Nordeuropa werden ein paar der für Batterien zentrale Rohstoffe gefördert. Mit diesen Standortvorteilen ging auch Fabrikinitiator Carlsson, früher Logistikchef bei Tesla und einer der engsten Mitarbeiter von Elon Musk, auf Investorensuche. Nun sind namhafte Investoren wie BMW und Siemens an Bord. Volkswagen will sich 20 Prozent rund 900 Mio. Euro kosten lassen und gilt als finanzieller Durchbruch für Northvolt. „Mit Northvolt haben wir einen europäischen Partner gefunden, mit dem wir auch in Deutschland die Zellherstellung vorantreiben können“, so VWVorstand Stefan Sommer im Juni.
Die Lohnkosten der 2500 Mitarbeiter sind nicht so gewichtig wie der Strompreis.
In einem Joint Venture mit den Schweden soll später sogar eine Batteriefabrik im deutschen Salzgitter entstehen. Auch der Technologiekonzern ABB, der Energiekonzern Vattenfall, der schwedische Rentenfonds AMF, sogar der Möbelkonzern Ikea und der Göteborger Reederei- und Transportkonzern Stena sind mehr oder weniger beteiligt. Die Europäische Investitionsbank hat einen Kredit von 350 Mio. Euro bewilligt.
Allerdings hat Carlsson eine Hürde noch nicht genommen. Er braucht stolze 40 Milliarden Kronen (4,1 Mrd. Euro) für das Projekt. „Das mag wie eine hohe Summe klingen, aber man muss bedenken, dass sie über mehrere Jahre verteilt wird“, sagte Carlsson dem Wirtschaftsblatt „Dagens Industri“. Doch die Orderbücher seien bis zum Anschlag gefüllt, es gebe bereits Bestellungen für 120 Milliarden Kronen (11,16 Mrd. Euro). „Die Nachfrage nach Batterien steigt derzeit exponentiell wegen der weltweiten Elektrifizierung. Wenn Northvolt erfolgreich ist, wird nicht nur eine Fabrik entstehen“, verkündete auch ABB-Schwedenchef Johan Söderström. Die Kommune hat bereits grünes Licht gegeben. Die 40 Hektar könnte Northvolt später auf 200 ausweiten.
Die Befürchtung, dass europäische Autobauer sich lieber aus Asiens Niedriglohnländern beliefern lassen, hält Carlsson für unbegründet. Die Asiaten hätten keine Konkurrenzvorteile, sagte er der „Financial Times“. Der Erfolg der automatisierten Fabrik hänge nicht von billigen Arbeitskräften ab, sondern von preiswerter Energie, Rohstoffversorgung und fähigen Experten. Das gebe es in Nordeuropa. Und: Der Lieferweg zu Europas Autofabriken sei kurz.