Mini ist heute gar nichts mehr
Vor 60 Jahren brachte der Mini smarte Kleinheit in die Autowelt. Davon ist diese heute weit entfernt.
Die Nachkriegszeit brachte in ganz Europa Fahrzeugtypen hervor, die es vor dem Krieg nicht gegeben hatte. Sie wurden aus Materialknappheit und Improvisationskunst geboren, wie die Vespa in Italien, die Kabinenroller in Deutschland – und, vor genau 60 Jahren, auch der Mini in England. Die Suez-Krise von 1956 wird als Auslöser genannt – sie drohte den gerade anlaufenden wirtschaftlichen Aufschwung im Land abzuwürgen.
Im August 1959 enthüllt die British Motor Company (BMC) ein revolutionäres Kleinwagenkonzept, das der Ingenieur Alec Issigonis ersonnen hatte. Der Morris Mini-Minor war nicht einfach ein kleines Auto, das man wegen des geringen Materialbedarfs günstig anbieten konnte – es war ein Geniestreich in Sachen Packaging, sprich der Anordnung von Komponenten samt daraus resultierender Raumaufteilung.
Platz für vier. Der Mini war nur einen Hauch über drei Meter lang, dennoch fanden vier Erwachsene und 195 Liter Kofferraum Platz – wer je den klassischen Mini gefahren ist, wird bestätigen: keine Spur von Raumnot oder Beengtheit!
Alec Issigonis, Engländer mit griechischen Wurzeln, später zum Sir geadelt, hatte mit sämtlichen Konventionen des Automobilbaus gebrochen; sein Konzept wurde zum Maßstab des modernen Klein- und Kompaktwagenbaus. Der Mini hatte eine knapp geschnittene, selbsttragende Karosserie (etwa zwei Meter Radstand bei drei Metern Gesamtlänge), einen quer eingebauten Vierzylinder, kleine Räder und Gummidämpfer statt platzraubender Stahlfedern.
Allerdings musste die Käuferschaft noch überzeugt werden, denn das Publikum war von der kleinen Kiste keineswegs auf Anhieb begeistert. Die Klugheit des Konzepts ist nicht augenscheinlich – man muss den Mini fahren, um ihn zu verstehen.
Einen wesentlichen Beitrag zu seiner Beliebtheit leistete John Cooper, Kleiner, leichter Hüpfer: Mini Cooper S auf der englischen RAC-Rallye, 1964. der aus dem Rennsport kam und sofort das Potenzial des Autos erkannte – tiefer Schwerpunkt, geringes Gewicht, gute Straßenlage – da mussten nur stärkere Motoren her. Mit bis zu 70 PS geriet der Mini Cooper S ab 1961 zum Schrecken großer, PS-starker Autos, auch auf der Rallye-Piste: Der Finne Rauno Aaltonen gewann 1963 erstmals die berüchtigte Monte Carlo auf Mini.
Was ist geblieben? Ein Klassiker, ein Kultauto – und ein Nachfahre, der unter BMW-Regie seit 2001 vom Band läuft. Die Radikalität des Ur-Modells konnte freilich nicht überdauern. Komfort- und Sicherheitseinrichtungen treiben unweigerlich Größe und Gewicht. Ein heutiger Mini wiegt mit um die 1,2 Tonnen gut doppelt so viel wie einer aus den Anfangsjahren.
Und damit ist er immer noch ein Leichtgewicht auf der Straße. 2011 hielt das Durchschnittsgewicht neu zugelassener Pkw in Österreich bei 1438 kg (Quelle: ICCT). Die seither signifikant gestiegene Lust auf SUVs in allen Formaten hat diesen Wert über die eineinhalb Tonnen gehoben. Und es gibt wenige Anreize für eine Trendumkehr: Die Regeln sehen vor, dass der CO2Ausstoß mit dem Fahrzeuggewicht verbunden wird – je leichter ein Auto ist, desto weniger CO2 darf es emittieren. Umgekehrt: je schwerer, desto mehr. Vom leichtfüßigen Swing der Sixties sind wir weiter entfernt denn je.