Pflanzen, produziert!
Die Grüne Revolution ist ausgereizt, eine zweite Runde könnte bei der Fotosynthese ansetzen oder bei den Stomata. Oder bei den Wurzeln.
Als Mitte der 40er-Jahre der Hunger in Mexiko so groß wurde, dass die Regierung ihren bzw. den Zusammenbruch des Landes fürchtete, bat sie den großen Nachbarn um Hilfe. Der schickte kein Militär, sondern Agrarexperten, an der Spitze Norman Borlaug. Er züchtete Getreide, Mais und Weizen, damit Stickstoff besser verwertet wird. Die Erträge stiegen stark, so stark, dass die Halme die Körner nicht tragen konnten, deshalb sorgte Borlaug im zweiten Schritt für Stabilität, er kreuzte kurzhalmige Sorten ein.
Dafür erhielt er 1968 den Friedensnobelpreis, und aus diesem Anlass prägte William Gaud, Chef der US-Entwicklungshilfe, eine griffige Formel: „Es ist keine gewaltsame Rote Revolution wie in der Sowjetunion, ich nenne sie die Grüne Revolution.“Von der leben wir, der Preis war hoch – Umweltverschmutzung durch Dünger und Pestizide, Übernutzung des Wassers, Verdrängung von Kleinbauern –, der Gewinn war höher: Der Hunger konnte zurückgedrängt werden, die Ernährung ist gesichert wie nie, und das, obwohl wir nun 7,6 Milliarden sind.
Aber wir werden mehr, und die Grüne Revolution ist ausgereizt, eine neue ist überfällig. Was ließe sich noch an Pflanzen verbessern? Einen Wink gibt die Natur: Vor 30 Millionen Jahren wurde der zentrale Nährstoff der Pflanzen knapp, das CO2 in der Luft, aus dem (mit Wasser) in der Fotosynthese die Grundlage der Biomasse gebildet wird. Das lief über ein Verfahren, das C3 heißt, es wurde partiell abgelöst von C4, das kommt mit weniger CO2 aus, mit weniger Wasser auch. Irgendwann werden alle Pflanzen darauf umstellen, aber das wird Millionen Jahre dauern – Martin Lerecher (Düsseldorf ) hat es durchgerechnet –, und zentrale Nutzpflanzen wie Reis und Getreide betreiben noch C3, man müsste sie umprogrammieren auf C4, die zentrale Genetik ist bekannt ( Cell 153, S. 1579).
Vielleicht ließe sich die Fotosynthese auch generell optimieren: Sehr energieeffizient ist sie nicht, ein Grund liegt darin, dass der Fotosyntheseapparat justament von seiner Kraftquelle gefährdet wird, vom Licht der Sonne. Das schwankt in kürzester Zeit enorm: Wenn eine Wolke abzieht, steigt die Intensität des Lichts um zwei Größenordnungen, zu viel des Guten bzw. des Sauerstoffs, der auch hoch aggressive Formen annehmen kann, die von freien Radikalen. Zum Schutz haben Pflanzen NPQ entwickelt, „non-photochemical-quenching“, das führt überschüssige Energie als Wärme ab.
In Gang kommt NPQ blitzschnell, der Rückweg jedoch dauert, eine halbe Stunde, geschätzte 30 Prozent der möglichen Erträge gehen verloren. Aber man kann die Erholung beschleunigen, Krishna Niyogi (Berkeley) und Stephen Lang (Lancester) haben es an Tabak gezeigt: Der Einbau von drei Genen steigerte die Biomasse um 14 bis 20 Prozent (Science 354, S. 857).
Wasser sparen. Fotosynthese ist nicht der einzige Ansatzpunkt, zum Optimieren bieten sich auch die Pflanzenorgane an, die sie versorgen, die Stomata. Das sind die Poren in den Blättern, die das CO2 hinein- und das Wasser hinauslassen. Das ist knapp, um die 80 Prozent gehen schon in die Landwirtschaft, ein Kilo Getreide braucht 1350 Liter. Zum Senken des Bedarfs hat man versucht, die Zahl der Stomata zu verringern, das gelang, schlug allerdings auf die Erträge durch. Aber nun hat Michael Blatt (Glasgow) in einem „proof of principle“eine Feinsteuerung der Zellen ermöglicht, die die Stomata öffnen und schließen, er hat einen zusätzlichen Ionenkanal eingebaut (Science 353, S. 72). Das bringt scheinbar Unvereinbares, geringeren Wasserverbrauch und höhere Erträge, das Mirakel rührt daher, dass die Zellen feiner auf Änderungen des Lichts reagieren.
Aber davon und Wasser und CO2 allein leben Pflanzen nicht, sie brauchen auch anderes, Stickstoff vor allem. Der kam lang aus Mist, erst dem der Nutztiere, dann dem von Seevögeln, die an der Westküste Südamerikas so dicke und lukrative Schichten von Guano gebildet hatten, dass in den 1880er-Jahren Chile und Peru einen Krieg darum (bzw. um Salpeter, der teilweise von Guano stammte) führten. Dann kam 1909 das von Haber und Bosch erfundene und nach ihnen benannte Verfahren, Stickstoff aus der Luft zu holen, 450 Millionen Tonnen Dünger werden jährlich damit produziert, ein Drittel alles biologisch verfügbaren Stickstoffs.
Aber nur die Hälfte gelangt in die Pflanzen, der Rest verschmutzt die Umwelt und überdüngt Gewässer; das ist das Problem der Industrieländer, viele Entwicklungsländer leiden umgekehrt an Stickstoffarmut der Böden. Könnte man beide Probleme damit lösen, dass man Pflanzen dazu bringt, sich selbst zu düngen? Ein experimenteller Weg läuft über Nitrogenase, ein Enzym, mit dem manche Bakterien Stickstoff aus der Luft in eine biologisch verfügbare Form bringen. Dieses Enzym bzw. seine Gene will etwa Luis Rubio (Madrid) in Pflanzen einbauen. Aber das Enzym hat eine komplexe Struktur und braucht Hilfsproteine, zudem wird es von Sauerstoff zersetzt, und den gibt es in Pflanzen (Fotosynthese!) reichlich.
Könnte man die Ausbeute des Lichts erhöhen oder mehr CO2 in Pflanzen bringen? Könnte man alle Pflanzen dazu bringen, sich selbst zu düngen, wie manche es tun?
Eine mögliche Lösung läge darin, das Enzym so zu designen, dass es nur bei Dunkelheit aktiv ist, wenn keine Fotosynthese läuft, eine zweite wäre der Einbau in Mitochondrien, die Zellkraftwerke, in denen Sauerstoff rasch verbraucht wird. Auf diesen Weg setzt Rubio, Anfangserfolge mit einem Teil des Enzyms, das er in Hefe gebracht hat, kann er vorweisen ( Nature Communications 7:11426).
Bei Pflanzen ist der Geneinbau schwieriger, und der Ausgang ungewiss, das gilt auch für den alternativen Versuch, alle Nutzpflanzen nach dem Beispiel mancher umzumodeln: Leguminosen wie Erbsen haben sich zur Stickstoffversorgung mit Bodenbakterien zusammengetan, die liefern das begehrte Gut, im Gegenzug leben sie in den Wurzeln geschützt und erhalten Kohlenhydrate. Aber dazu müssen die Pflanzen die Bakterien erst anlocken und dann in sich hineinlassen, das ist riskant, und man weiß nicht recht, wie die Leguminosen das unter Kontrolle halten. Gil Oldroyd (John Innes Centre), der es bei Gerste versucht, hat darüber „Geduld gelernt“(Science 353, S. 1225I). Die und die Risikobereitschaft hat bei beiden Projekten nur die Stiftung von Melinda und Bill Gates, die für Entwicklungsländer viel in scheinbar Aussichtsloses investiert.