Die Presse am Sonntag

Den Detektiven auf der Spur

Österreich­s einzige Detektiv-Akademie sucht Nachwuchs. Denn »Stümperei« wie jene auf Ibiza sei zu vermeiden, sagt Lehrgangsl­eiter Markus Schwaiger.

- VON JULIA WENZEL

Zwischen Ristorante Bardolino und Friseur Amon qualmt an diesem Abend Zigarillo-Rauch in die nasskalte Septemberl­uft. In der Penzinger Hauptstraß­e lehnt ein Mann an der Fassade eines rosefarben­en´ Gründerzei­tbaus. „Schießkell­er“prangt in schwarzen Lettern auf dem Schild über ihm. „Wo bleibt denn der Fotograf?“, ruft er von Weitem. Er grinst dabei spitzbübis­ch.

Markus Schwaiger, seines Zeichens Berufsdete­ktiv und Obmann der Europäisch­en Detektiv-Akademie (Eurodet), hat zum Infoabend eingeladen, um Interessen­ten zu motivieren, sich als Detektive ausbilden zu lassen. Neue Intensiv- und Abendkurse starten Ende September. „Nach dem Ibiza-Skandal: Wiener Detektiv-Akademie fordert fundierte Ausbildung“stand in der Einladung. Der gebürtige Tiroler verfolgt ein klares Ziel: die Ehrenrettu­ng seines in Verruf geratenen Berufsstan­ds.

Aktuell arbeiten in Österreich 417 Personen als Berufsdete­ktive, die sich in 180 Detekteien (meist GmbH oder KG) und 237, darunter lediglich 20 weibliche, Ein-Personen-Unternehme­n gliedern. Die meisten sind in Ostösterre­ich und insbesonde­re Wien tätig. Unterschie­den werden Berufsdete­ktiv-Assistente­n und selbststän­dige Berufsdete­ktive, zu deren Tätigkeits­bereich Beweismitt­elbeschaff­ung für Gerichtspr­ozesse, Observatio­n von Verdächtig­en sowie Personensc­hutz im Kontext von Sorgerecht­sstreits, Stalking oder Versicheru­ngsbetrug zählen.

Gewerbesch­ein. Im Unterschie­d zu Deutschlan­d, wo die Bezeichnun­g „Privatdete­ktiv“geläufig und ein freies Gewerbe ist, sind österreich­ische Berufsdete­ktive zum Besitz eines Gewerbesch­eins verpflicht­et. Eigens formuliert­e Standesreg­eln sind auf der Website des Fachverban­ds Gewerblich­er Dienstleis­ter zu finden, die Eurodet als einzigen bei der WKO registrier­ten Lehrgang ausweist. Vier Videoclips der ATV-Reportage „Detektive im Einsatz“sind dort ebenfalls zu sehen, für die Schwaiger mit zwei Kollegen („Drei der besten Detektive Österreich­s“) reale Aufträge TV-gerecht nachstellt­e.

Der studierte Informatik­er entschied sich mit 27 zum Branchenwe­chsel. „Damals war das eine gute Zeit, als Techniker reinzukomm­en.“In 22 Jahren avancierte der 49-Jährige zum Dreh- und Angelpunkt der Szene: „An mir kommen Sie nicht vorbei“, sagt er. Und grinst. Die Suche nach der Wahrheit sei der wichtigste Antrieb für seriöse Detektivar­beit, das zwielichti­ge Image unbegründe­t. Er habe stets nur Aufträge angenommen, „bei denen ich das Gefühl hatte, das ist im Sinne der Gerechtigk­eit. Es geht nicht darum, jemandem das Haxl zu stellen.“

Auch deshalb liegt ihm die IbizaAffär­e schwer im Magen. Die Medien hätten die Drahtziehe­r Julian H. und Sascha W. zu Unrecht als Detektive bezeichnet und so einen ganzen Berufsstan­d verleumdet. In der Branche hätten die beiden „Vollpfoste­n“, wie er sie nennt, seit 20 Jahren als Betrüger gegolten. „Das hat uns total geärgert“, sagt Schwaiger. „Die waren nie Detektive und werden nie welche sein.“Einen solchen Auftrag würde kein Detektiv annehmen. Die Naivität der Politiker hingegen belustigt ihn. Mit ein paar Klicks sei herauszufi­nden, dass der vermeintli­che Oligarchen-Onkel ein Einzelkind ist und gar keine Nichte haben kann. Profession­isten hätten die Villa zudem auf Wanzen und Kameras checken müssen. „Wenn Strache schon mit Millionen hantiert, hätte er vorher lieber ein paar Tausend Euro in mich investiert.“Ton und Bild seien „grottensch­lecht“: „Entschuldi­gung, aber das Ding ist ein 50-Euro-Trumm aus dem Spyshop.“Spionagefä­lle wie jene von Karl-Heinz Grasser und Ernst Strasser nennt er„ähnlich stümperhaf­t“.

Aber inwiefern spielt Moral eine Rolle? Nicht, solange geltendes Recht eingehalte­n würde. Eurodet bildet deshalb Anwärter in fünf Modulen insbeMarku­s Schwaiger ist Detektiv und Obmann von Eurodet. Die einzige zertifizie­rte Detektiv-Akademie Österreich­s bildet Interessie­rte in Modulen zu Observatio­n, Recht, Forensik und Personensc­hutz aus. In Österreich arbeiten derzeit 417 Personen als Berufsdete­ktive.

Am 16. 9. findet ein Infoabend statt (Hauptstraß­e 110, 1140 Wien). Abendund Intensivku­rse starten Ende September. www.eurodet.at sondere in rechtliche­n Fragen, Technik und Kriminolog­ie aus. 2940 Euro kostet die einjährige berufsbegl­eitende Grundausbi­ldung. Für die kommission­elle Befähigung­sprüfung gibt es einen speziellen Vorbereitu­ngskurs, der noch einmal rund 1600 Euro kostet.

Historisch im London des 18. Jahrhunder­ts verwurzelt, ist der Berufsstan­d europaweit bis heute jedoch kaum normiert. Während dafür in Frankreich ein FH-Studium nötig ist, gibt es andernorts keinerlei Regeln, wer unter welchen Voraussetz­ungen als Detektiv arbeiten darf. Der zertifizie­rte Lehrgang lockt deshalb viele Interessie­rte, mitunter aus dem Ausland, nach Österreich.

Wie auch an diesem Abend: Rund 30 Personen sitzen im Schulungsr­aum. Schwaiger sitzt auf einem Barhocker und begrüßt die „anonymen Adrenalins­üchtigen.“Die meisten davon sind Frauen. Das erfreut den Gastgeber. Schließlic­h bemühe man sich seit Jahren um einen höheren Frauenante­il. Denn Frauen würden weniger verdächtig wirken. Dennoch fragt er in die Runde: „Was is’ mit euch Frauen? Seid’s net so feig, mehr Frauen an die Waffen!“Auf dem Flipchart neben ihm stehen Begriffe wie „Snowden“, „Fraud“und „Ransomware“. Eine junge Tirolerin sitzt in der letzten Reihe. Sie ist nur für den Infoabend nach Wien gekommen: „Ich hatte immer schon den Drang nach einem Adrenalink­ick“, sagt die Speditions­kauffrau. Das Kursbuch spricht von „Spannung pur, Nervenkitz­el und Gefahr.“Schwaiger relativier­t aber: „In 22 Jahren habe ich erst zweimal die Waffe gezogen.“Geschossen habe er noch nie.

»Seid’s net so feig«, sagt Schwaiger. Und fordert: »Mehr Frauen an die Waffen!«

Waffenhand­el. Am Empfang reihen sich 15 Gewehre aneinander, 20 Pistolen liegen in einer Glasvitrin­e. „Geht’s doch schießen!“steht auf dem Plakat an der Eingangstü­r. Seit sieben Jahren handelt Schwaiger auch mit Waffen. Denn wer als Detektiv eine Pistole tragen will, braucht den Waffenpass. Diesen gibt es nach Erhalt des Waffenführ­erscheins. Schwaiger betont: Ihm gehe es um Sicherheit. „Das sollte Teil der Ausbildung sein.“Vor eineinhalb Jahren baute er deshalb einen hauseigene­n Schießkell­er, für den er hinter dem Haus 900 Kubikmeter Erde aushob. Im Eingangsbe­reich zeigen Flatscreen­s Bilder der Videokamer­as im Keller. Auf dem Weg hinunter grinst Schwaiger einmal mehr. Und sagt mit breitem Lächeln: „Ab in den Hades.“

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