Weg der »Styria«
sich mit dem „Grazer Volksblatt“, einer Gründung von Akademikern, Klerikern und Adeligen, insgesamt zeichneten 450 Personen Anteilsscheine, um ein katholisches Organ für den „Weltanschauungskampf“zu finanzieren. Durchaus kämpferisch gleich die erste Titelzeile am 1. 1. 1868: „Neujahrsgruß an unsere Feinde und Freunde.“Und der Leitartikel dazu: „Sind wir clerical?“Die Antwort: Ein klares Jein. Kirchliche Themen waren präsent, das Hauptziel war die politische Emanzipation der katholischen Bevölkerung.
Schwieriger zu lösen war das ökonomische Problem, es ging um eine eigene Druckerei und das Finanzierungsfundament überhaupt. Der Seckauer Fürstbischof Johann Baptist Zwerger rief auf zur Gründung eines Preßvereins, dem kapitalstarke und prominente Unterstützer beitreten sollten. Eine Großkundgebung in Graz im September 1869 gab der Allianz von katholischer Kirche und politischem Konservatismus Ausdruck, es wurde so etwas wie der erste Steirische Katholikentag und führte am 16. September 1869 zur Geburtsstunde des „Katholischen Preßvereins der Diöcese Seckau“. Das war ohne Zweifel die Geburtsstunde der heutigen „Styria“.
Eine eigene Druckerei mit zusätzlichen externen Aufträgen brachte Gewinn, so konnten die chronischen Defizite des auflagenmäßig dahindümpelnden „Grazer Volksblatts“ausgeglichen werden. Die Anteilszeichner im Preßverein waren spendabel, so gelang ab 1870 der Einstieg ins Buchgeschäft. Jetzt konnte man viele ansprechen, Akademiker mit geschichtlichen und religiösen Werken, die Bauern am Land mit dem „Sonntagsboten“und unpolitischer Unterhaltungslektüre („Christlicher Feierabend“). Mit dem großen liberalen Kontrahenten, der „Neuen Freien Presse“, fochten die Grazer viele publizistische Scharmützel aus, bei der Weltausstellung in Wien 1873 trafen die Konkurrenten unmittelbar aufeinander: Beide warben dort für ihre Druckereien, die Aushängeschilder der beiden Verlagshäuser.
Ein Kochbuch als Cashcow. Mit 8000 Mitgliedern wuchs der Katholische Preßverein zum größten Verein der Steiermark heran. Seine ökonomische Basis waren Zeitung, Buchverlag und Druckerei. Was fehlte, war ein neuer, klingender Name, der signalisieren sollte: Es ging hier nicht (nur) um einen kirchlich-religiösen Verlag, man stand ja nicht im Eigentum der Kirche, damals nicht und heute nicht. 1880 kam es daher zu dem offiziellen Namen: „Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung Styria“. Sehr schmückend der Beiname: „K. k. Universitätsbuchdruckerei“, das machte sich gut, auch wenn die Cashcow des Verlags ein Kochbuch wurde: Die „Süddeutsche Küche“der Grazerin Katharina Prato wurde ein Standardwerk bürgerlicher Küche „vorzüglich für angehende Hausfrauen“, mit 77 Neuauflagen.
Zurück zum Neben- und Gegeneinander von Styria und „Presse“: Die neuen politischen Massenströmungen vor der Jahrhundertwende trafen beide auf dem „falschen Fuß“, Liberalen und Katholisch-Konservativen rannten die Anhänger davon, hin zu den Sozialdemokraten, Deutschnationalen und Christlichsozialen. Eine Ära war zu Ende gegangen. War das nun eine Endoder doch eine Aufbruchszeit?
In Graz zog der Preßverein in ein kommodes Gebäude, eine aufgelassene Fahrradfabrik in der Schönaugasse. Nun war nur mehr die Malaise mit dem defizitären „Volksblatt“zu lösen, am besten mit einer Massentageszeitung für breite Bevölkerungsschichten, geschickt an die steirischen Verhältnisse angepasst, kleinformatig, niedrigpreisig, volkstümlich, aber nicht zu boulevardesk, ansprechend illustriert: So wurde eine Marke geboren, ganz bescheiden erschien erstmals an einem Dienstag, dem 22. November 1904, die „Kleine Zeitung“. Ab nun hatte man auch Erfolg im Zeitungsgeschäft. Er hält bis heute an.
Nach 1918/19 mussten Grazer und Wiener Zeitungen mit dem Verlust großer ehemaliger Absatzgebiete und mit einem neuen reißerischen Stil im Journalismus zurechtkommen. Die Steirer konnten sogar in die Offensive gehen und entwickelten eine expansive Regionalisierungsstrategie. Nun wusste man auch außerhalb der Steiermark, wer die Styria war, auch dank eines neuen starken Manns, eines jungen Sanierers, an der Spitze des Verlags: Der christlichsoziale Karl Maria Stepan war ein Manager modernen Zuschnitts, erstmals stand nicht ein Priester an der Spitze. Ein Tabubruch. Zu Hilfe kam auch der Zeitgeist der 1930er-Jahre: Man war wieder demonstrativ katholisch. Styria und Ständestaat fanden ideologisch zueinander.
An die Kandare. 1938 marschierten die Besatzer auch in die Redaktionsräume ein. Binnen weniger Tage waren die Zeitungen nicht mehr wiederzuerkennen. Fast zeitgleich wurden „Die Presse“und das „Grazer Volksblatt“eingestellt, der katholische Verlag, der nicht mehr den Namen Styria tragen durfte, an die Kandare genommen. Die „Kleine Zeitung“existierte bis zum Kriegsende, immer kläglicher wurde der Inhalt, mit Kriegspropaganda und lokalen Meldungen, zuletzt auf vier Seiten. Mit Krampen und Schaufeln begannen die Styrianer nach dem Krieg das von Bomben zerfetzte Verlagshaus in Graz wieder instand zu setzen. War es möglich, rechtlich wieder an den Status quo vor dem „Anschluss“anzuschließen? Es gelang beim Katholischen Preßverein, er war formalrechtlich nie aufgelöst worden, bei der „Presse“hin
Kämpferische Katholiken: »Neujahrsgruß an unsere Feinde und Freunde.« Mit Krampen und Schaufeln setzten die Styrianer ihr Verlagshaus wieder instande.
gegen war eine völlige Neugründung nötig. Sie erschien wieder ab Jänner 1946, dies war der Monat, in dem sich auch der Katholische Preßverein wieder konstituierte. Beide begannen auf bescheidenem Niveau. Die Wirtschaftswunderjahre verliehen dem steirischen Verlagshaus Flügel, sein enormes Wachstum wurde nie risikoreich, Flankenschutz bot die dynamische Entwicklung der „Kleinen Zeitung“.
Styria und „Die Presse“: Im Kulturkampf des 19. Jahrhundert waren sie Kontrahenten, in den ungleich schrecklicheren Kämpfen des 20. Jahrhunderts beide Opfer. Letztendlich fanden sie unter einem Dach zusammen. 1991 übernahm die Styria – aus dem Preßverein war ein Medienkonzern geworden – als Mehrheitseigentümerin die „Presse“. Österreichischen Zeitungen drohte ein Ausverkauf an ausländische Medienhäuser, eine vielfältige und eigenständige Presselandschaft war gefährdet. Mit der österreichischen Lösung verschaffte die Styria Media Group AG, wie sie bald hieß, der „Presse“die Möglichkeit, ihre Position als bürgerlich-liberales Qualitätsblatt auszubauen.