»Cats«: Brüchige Erinnerungen im Ronacher
An der großen Show der Jellicle Cats hat sich kaum etwas verändert. Nur Grizabella scheint übermäßig schwermütig.
Artige Standing Ovations gab es am Freitag für die munter fauchenden, geschmeidigen Katzen bei der Wiederaufnahme des legendären Musicals „Cats“. Um die Sorgen manch nostalgischer Fans vorwegzunehmen: Es wurde kaum etwas verändert an dem Blockbuster, der in den 1980er-Jahren so sehr begeisterte, dass das Stück sieben Jahre lang durchgespielt wurde. Große Änderungen wären aber auch nicht möglich gewesen. Die Lizenzgeber wachen streng darüber, dass die Show so bleibt, wie man sie kennt. Nur die Solisten haben etwas Spielraum.
Das Bühnenbild der Müllhalde, die sich weit hinein in den Zuschauerraum zieht, ist also bekannt. Ebenso der große Mond, dessen später besungenes Licht sich in Achtzigerjahre-Ästhetik darüber ergießt. Hierher kommen die Jellicle Cats, um ihren jährlichen Ball zu feiern. Der greise Kater Alt Deuteronimus hat dabei den Vorsitz. Er darf entscheiden, welche der vielen Katzen würdig ist, wiedergeboren zu werden. Favoriten hierfür könnten der KatzenCasanova Rum Tum Tugger (hervorragend: Dominik Hees) und die alte Theaterlegende Gus (der beste Auftritt des Abends: Felix Martin) sein. Lose werden die Auftritte der einzelnen Katzen aneinandergereiht. Sie singen auf Deutsch von listigen Diebstählen, dem Sitzen am Ofen, der Erinnerung an bessere Zeiten.
Kann das noch begeistern? Nur zum Teil. Die bekannte Choreografie, die Tanzeinlagen und die Akrobatik beeindrucken auch heute (herausragend etwa der Kanadier Stephen Martin Allan als Mr. Mistoffelees oder Hannah Kenna Thomas als anmutige weiße Katze Victoria). Und wer die eingängigen Songs früher mochte, wird sie auch jetzt noch gern hören. Dass die Katzen ins Auditorium schleichen oder nachts grün leuchtende Augen zeigen, war freilich vor Jahrzehnten revolutionär. Vielleicht dreht man deshalb, also im Sinne des bombastischen Effekts, die Lautstärke so stark nach oben? Es ist nur leider nicht jeder Singstimme zuträglich, wenn sie das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien (unter Carsten Paap) übertönt.
„Memory“, verzweifelt vorgetragen. Anders Ana Milva Gomes, die stimmlich zwar brillieren könnte, ihre Rolle als Grizabella aber dermaßen schwermütig anlegte, dass sie den Hit „Erinnerung“bei der Premiere eher durchleidet als singt. Als die ehemals schillernde Katze in ihren kleinen Stöckelschuhen auf die Bühne wankt, scheint sie nicht nur verletzt, sondern gebrochen. Dabei soll die Figur der Grizabella (ihr wurden, wie jeder anderen Katze, drei Attribute zugesprochen) auch eine gewisse Unbesiegbarkeit aufweisen. Am Ende zieht Grizabella bekanntermaßen mit Dampf und Hallelujah in höhere Sphären ein, ihren Sieg erringt sie also. Und mit ihr sicher auch das Musical, das als das erfolgreichste aller Zeiten gilt. Der NostalgieEffekt ist das größte Verkaufsargument,