Die silbernen Fackeln des Herbstgartens
Das riesige Pampasgras gilt allgemein als Solitärpflanze. Eine Ansicht, der hier vehement widersprochen werden muss.
Der deutschen Staudenzüchterlegende Karl Foerster (1874–1970) ist der „Einzug der Gräser und Farne in die Gärten“zu verdanken. Im gleichnamigen Buch, das er dem „Haar der Mutter Erde“widmete, schrieb er: „Wie schön wehen im leichten Wind die Horste des hüfthoch aufwallenden Reiherfedergrases! Wie reizvoll ist das mannshohe blonde Gewoge der Blütenhalme des Blaustrahlhafers über seinen dichten hellblau-grünen Farbenflächen. Welch neuartigen Anblick, selbst an völlig trockenen Plätzen, schenkt uns der steile, monumentale Gräserbusch des Riesen-Miscanthus, der, angerankt mit blauen und weißen Winden, vor Gewitterwolken aufragt.“
Die Winden blühen zwar noch, doch die sommerlichen Gewitter sind vorüber, und auf den Gräserblüten sammeln sich bereits die Nebeltröpfchen des Herbsts. Die Rispen und Büschel der meisten Ziergräser tauchen erst spät im Jahr auf und verzaubern jeden Herbstgarten, insbesondere, wenn sie mit ebenfalls hoch aufgeschossenen Spätblühern wie Astern, Silberkerzen und anderen Blütenstauden einen Pas de deux tanzen und die weniger standfesten Blütenstängel stützen.
Über eine bestimmte Grasart schrieb Foerster, dessen Liebe dem wesentlich zierlicheren Reitgras Calamagrostis galt, jedoch erstaunlich wenig. Dabei ist es heute der unbestrittene Liebling der Ziergrasfetischisten: das Pampasgras, Cortaderia, ist einer der Giganten im Gräsergarten, und wenn seine dicken, hellen Blütenbüschel ab September endlich auftauchen, stehen sie wie Fackeln in den Beeten.
Apropos Beet, das gibt auch schon das Stichwort: Der je nach Sorte bis zu drei Meter hohe Riese wird in der Gartenliteratur fast immer als sogenannte Solitärpflanze gepriesen. Ich widerspreche vehement. Auch wenn die imposante Pflanze in Einzelstellung, etwa inmitten einer Rasenfläche, ein absoluter Hingucker ist, so wirkt sie allein stehend immer irgendwie künstlich, und, man kann es kaum anders ausdrücken, ordinär. Im wogenden Staudenmeer hingegen ist das Pampasgras eine Bereicherung erster Güte.
Die vorhin erwähnte Stützfunktion hat sich vielfach bewährt. Über den flauschigen Blüten der Myrtenaster, den leuchtend hellblau gefärbten Wildastern, den weißen Alpenastern und den meterhohen lila Raublattastern schießen diese creme- bis silberweißen flammenartigen Blütenstände empor und bilden einen wunderbaren Kontrast zu dem Farbspektakel zu ihren Füßen.
Das Pampasgras stammt aus den kühleren Regionen Südamerikas. Es bevorzugt einen vollsonnigen Standort, stellt an den Boden keine besonderen Ansprüche und wächst, so es einmal gut eingewurzelt ist, mit erfreulicher Vitalität. Es lässt sich im Frühjahr leicht teilen und vermehren, so man über einen scharfen Spaten und viel Kraft verfügt.
Es verträgt lediglich eines nicht, und zwar den sauberkeitsfanatischen Gärtner, der es noch vor dem Winter zurückschneidet. Zum einen ist es geradezu fahrlässig, die auffälligen Blüten vor dem Frost zu entfernen, weil man den lieblichen Anblick von Raureif und Tautropfen in den Wuschelschöpfen nicht mehr genießen kann.
Besser ausreißen als schneiden. Zum anderen sammelt sich in den nun offen liegenden hohlen Stängeln das Wasser, und das verträgt kein Ziergras. Das Pampasgras ist besonders empfindlich gegen winterliche Nässe und sollte deshalb erst im Frühjahr gekappt werden. Die Blütenstängel werden bodennah abgeschnitten, die trockenen Blätter hingegen sollten besser ausgerissen als abgeschnitten werden.
Achtung – dabei sind Handschuhe unerlässlich. Die Prozedur ist zwar eine sogenannte Lausklauberei, doch diese Art des Ausputzens wird von der Pflanze wesentlich besser vertragen als ein radikaler Schnitt. Über den Winter kommt das Gras am besten, wenn Sie den Schopf packen und zuoberst zusammenbinden. Das bewahrt den Wurzelbereich vor zu viel Feuchtigkeit und schaut außerdem lustig aus.
Im wogenden Staudenmeer ist das Pampasgras eine Bereicherung erster Güte.