»Das Modell all-inclusive am Strand funktioniert nicht mehr«
Reisen verändere sich stark, sagt Forscher Oliver Fritz. Manche Firmen gingen mit. Thomas Cook hätte das Geschäftsmodell der 80er beibehalten.
lung des ehemaligen Athener Flughafens, Elliniko, aus, eine Milliardeninvestition, die nun allein in griechischen Händen liegt – was immer das für das Projekt bedeuten mag. Nun verabschiedet sich Fosun durch die Pleite von Thoma Cook auch von den Hotels, an denen es im Mittelmeerland beteiligt war. Viele erinnern sich noch an die großen Töne der Asiaten, die davon sprachen, „eine Million Chinesen“ nach Griechenland zu transportieren. Dass daraus nun wohl nichts wird, ist für viele Europäer, die den wachsenden chinesischen Einfluss in Griechenland nicht gern sehen, kein Verlust. Für den griechischen Tourismus freilich, für den China einer der Hoffnungsmärkte darstellt, ist diese Entwicklung kaum wünschenswert.
Steuererleichterung für Hoteliers? Griechenlands Erfolge bei den Besucherzahlen mit mehr als 30 Millionen Touristen pro Jahr basieren auf zwei Säulen: der langsam, aber stetig wachsenden Nachfrage der großen, vor allem europäischen Kernmärkte, und den starken Zuwächsen aus den Schwellenländern. Deutschland, der größte Markt für Griechenland, und Großbritannien gehören zur wichtigen „alten“Kundschaft. Beide Kernmärkte, aber auch die Niederlande und andere traditionelle Tourismusländer sind von der Cook-Pleite betroffen. Das ist sicher ein Problem, auch wenn es theoretisch genügend andere Anbieter auf dem Markt gibt – allen voran den deutschen Reisegiganten TUI. Man sollte sich nicht wundern, wenn diese Länder in den Werbekampagnen Athens für die neue Saison einen Schwerpunkt bilden. Die griechischen Hotels aber träumen auch von einem anderen Dienst, den ihnen der Staat aus Anlass der Turbulenzen um die Pleite von Thomas Cook tun könnte: die Senkung der Mehrwertsteuer und die Abschaffung der speziellen „Bettensteuer“, die der findige Fiskus in den Krisenjahren erhöht hat. Wie muss man das Ende von Thomas Cook bewerten: als Einzelfall oder Symptom einer Krise der Reiseveranstalter?
Oliver Fritz: Zweiteres würde ich nicht unterstützen. So eine große Pleite hat immer mehrere Mütter und Väter. Da gibt es falsche Unternehmensentscheidungen und Gründe, die mit der Entwicklung der Tourismusbranche zu tun haben. Die Branche hat sehr hohe Wachstumsraten, von denen die Welttourismusorganisation annimmt, dass sie sich fortsetzen. Auch der Strukturwandel der Branche wird weitergehen.
Was bedeutet das?
Die Präferenzen der Urlauber ändern sich, neue Märkte wie der asiatische kommen dazu. Die Digitalisierung geht weiter, mit booking.com, Airbnb und den direkten Vertriebskanälen der Hotels. Wenn es viel Veränderung in einer Branche gibt, gibt es Firmen, die sich gut anpassen, und andere, die das weniger schaffen. Ich gehe davon aus, dass Thomas Cook in die zweite Gruppe fällt. Dort hat man noch auf die Reisebüros gesetzt, in denen die Leute ein bisschen im Katalog blättern und eine Reise aussuchen. Das ist eher das Geschäftsmodell der 1970er und 80er gewesen.
Anschläge und Flugpleiten haben die Veranstalter zuletzt aber oft als Werbung für den sicheren Pauschalurlaub genutzt.
Ja, aber dem stehen Zahlen gegenüber, die die Statistik Austria gerade veröffentlicht hat: In Österreich buchen drei Viertel der Leute privat und verlassen sich nicht auf Reiseveranstalter, geschweige denn Pauschalreisen. Die
Oliver Fritz
Ökonom, seit 2001 am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo tätig.
Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen auf Tourismus, Regionalentwicklung und der Evaluierung wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Veranstalter haben in einem recht: Es kommt zur Rückverlagerung des Risikos auf die Urlauber. Aber ihre individuellen Wünsche sind so stark – sie wollen nicht in ein Korsett gezwängt und zu einer bestimmten Zeit in den Bus gesetzt werden –, dass sie das in Kauf nehmen. Daneben gibt es maßgeschneiderte Pakete: Seniorenreisen, Kletterreisen, Singlereisen, Kulturreisen, die sehr gut funktionieren. Was nicht mehr so sehr funktioniert, ist das klassische Modell all-inclusive am Strand.
Wer gewinnt durch die Insolvenz?
Alle anderen Anbieter. Die Großen wie TUI, die auch kämpfen, wie man hört, werden schauen, dass sie sich etwas einverleiben, und sind froh, dass sie einen Konkurrenten los sind. Es gibt jetzt Unsicherheiten und gestrandete Urlauber, aber das sind kurzfristige Verwerfungen, nächstes Jahr redet wahrscheinlich keiner mehr davon. Die Leute werden weiter auf Urlaub fahren und vielleicht gegenüber Veranstaltern ein bisschen skeptischer sein.
Wie wird es in Europa weitergehen?
Wir wissen, dass Urlaub ein Luxusgut ist und steigende Einkommen dorthin fließen. Das sollte sich nicht ändern. Eine Unsicherheit ist die Frage, wie die Politik beim Klimaschutz agiert: Werden die Flugpreise mit einer Kerosinsteuer empfindlich steigen? Dann wird es teurer, nach New York zu fliegen, die Leute werden sich umorientieren und nähere Ziele wählen, wodurch Österreich stärker von Gästen aus den Nachbarländern profitieren dürfte.