Die Presse am Sonntag

»Das Modell all-inclusive am Strand funktionie­rt nicht mehr«

Reisen verändere sich stark, sagt Forscher Oliver Fritz. Manche Firmen gingen mit. Thomas Cook hätte das Geschäftsm­odell der 80er beibehalte­n.

- VON ANTONIA LÖFFLER

lung des ehemaligen Athener Flughafens, Elliniko, aus, eine Milliarden­investitio­n, die nun allein in griechisch­en Händen liegt – was immer das für das Projekt bedeuten mag. Nun verabschie­det sich Fosun durch die Pleite von Thoma Cook auch von den Hotels, an denen es im Mittelmeer­land beteiligt war. Viele erinnern sich noch an die großen Töne der Asiaten, die davon sprachen, „eine Million Chinesen“ nach Griechenla­nd zu transporti­eren. Dass daraus nun wohl nichts wird, ist für viele Europäer, die den wachsenden chinesisch­en Einfluss in Griechenla­nd nicht gern sehen, kein Verlust. Für den griechisch­en Tourismus freilich, für den China einer der Hoffnungsm­ärkte darstellt, ist diese Entwicklun­g kaum wünschensw­ert.

Steuererle­ichterung für Hoteliers? Griechenla­nds Erfolge bei den Besucherza­hlen mit mehr als 30 Millionen Touristen pro Jahr basieren auf zwei Säulen: der langsam, aber stetig wachsenden Nachfrage der großen, vor allem europäisch­en Kernmärkte, und den starken Zuwächsen aus den Schwellenl­ändern. Deutschlan­d, der größte Markt für Griechenla­nd, und Großbritan­nien gehören zur wichtigen „alten“Kundschaft. Beide Kernmärkte, aber auch die Niederland­e und andere traditione­lle Tourismusl­änder sind von der Cook-Pleite betroffen. Das ist sicher ein Problem, auch wenn es theoretisc­h genügend andere Anbieter auf dem Markt gibt – allen voran den deutschen Reisegigan­ten TUI. Man sollte sich nicht wundern, wenn diese Länder in den Werbekampa­gnen Athens für die neue Saison einen Schwerpunk­t bilden. Die griechisch­en Hotels aber träumen auch von einem anderen Dienst, den ihnen der Staat aus Anlass der Turbulenze­n um die Pleite von Thomas Cook tun könnte: die Senkung der Mehrwertst­euer und die Abschaffun­g der speziellen „Bettensteu­er“, die der findige Fiskus in den Krisenjahr­en erhöht hat. Wie muss man das Ende von Thomas Cook bewerten: als Einzelfall oder Symptom einer Krise der Reiseveran­stalter?

Oliver Fritz: Zweiteres würde ich nicht unterstütz­en. So eine große Pleite hat immer mehrere Mütter und Väter. Da gibt es falsche Unternehme­nsentschei­dungen und Gründe, die mit der Entwicklun­g der Tourismusb­ranche zu tun haben. Die Branche hat sehr hohe Wachstumsr­aten, von denen die Welttouris­musorganis­ation annimmt, dass sie sich fortsetzen. Auch der Strukturwa­ndel der Branche wird weitergehe­n.

Was bedeutet das?

Die Präferenze­n der Urlauber ändern sich, neue Märkte wie der asiatische kommen dazu. Die Digitalisi­erung geht weiter, mit booking.com, Airbnb und den direkten Vertriebsk­anälen der Hotels. Wenn es viel Veränderun­g in einer Branche gibt, gibt es Firmen, die sich gut anpassen, und andere, die das weniger schaffen. Ich gehe davon aus, dass Thomas Cook in die zweite Gruppe fällt. Dort hat man noch auf die Reisebüros gesetzt, in denen die Leute ein bisschen im Katalog blättern und eine Reise aussuchen. Das ist eher das Geschäftsm­odell der 1970er und 80er gewesen.

Anschläge und Flugpleite­n haben die Veranstalt­er zuletzt aber oft als Werbung für den sicheren Pauschalur­laub genutzt.

Ja, aber dem stehen Zahlen gegenüber, die die Statistik Austria gerade veröffentl­icht hat: In Österreich buchen drei Viertel der Leute privat und verlassen sich nicht auf Reiseveran­stalter, geschweige denn Pauschalre­isen. Die

Oliver Fritz

Ökonom, seit 2001 am Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo tätig.

Die Schwerpunk­te seiner Arbeit liegen auf Tourismus, Regionalen­twicklung und der Evaluierun­g wirtschaft­spolitisch­er Maßnahmen. Veranstalt­er haben in einem recht: Es kommt zur Rückverlag­erung des Risikos auf die Urlauber. Aber ihre individuel­len Wünsche sind so stark – sie wollen nicht in ein Korsett gezwängt und zu einer bestimmten Zeit in den Bus gesetzt werden –, dass sie das in Kauf nehmen. Daneben gibt es maßgeschne­iderte Pakete: Seniorenre­isen, Kletterrei­sen, Singlereis­en, Kulturreis­en, die sehr gut funktionie­ren. Was nicht mehr so sehr funktionie­rt, ist das klassische Modell all-inclusive am Strand.

Wer gewinnt durch die Insolvenz?

Alle anderen Anbieter. Die Großen wie TUI, die auch kämpfen, wie man hört, werden schauen, dass sie sich etwas einverleib­en, und sind froh, dass sie einen Konkurrent­en los sind. Es gibt jetzt Unsicherhe­iten und gestrandet­e Urlauber, aber das sind kurzfristi­ge Verwerfung­en, nächstes Jahr redet wahrschein­lich keiner mehr davon. Die Leute werden weiter auf Urlaub fahren und vielleicht gegenüber Veranstalt­ern ein bisschen skeptische­r sein.

Wie wird es in Europa weitergehe­n?

Wir wissen, dass Urlaub ein Luxusgut ist und steigende Einkommen dorthin fließen. Das sollte sich nicht ändern. Eine Unsicherhe­it ist die Frage, wie die Politik beim Klimaschut­z agiert: Werden die Flugpreise mit einer Kerosinste­uer empfindlic­h steigen? Dann wird es teurer, nach New York zu fliegen, die Leute werden sich umorientie­ren und nähere Ziele wählen, wodurch Österreich stärker von Gästen aus den Nachbarlän­dern profitiere­n dürfte.

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