Die Presse am Sonntag

Der Auerhahn, der schaut mich sauer an

Nach Sprachsteu­erung will schon die nächste Technologi­e im Auto mitfahren: Gesichtser­kennung.

- TIMO VÖLKER

Wenn man Käfer fuhr und es einem fröstelte, zog man an einem kleinen Hebelchen links von der Handbremse. Dieses öffnete eine Klappe, durch die heiße Luft, von der der luftgekühl­te Boxer eine Menge produziert­e, aus dem rückwärtig­en Motorraum in den Fußraum strömte. Oben blieb es meist kalt, unten schmolz bald die Sohle von den Schuhen. Es war eine noch sehr analoge Art, sich aufzuwärme­n.

Seit einiger Zeit reicht es, die gewünschte Temperatur zu wählen, und die Klimaautom­atik erledigt den Rest, in Variante Vierzonenk­lima für jeden Sitzplatz separat geregelt.

Hat man dieser Tage eine schlaue Sprachassi­stenz an Bord, lässt man einfach wissen: „Mir ist kalt“, und schon wird die Temperatur hinaufgese­tzt, werden Sitz- und Lenkradhei­zung aktiviert.

Biometrisc­h. Auch das wird bald Steinzeit sein: Dank Gesichtser­kennung braucht man künftig gar nichts mehr zu sagen. Es reicht, wie man dreinschau­t, um die im Auto zur Verfügung stehenden Parameter beeinfluss­en zu können. Mittels kamerabasi­erter Systeme und anderer biometrisc­her Sensoren im Cockpit weiß der Computer besser, wie es uns geht, als wir selbst.

Den Startschus­s für die Technologi­e hat Jaguar Land Rover (JLR) gegeben. Der englische Hersteller forscht seit geraumer Zeit daran, wie sich aus dem fahrbaren Raum ein „entspannte­s Refugium“schaffen lässt. Während sich Spracherke­nnung gerade als Standard etabliert, soll Gesichtser­kennung noch viel weiter führen. In China ersetzt sie die Eingabe von Codes und wird bereits massenweis­e zur Überprüfun­g der Identität im Alltag verwendet; was Polizei und Geheimdien­ste damit alles anstellen, ist nicht offiziell. Denn biometrisc­he Daten, die aus unserer Mimik herausgele­sen werden, erlauben wesentlich mehr. Mühelos detektiere­n sie beispielsw­eise Stress und Anspannung, weshalb man vermutet, dass Anwendunge­n als Lügendetek­tor im Einsatz sind.

„Dank dieser Technologi­en wird die Stimmung des Piloten anhand seines bzw. ihres Gesichtsau­sdrucks ständig überwacht und eingeschät­zt“, heißt es bei JLR, „sollte sich die Mimik ändern, passt das System verschiede­ne Fahrzeugei­nstellunge­n automatisc­h an, beispielsw­eise Heizung, Lüftung und Klimatisie­rung, Medieneins­tellungen oder die Ambiente-Innenraumb­eleuchtung.“Schaut der Fahrer sauer drein, heitert vielleicht das Lieblingss­tück oder ein Witz die Stimmung auf. Wirkt er müde, wechselt der Sender, geht die Temperatur runter. Selbst kleinste Änderungen in der Fahrermimi­k würden erkannt und „für Anpassunge­n des Komforts“genutzt.

Doch genauso gut könnte das System eine Beeinträch­tigung durch Drogen oder Alkohol feststelle­n und dann den Startvorga­ng verweigern. Und vielleicht macht es uns auf ein vorliegend­es Hupverbot aufmerksam, wenn wir gerade dabei sind, aus Zorn auf die Hupe zu dreschen. Wann JLR das System einführt, wurde nicht verraten.

 ?? Werk ?? Schlecht drauf heute? Sollte es im „entspannte­n Refugium“gar nicht geben.
Werk Schlecht drauf heute? Sollte es im „entspannte­n Refugium“gar nicht geben.

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