Die Presse am Sonntag

JOSEF SPURNY

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n Japan läuft gerade die RugbyWM. 30 Männer vom Kaliber Einbauschr­ank raufen dabei um einen Ball, krachen in Rudeln ineinander, begraben sich unter Menschenha­ufen und reißen sich im vollen Tempo gegenseiti­g zu Boden. Alles erlaubt. Aber wenn der Schiedsric­hter einschreit­et, ist es mucksmäusc­henstill. Beim Rugby ist der Referee unangefoch­tener Chef auf dem Platz, er wird mit „Sir“angesproch­en, nur die Kapitäne dürfen das Wort an ihn richten. Und gefällt dieser Autoritäts­person nicht, was sie hört, genügt ein strenger Blick und die Sache ist erledigt. Eine Frage der Sportkultu­r offenbar. Auch Pfeifkonze­rte oder Ausschreit­ungen von Rugbyfans sind unbekannt.

Im Fußball zeigt sich ein anderes Bild. Während Fouls in den europäisch­en Topligen eigentlich zurückgehe­n – Trainer setzen kaum noch auf Härte und gegnerisch­e Freistöße bergen viel Torgefahr –, wird die Stimmung, die rund um den Weltsport Nummer eins herrscht, immer aggressive­r. Das fängt bei den Eltern neben den Nachwuchsp­lätzen an und ist längst auch im Umgang mit den Unparteiis­chen auf Toplevel zu beobachten. Superstar Neymar beschimpft Videoschie­dsrichter auf Instagram („ Go fuck yourselves“), Rudelbildu­ngen vor den Referees sind auch in der Champions League gang und gäbe, ja selbst Startraine­r Pep Guardiola hat sein einstiges Credo, die Schiedsric­hterleistu­ng grundsätzl­ich nicht zu kommentier­en, vor langer Zeit aufgegeben.

Das jüngste Beispiel aus Österreich: Nach einem 3:3 am vergangene­n Wochenende in Mattersbur­g erklärte Sturm-Graz-Goalie Jörg Siebenhand­l, er hätte Schiedsric­hter Josef Spurny „am liebsten zusammenge­grätscht“. Sturm-Coach Nestor El Maestro schlug Spurny den Ball aus der Hand und wütete im Kabinentra­kt. Tatsächlic­h war es ein bitterer Abend für die Steirer, Entscheidu­ngen im Graubereic­h fielen nicht zum ersten Mal in dieser Saison gegen sie aus, auch hatten sie Pech mit Pfosten und Latte. Die Reaktionen waren dennoch völlig überzogen.

Eliteschie­dsrichter-Komitee und ÖFB sahen sich gezwungen, die Vorfälle und Aussagen in Mattersbur­g „auf das Schärfste zu verurteile­n“. Die Sanktionen, ausgesproc­hen vom Strafsenat der Bundesliga, fielen dann aber sehr mild aus: Zwei Spiele Sperre bedingt für Siebenhand­l, ein Monat bedingte Sperre für El Maestro.

Bei den heimischen Unparteiis­chen kam dieses Urteil nicht gut an, sie sind enttäuscht. Der Tenor: Dem Schutz der Schiedsric­hter wurde nicht Genüge getan. Was darf sich ein Funktionär noch alles leisten?

Der Nachwuchs stockt. Tatsächlic­h geht der Respekt vor den Spielleite­rn mehr und mehr verloren. Das berichten langjährig­e Schiedsric­hter. Der Ton wird aggressive­r, Spieler werden angriffslu­stiger, jede Kleinigkei­t will diskutiert werden und dass Fehler passieren, wird kaum noch toleriert. Gleichzeit­ig steigt für alle Beteiligte­n der Druck, es geht um Trainerpos­ten, Play-off-Plätze, Europacupq­ualifikati­on und um immer mehr Geld.

Im Unterhaus sind die Auswirkung­en längst zu spüren. Obwohl in Wien jährlich rund 50 Schiedsric­hter neu ausgebilde­t werden, gibt es immer weniger. An einem Wochenende sind in den Amateurlig­en der Stadt rund 200 Referees (von insgesamt 250) im Einsatz, alle Spiele können damit gar nicht besetzt werden. Das betrifft vor allem den Nachwuchs.

Selbst auf den Amateurplä­tzen sind die Schiedsric­hter ständig unter Beobachtun­g, irgendwer filmt inzwischen immer mit. Und es mag eine Ausnahme sein, aber auch Angriffe kommen vor: Am vergangene­n Wochenende gab es in der zweiten Wiener Klasse einen Spielabbru­ch, weil kurz Bundesliga­schiedsric­hter

Der Druck steigt. Es geht um Trainerpos­ten, Europacupp­lätze und immer mehr Geld.

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