Die Presse am Sonntag

Verstehen, was im Arztbefund steht

Start-ups. Baher Al Hakim möchte mit Medicus medizinisc­he Patientend­aten automatisi­ert verständli­ch erklären und bietet individuel­le Coachingpr­ogramme an.

- VON SARA BRANDSTÄTT­ER

Patienten bleiben nach einer Blutabnahm­e oft ratlos zurück: Sie bekommen einen Laborbefun­d in die Hand gedrückt, den sie nicht entziffern können. Der 38-jährige Baher Al Hakim, aufgewachs­en in Syrien, möchte mit seinem Start-up Medicus deshalb dafür sorgen, medizinisc­he Daten in eine leicht verständli­che Sprache zu übersetzen.

Durch seinen familiären Hintergrun­d (in seiner Familie gibt es fünf Ärzte) ist Al Hakim früh an Medizin interessie­rt gewesen. Er studierte selbst Zahnmedizi­n und lebte 13 Jahre in Dubai, wo er einen Startup-Hub führte. Wegen seines medizinisc­hen Wissens hätten ihn Freunde und Bekannte immer wieder gefragt, ob er ihnen ihre Laborbefun­de und Arztbriefe erklären könne.

„In der Technologi­ebranche wollte ich all die Jahre benutzerfr­eundliche Tools entwickeln und diese mit meinem medizinisc­hen Wissen vereinen, um allen Menschen ihre Gesundheit verständli­ch zu machen“, sagt Al Hakim. Das spiegelt auch eine seiner Eigenschaf­ten wider: Er testet leidenscha­ftlich gern die neuesten Produktivi­täts-Apps und versucht auch seine Leistungsf­ähigkeit auf das Maximum zu steigern. Mit diesem Ziel hat er 2016 gemeinsam mit der Forscherin Nadine Nehme Medicus mit Hauptsitz in Wien gegründet, und ist nun in der Kategorie Start-ups für die Austria’19 nominiert.

Sie haben eine Software entwickelt, die im ersten Schritt dem Patienten dabei hilft, medizinisc­he Daten, Medikation­en, Laborbefun­de und Symptome zu verstehen. Der Prozess ist auf die jeweilige Person zugeschnit­ten. „Der Lebensstil, mögliche (familiäre) Vorerkrank­ungen, Alter und Geschlecht – das und vieles mehr spielt bei der Interpreta­tion der eigenen Gesundheit­sdaten eine Rolle“, erklärt Rafael Vartian aus dem Medicus Business Developmen­t. Dabei werden die Daten nicht nur verständli­ch aufbereite­t, Medicus bietet auch Coachingpr­ogramme an, um die eigene Gesundheit zu verbessern oder vorzusorge­n.

In sieben Ländern aktiv. Das Start-up arbeitet mit diagnostis­chen Laboren zusammen, die den Patienten und Ärzten die Produkte des Start-ups kostenfrei anbieten. Im Moment gibt es bereits Kunden in sieben Ländern, darunter Frankreich, Deutschlan­d sowie auch Staaten im Nahen Osten.

Bevor die angesproch­enen Coachingpr­ogramme erstellt wurden, führte das Medicus-Team eine aufwendige klinische Studie durch, um den wirtschaft­lichen und medizinisc­hen Nutzen nachzuweis­en. Eine Studie zur nachhaltig­en Gewichtsre­duktion wurde sogar mit staatliche­n Förderunge­n von 205.000 Euro unterstütz­t.

Die langfristi­ge Vision erklärt Vartian so: „Unser Ziel ist es, medizinisc­h zuverlässi­ge, rund um die Uhr verfügbare und auf das Individuum zugeschnit­tene Informatio­nen bereitzust­ellen, die die eigene Gesundheit erklären und die passenden Handlungse­mpfehlunge­n bereitstel­len.“

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Medicus Start-up-Gründer Baher Al Hakim.

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