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NACHRICHTEN AUS DER REDAKTIONSKONFERENZ
Heute im Angebot: Alltag, aber mit Epidemie-Aufschlag. Warum Corona ein elastisches Gemüt erfordert. Und wieso Seuchen-Etikette auch nur ein anderes Wort für Respekt ist.
An einem Tag ist noch Weltuntergang, am anderen geht man zum Friseur. Die CoronaKrise erfordert ein ziemlich elastisches Gemüt. Und zwar in jeder Hinsicht. Denn war in der Lockdown-Phase noch klar, was man zu tun hat (am besten: nichts), ist die nun startende allgemeine Lockerungsübung ein mentaler Spagat. Einerseits soll man den Alltag samt Konsumverhalten wieder aufnehmen – denn das ist gut für die Wirtschaft (und auch fürs Gemüt). Andererseits soll man aufpassen, weil: zweite Welle.
Ob das klappt? Wie dieses Live-Experiment namens Leben für Wien am Samstag anlief, hat für diese Ausgabe das Chronik-Ressort beobachtet: Köksal Baltaci ging zum Friseur, Manfred Seeh zum Tennis und Christine Imlinger und Mirjam Marits gingen einkaufen. Die Kurzzusammenfassung lautet: Angst war gestern, und auf den Straßen ist ziemlich viel los. „Wien darf nicht Ischgl werden“, warnt jedenfalls schon einmal vorsorglich Oliver Pink.
Insofern wird die Aufgabe der Politik in den nächsten Wochen sein, die Situation mittels Messungen und Testungen regional fein abgestimmt im Auge zu behalten und nach den Verordnungs-Irrungen-und-Wirrungen vor allem für Klarheit zu sorgen. Die macht das Einhalten der Regeln nämlich wesentlich leichter. Die Aufgabe von allen anderen wird sein, mit dem „Nicht g’scheit, aber erlaubt“-Freiraum sinnvoll umzugehen. Unter tunlichster Vermeidung von unguten Bespitzelungstendenzen gilt es, eine verantwortungsvolle soziale Kontrolle zu etablieren, wie es sie eh überall im Alltag gibt. Man kann das Seuchen-Etikette nennen. Oder schlicht auch: Respekt.