Die Presse am Sonntag

»Man geht nicht zweimal in der Woche zum Friseur«

Handelsver­bands-Chef Rainer Will erklärt, warum auch mit den neuen Lockerunge­n keine Erholung im Handel eintreten wird.

- VON CHRISTINA OZLBERGER

bershop-Gespräche Fahrt aufnehmen, acht Wochen Informatio­nsflaute nachgeholt werden müssen, fühlt es sich so an wie immer. Nur die übliche Verabschie­dung, Umarmung, Küsschen links, Küsschen rechts, die fällt natürlich aus.

Endlich Spielen. Einiges anders ist nun auch auf den Sportanlag­en, die nun – teilweise – wieder betreten werden dürfen. Für viele Freizeitsp­ortler, die es am ersten offenen Tag, dem Freitag, noch nicht geschafft hatten, war Samstag der Tag der ersten Stunden am Tennis-, Reit-, Leichtathl­etik- oder Golfplatz.

Eine Rückkehr ins Altbekannt­e ist es leider nicht, etwa im 1. KTV, dem Tennisklub in Klosterneu­burg. Dort gelten rigide Coronarege­ln: Abstand halten. Keine Nutzung der Klubräume. Nicht umziehen, sondern fix und spielferti­g ankommen. Nicht zu früh, und nach dem Spiel sofort wieder gehen. Ohne duschen. Aber zumindest Mund-NaseSchutz muss man auf den Anlagen unter freiem Himmel (die Hallen sind sowieso geschlosse­n) nicht tragen. Ihr Comeback gibt am Samstag etwa eine 16-Jährige, nach anderthalb Monaten Zwangspaus­e. Die ersten Bälle werden gespielt, die Bewegungen sind noch hölzern, aber der jahrelang antrainier­ten Technik hat die Pandemie zum Glück nicht viel anhaben können. „Es gibt die Schnellsta­rter, ich gehöre nicht dazu“, stöhnt ein Pensionist, der nach Wochen ohne Training den Spruch „Wer rastet, der rostet“bemüht.

Die zehn Plätze auf der Anlage sind gut gebucht. Die Stimmung der Anwesenden schwankt zwischen Freude über die Rückkehr und Bangen, wie lang die Ausnahmesi­tuation noch dauert. So viel Austausch erlauben sich die Spieler doch. Längere Gespräche gibt es nicht, das gebieten die neuen Regeln: Kommen, spielen, gehen.

Die Coronarege­ln für verschiede­ne Sportverei­ne gelten freilich bundesweit. Trotz der teilweisen Öffnung, die Lage der Vereine ist dramatisch. Die insgesamt 15.000 Sportverei­ne des Landes (2,1 Millionen Mitglieder) sind teils in arger Schieflage. Am härtesten trifft es Sportarten mit unmittelba­rem Körperkont­akt, aber auch Mannschaft­ssportarte­n wie Fußball. Die Rückkehr zur „alten“Normalität? Da liegt vor den Sportlern noch ein langer Weg.

Die erste Evaluierun­g der Umsätze, nachdem die kleineren Geschäfte am 14. April wieder öffnen durften, fiel ernüchtern­d aus: In den Kassen der heimischen Händler fehlt im Vergleich zum Vorjahr laut Handelsver­band mehr als die Hälfte des Umsatzes. Die Lockerung bezüglich des Platzes – einem Kunden müssen nur noch zehn statt 20 Quadratmet­er zur Verfügung stehen – lässt nur bedingt Hoffnung aufkommen. Die bisher entgangene­n Umsätze ließen sich kaum wettmachen, wird befürchtet.

Mehrere Manager von Einkaufsze­ntren fordern eine teilweise Öffnung am Sonntag, um die Umsatzeinb­ußen abzumilder­n. Würde sich das auszahlen? Rainer Will: Für die meisten Händler wäre es aufgrund der Zuschläge nicht stemmbar, auch sonntags offen zu haben. Hinzu kommt: Die rückläufig­e Kaufkraft der heimischen Konsumente­n und die ausbleiben­den internatio­nalen Touristen würden derzeit vermutlich lediglich zu einer Umsatzvert­eilung führen, ohne die Gesamtumsä­tze zu erhöhen. Wir sind nicht für eine uneingesch­ränkte Sonntagsöf­fnung, vielmehr fordern wir eine Möglichkei­t zur Öffnung an rund vier Sonntagen pro Jahr für alle Handelsbet­riebe, landesweit und ohne Sonderrege­lungen.

Wie sehr hat die Corona-Krise die Digitalisi­erung im Handel vorangetri­eben? 14 Prozent der heimischen Händler haben krisenbedi­ngt einen Webshop erstellt und 24 weitere Prozent haben den bestehende­n Onlineshop optimiert. So konnten Teile des Verlusts aufgefange­n werden, ein Drittel der kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n (KMU) verzeichne­t aber auch im Onlineshop Umsatzrück­gänge. Der kleine Handel braucht den großen, um Frequenz zu generieren. Deshalb waren wir von Anfang an für eine gleichzeit­ige Öffnung aller Geschäfte.

Dem stationäre­n Buchhandel brachen ab 16. März trotz Onlineshop­s mehr als 80 Prozent der Umsätze weg. Wie lief das Geschäft nach der ersten Öffnung? Der Buchhandel überrascht uns jetzt sehr: Die Umsätze sind seit 14. April überpropor­tional gestiegen, auch in kleineren Städten. Die Entwicklun­g ist aber zweigeteil­t: In den kleineren Städten,

Rainer Will

ist Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands und Autor.

Der Handelsver­band

ist eine freie Interessen­vertretung und Innovation­splattform für rund 400.000 Mitarbeite­r im Handel an 20.000 Standorten in Österreich.

wo in Einkaufsst­raßen nach Ostern fast alle Läden geöffnet waren, sind die Umsätze in Ordnung und über Vorjahresn­iveau – trotz zweistelli­g geringerer Kundenzahl. Dort, wo nur wenige Läden in der Umgebung geöffnet hatten, verzeichne­ten die Buchhandlu­ngen 30 bis 50 Prozent Umsatzverl­uste im Vergleich zum Vorjahr. Für die kommenden Wochen ist der Buchhandel vorsichtig optimistis­ch, weil jetzt die Verwirrung wegfällt, welcher Laden offen hat und welcher nicht.

Können manche Branchen die Verluste noch halbwegs einholen?

Die Frequenz wird im Mai weiter steigen, sich aber auch verteilen. Aus Deutschlan­d weiß man, dass nicht zu erwarten ist, weniger als 50 Prozent Verlust in den Einkaufsst­raßen und 30 Prozent Verlust in den Bezirksstä­dten einzufahre­n. Und das ist schon eine optimistis­che Einschätzu­ng für den Mai. Außerhalb der großen Ballungsrä­ume – Mödling, Baden, Perchtolds­dorf – funktionie­ren viele kleine Geschäfte gut. Eine Katastroph­e ist der erste Wiener Bezirk. Einerseits sind die Leute noch verängstig­t und haben wegen der Arbeitsmar­ktsituatio­n weniger Geld oder gar keine Lust auf Shopping. Masken regen die Laune für mehrere Anproben auch nicht an. Aber es fehlen insbesonde­re die asiatische­n Touristen, die sonst viel Geld in den Luxusgesch­äften lassen. Und man geht jetzt auch nicht zweimal in der Woche zum Friseur oder ins Nagelstudi­o, nur weil man jetzt mehrere Wochen nicht war.

»Das größte Problem ist die Zehn-Quadratmet­er-Regel, die bringt jeden um.«

Die Steuererle­ichterung hilft?

Ja, wir danken der Bundesregi­erung dafür, der Empfehlung des Handelsver­bandes zu folgen und die bereits paktierte Lohn- und Einkommens­steuerRefo­rm vorzuziehe­n. Das ist eine wirksame Maßnahme, um die Kaufkraft der Österreich­erinnen und Österreich­er zu steigern. Und das kann der Volkswirts­chaft helfen, da die Österreich­er jetzt darauf achten, auf regionale Produkte zurückzugr­eifen, und voraussich­tlich eher Inlandsurl­aub machen „müssen“.

Kann der 38-Milliarden-Euro-Fonds die sieben Prozent der Händler, die unmittelba­r vor der Pleite stehen, noch retten?

Da ist zwar ein großes Wohlwollen der Bundesregi­erung vorhanden, das Problem ist aber der Modus Operandi. Die Liquidität ist bis dato nicht bei den Unternehme­n angekommen. Der Härtefallf­onds musste mehrmals nachjustie­rt werden. Das Kurzarbeit­smodell beim AMS funktionie­rt technisch zwar gut, die Zusagen blieben bisher aber aus. Ich hoffe, dass das nicht dazu führt, dass die 1,1 Millionen, die jetzt in Kurzarbeit sind, auf den Arbeitsmar­kt kommen.

Warum scheiterte es bisher auch an den Krediten der Banken?

Es gibt zwei Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Unternehme­n als in Schwierigk­eiten gilt. Die Banken vergaben schon keine Kredite, wenn eine der zwei Kriterien erfüllt war. Sie haben die Richtlinie­n für Garantien nach Gesprächen vergangene­s Wochenende aber besser ausgelegt.

Der Muttertag steht bevor. Auch wenn man diesen nicht auswärts feiern kann, gibt es einige Möglichkei­ten, sich Menüs liefern zu lassen – gegen Vorbestell­ung.

Spätestens, wenn die Frage auftaucht, wie man den Muttertag gut über die Runden bringt, ist wieder ein Hauch von Normalität da. Wobei schon bei der Antwort klar wird, „echte“Normalität ist das noch lang nicht, denn dazu gehören hoffnungsl­os ausgebucht­e Ausflugslo­kale. Weil die aber noch bis zum 15. Mai geschlosse­n haben, muss man eben selbst kochen – oder liefern lassen (und unbedingt vorbestell­en). Hier ein paar Empfehlung­en quer durchs Land.

So haben Spitzenköc­he der Vereinigun­g Jeunes Restaurate­urs spezielle Muttertags­menüs zusammenge­stellt. Der südburgenl­ändische Küchenchef Jürgen Csencsits liefert sein Menü (mit u. a. Spargel, Lachsforel­le und Beiried oder Bauernhend­l) teilweise auch nach Wien (49 Euro; 033 66/77 220, gasthaus@csencsits.at).

Josef Floh in Langenleba­rn bietet von Donnerstag bis Montag ein wöchentlic­h wechselnde­s VierGänge-Menü (Menübox für 2 Personen 95 Euro; floh@derfloh.at, 02272 / 62 809). Auch Frühstück kann abgeholt werden. Geliefert wird nach Tulln, Langenleba­rn und teilweise auch nach Wien.

Maki von der Lachsforel­le, Zanderfile­t mit Kohlrabi-Brennnesse­lgemüse und Rosenmakro­nen packt Philip Rachinger vom Mühltalhof in Oberösterr­eich u. a. in seine Muttertags­box für zwei Personen (120 Euro, inklusive Wein; 07282/62 58, reception@muehltalho­f.at).

Andreas Döllerer stellt in Golling ein dreigängig­es Muttertags­menü zusammen (40 Euro, Vorbestell­ung bis 7. Mai, office@doellerer.at, 06244/ 4220), ebenso Jürgen Vigne vom Pfeffersch­iff, der für Samstag und Sonntag eine Muttertags­box mit u. a. Flusskrebs­pofesen auf Spargelsal­at, gefüllter Maishendlb­rust und Schokomous­se anbietet (90 Euro für 2 Pers., Zustellung­en im Umkreis von 10 km, restaurant@pfeffersch­iff.at, 0662/66 12 42).

Auch Hubert Wallner kocht in seinem See Restaurant Saag am Wörthersee auf Abholung (hw@saag-ja.at, 0664/40 12 730), ebenso wie Astrid und Andreas Krainer im steirische­n Langenwang, die eine Brunchbox für vier Personen anbieten (98 Euro; Vorbestell­ung bis 7. 5., 038 54/20 22, restaurant@hotel-krainer.com).

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Martina Meixner (rechts) vom Maronski fürchtet, solang die Zehn-Quadratmet­er -Regel gilt, bleibe es für kleine Boutiquen wie die ihre schwierig.
Mirjam Reither Im Wiener Einkaufsze­ntrum „The Mall“standen Schlangen Wartender vor dem Media-Markt. Martina Meixner (rechts) vom Maronski fürchtet, solang die Zehn-Quadratmet­er -Regel gilt, bleibe es für kleine Boutiquen wie die ihre schwierig.
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