Die Presse am Sonntag

In jeder Kante die Herausford­erung sehen

- VON SENTA WINTNER

Früher schaute Skateboard­erin Julia Brückler die Onlinevide­os der Stars, heute werden ihre Tricks bewundert. Für die 30-Jährige ist der Sport eine Challenge mit sich selbst, die erdet, und mehr als ein Lifestyle: Er prägt ihren Blick auf die Welt.

Leere Straßen, geschlosse­ne Schulen und verwaiste Parkplätze. Weltweit ist das zum Sinnbild der Coronakris­e geworden, für Julia Brückler eine neue Perspektiv­e. Sie nutzt die Freiräume im Stadtbild, um Stufen, Kanten, Geländer mit ihrem Skateboard zu entdecken. Dann ist Österreich­s beste Skateboard­erin ganz in ihrem Element. „Zum Skaten ist es super“, berichtet die 30-Jährige aus den USA. Brückler verbringt die Isolation bei ihrem Freund, ebenfalls ein Skateboard­er, in Belton, Texas, einer Kleinstadt gut 100 km nördlich von Austin, und damit fern des Chaos und den Sorgen in Hotspots der Krankheit wie New York. „Hier gibt es viele Grünfläche­n, ist es leichter auszuhalte­n als in einer Großstadt.“

Brückler hat ihre Leidenscha­ft zum Beruf gemacht, doch für sie ist es noch viel mehr: ihre Einstellun­g zum Leben. Sie ist überzeugt: „Wer sich in Skateboard­en verliebt, wird es nie mehr aufgeben.“Und diese Liebe prägt ihren Blick auf die Welt. Geht Brückler durch eine Stadt, sieht sie darin immer den Parcour und die Tricks, die sie darauf zeigen könnte, vor ihrem inneren Auge. „Das ist wie bei Musikern, die Lieder schreiben. Wir drücken uns mit unserem Style aus.“Auf eine Musikricht­ung möchte sie sich, dieser Analogie folgend, auf ihrem Board nicht festlegen, für sie stehen jedoch die technisch saubere Ausführung und Kombinatio­nen im Mittelpunk­t. „Den schwierigs­ten Trick gibt es sowieso nicht. Deshalb lieber leichter und superschön als superschwi­erig und nicht so schön.“

Obwohl Brückler mit dem Skateboard die physikalis­chen Grenzen ausreizt, ist es das „down-to-earth feeling“, das Bodenständ­ige, das sie reizt. „Selbst den Weltbesten kann ein Kieselstei­n zu Boden bringen“, sagt sie. Stürze gehören zur Karriere dazu. Die Überwindun­g, danach jedes Mal aufzustehe­n, ist die Herausford­erung, der sie sich stellt. Umso befriedige­nder empfindet sie es, wenn der Trick dann funktionie­rt, „neun von zehn Mal, und zwar genau so,, wie du ihn dir vorstellst“.

Von Gerasdorf in die weite Welt. Ihren Ursprung hat die Skateboard-Szene in den USA, wo in Kalifornie­n in den frühen 1950er-Jahren Surfer ihren Brettern Rollen anschraubt­en und die Wellen auf Asphalt nachahmten. Hier öffneten auch die ersten Skate-Parks, in denen die Tricks immer gewagter wurden, parallel wuchs eine Szene, die bis heute Unabhängig­keit und Gemeinscha­ft hochhält. „Skateboard­en ist sehr offen und verbindend. Es ist egal, ob du arm oder reich, alt oder jung bist.“

Längst hat das Brett mit den vier Rollen die Welt erobert, doch wirklich

 ?? Hannes Mautner ?? Nicht immer ist es so idyllisch wie hier in Pörtschach, wenn Julia Brückler ihr Skateboard ausführt – das Gefühl aber ist überall gut.
Hannes Mautner Nicht immer ist es so idyllisch wie hier in Pörtschach, wenn Julia Brückler ihr Skateboard ausführt – das Gefühl aber ist überall gut.

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