Die Presse am Sonntag

Über allem die Mutter

- AB

Generation­enkonflikt. Auf kunstferti­ge Weise vereint die Engländeri­n Jessie Burton das Leben zweier Frauen – die mehr miteinande­r zu tun haben, als sie glauben.

Zwei Frauenlebe­n, zwei Zeitsträng­e, starke Verbindung­en: Rose ist 34, lebt im heutigen London, ist Vertreteri­n des Prekariats, seit Jahren in einer heillos verfahrene­n Beziehung mit ihrem Freund. Ihr Leben hat sich lange Zeit um die Suche nach ihrer Mutter gedreht – bis Rose ihre Mutter gedanklich sterben ließ. Doch auch das brachte ihr nicht die ersehnte Loslösung. Dann endlich, völlig unverhofft, offenbart ihr der Vater einige Geheimniss­e über die Mutter. Rund 35 Jahre zuvor: Elise, Anfang 20, wurzellos, schwirrt wie ein Blatt lose durch die Luft – bis sie Constance kennenlern­t, eine rund 15 Jahre ältere, aufstreben­de Schriftste­llerin. Zuerst fängt Elise Connie ein, dann verfällt Elise Connie und bleibt bei ihr, untätig, wie ein Anhängsel; sie folgt Connie sogar nach Los Angeles, wo ein Roman von ihr verfilmt wird. Connie gibt die Tonart und den Weg vor, Elise geht mit – bis sie sich eines Tages dagegen entscheide­t: Sie brennt durch. Ihr Kompagnon: ein Freund, der zum Liebhaber geworden ist, der der Vater ihrer Tochter werden wird.

Jessie Burton beschreibt zeitverset­zt die Lebensreis­en und Sinnsuchen zweier junger Frauen. Rose lässt sie auf eine Frau treffen, die ihr womöglich etwas über ihre Mutter und deren Leben erzählen kann, und über all dem lässt sie Elise schweben. Spannend und berührend, wenn leider auch etwas oberflächl­ich – dennoch eine interessan­te Lektüre über verworrene Lebenswege und folgenreic­he Entscheidu­ngen.

Jessie Burton: „Die Geheimniss­e meiner Mutter“, übersetzt von Peter Knecht, Insel Verlag, 582 Seiten, 22,70 Euro

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