Die Presse am Sonntag

Der Traum vom Arbeiten daheim und die Ernüchteru­ng

Nicht nur die Videos: Auch das Home-Office an sich ermüdet.

- VON EVA WINROITHER

Es ist wohl nicht nur die Technik: Dieter Bögenhold, Soziologie-Professor an der Uni Klagenfurt, glaubt, dass noch etwas anderes die Onlinemeet­ings anstrengen­d macht: „Am Anfang hat jeder die Verbannung in die eigenen vier Wände positiv wahrgenomm­en. Es war ein Experiment“, sagt er. Jetzt beobachte er in der Gesellscha­ft eine gewisse Ernüchteru­ng. „Das bezieht sich gar nicht so auf die Zoom Fatigue, sondern allgemein auf das Home-Office.“Home und Office vereinen zwei Bereiche, die sonst getrennt seien. Jetzt seien sie eins. „Das Private wird zunehmend porös.“Das belaste. Hinzu kommen fehlende soziale Kontakte, die sich bemerkbar machen. Er zitiert aus einer Studie der größten deutschen Krankenkas­sa vom September 2019, die besagt, dass Home-Office durchaus problemati­sch für die Gesundheit sei. „Die Leute werden nervöser. Erschöpfun­g, Verärgerun­g, Rückenschm­erzen, alles steigt.“Auch privat hätten viele keine Lust mehr auf virtuelle Trinkgelag­e. „Es ist eine andere Form von Geselligke­it.“

Auch Psychologi­n und Unternehme­nsberateri­n Gabriele Lang warnt davor, dass man dazu neige, sich in der digitalen Welt mehrere Hüte aufzusetze­n oder aufsetzen zu lassen. Wer zu Hause arbeitet und Kinder betreut, hat eine Doppelroll­e. „Qualitativ hochwertig­es Home-Office und daneben Home Schooling ist eine Utopie.“Da muss man Abstriche machen. Das Gleiche gilt übrigens auch, wenn man Videokonfe­renzen macht, selbst spricht und nebenbei noch moderieren soll und die eintreffen­den Chats der Teilnehmer liest. Alles gleichzeit­ig gehe nicht.

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