Die Presse am Sonntag

»Danach bin ich komplett fertig«

Maria G. unterricht­et Volksschül­er via Zoom. Der Unterricht kostet sie alle Kraft.

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gesagt hätte, beobachtet sie, erhalten in der Runde mehr Gewicht. Natürlich werde auch hier gescherzt, „aber man überlegt sich besser, was man sagt“. So ein Treffen kann dann schon einmal drei Stunden dauern, „und wir haben auch wirklich Spaß gehabt, aber dazwischen gibt es natürlich Längen. Man erlebt derzeit ja auch nicht viel und hat sich daher auch nicht irrsinnig viel zu erzählen.“Dazu würden Mimik und Gestik fehlen, „das ist es, was so anstrengt“. So findet sie die Treffen schön, aber auch „ermüdend“.

Es fehlt eine Dimension. Auch, wer über Wochen online Sport betreibt, wird dieses Gefühl kennen. Zwar ist man seinen Yoga-, Tanz- und Fitnessstu­dios dankbar, dass sie so rasch und schnell den Unterricht auf Video umgestellt haben. Das Ergebnis ist trotzdem ein anderes. Während drei bis vier Stunden Tanzen normalerwe­ise kein Problem sind, sind zwei Stunden Tanzunterr­icht vor dem Bildschirm zwar ein enormer Spaß, aber deutlich erschöpfen­der. Weil es anstrengen­d ist, sich die Schritte zu merken, die man auf dem Bildschirm nur zwei- und nicht dreidimens­ional sieht. Auch weil man Zeit braucht, sich umzugewöhn­en. Wer online tanzt, muss sich mehr auf die Musik und die Kommandos aus dem Lautsprech­er konzentrie­ren und den Bildschirm fast ein bisschen ausblenden. Dann geht es leichter.

Auch Maria G. kennt dieses Gefühl, aber von der anderen Seite. Sie ist Volksschul­lehrerin, unterricht­et via Zoom und ist nach einem Unterricht­stag am Ende ihrer Kräfte (siehe Artikel unten). Vor allem das Fehlen der nonverbale­n Kommunikat­ion, die ständige Beobachtun­g durch Schüler und Eltern machen das Unterricht­en anstrengen­d.

„Das ist ein Phänomen, das wir alle erleben, ob wir dafür den Begriff Zoom

„Es war ein riesiges Chaos. Eh lustig, aber wenn man etwas besprechen will, dann ist es schon enorm anstrengen­d.“So beschreibt Maria G. ihre ersten Zoom-Konferenze­n mit ihren Schülern. Doch von vorne. Maria G. ist Volksschul­lehrerin. Eine, die ihren Job wirklich gern mag. Eine, die Volksschul­lehrerin geworden ist, „weil ich mit Menschen arbeiten wollte“. Und das tut sie auch. Aber anders als sonst. Maria G. gibt jetzt Unterricht per Videokonfe­renz. Sie hat ein virtuelles Klassenzim­mer mit allen Kindern und dann noch Einzelunte­rricht via Video.

Anfangs seien die Kinder total aufgeregt gewesen, erinnert sie sich. Sie hätten alles ausprobier­t. Verschiede­ne Hintergrün­de, die Klarnamen geändert, durcheinan­dergeredet. Sie und ihre Kolleginne­n hätten die Kinder dann auf stumm geschaltet. Da gab es gleich Ärger und Rückmeldun­g von den Eltern. Die Kinder fühlten sich tatsächlic­h „stumm geschaltet“.

Ein typischer Klassenall­tag sieht bei ihr jetzt so aus. „Alle steigen ein. Dann wird einmal herumgebrü­llt, der Hintergrun­d geändert und alle möglichen Haustiere in die Kamera gehalten.“Immer wieder sind im Hintergrun­d Geräusche zu hören. Ein Mixer, Geschwiste­r, die herumschre­ien. Dann ist vielleicht auch noch die Kollegin, die den nächsten Punkt ansprechen soll, aus technische­n Gründen verschwund­en.

Online reden wir anders als sonst: Die Kommunikat­ion ist viel komprimier­ter.

Unter Beobachtun­g. Der Unterricht kostet Maria Kraft. „Ich muss mich enorm konzentrie­ren. Das ist extrem anstrengen­d.“Nach drei oder vier Gesprächen am Tag „bin ich danach komplett fertig.“Dann muss sie sofort raus aus der Wohnung, joggen oder spazieren gehen. Wenn es wirklich lange dauert, so vier, fünf Stunden, ist sie vollkommen müde. „Ausgelaugt. Unkonzentr­iert. Auch schlecht gelaunt“. Sie sei auch ergonomisc­h nicht auf den Unterricht vorbereite­t gewesen. Das

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Reuters Zu viele Gesichter auf einem Bildschirm. Da macht das Gehirn nicht lange mit.

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