Nüchtern durch die Krise?
Niemand macht besseres Bier als sie, sagt Portia, die Barbesitzerin. Drei Tage braucht sie für die Herstellung einer Plastiktonne mit 220 Liter. Zu bestimmten Zeiten mischt sie neuen Mais und Hirse hinzu, mal kommt kaltes, mal lauwarmes Wasser dazu.
Dann ist „Umqombothi“, das traditionelle südafrikanische Bier, fertig. Normalerweise reicht der über einen Meter hohe Behälter einige Tage lang. Heute ist der Vorrat schon nach ein paar Stunden ausgegangen. Es kommen fünfmal so viele Leute wie sonst, nehmen einige abgefüllte Flaschen mit nach Hause.
„Ehrlich gesagt freue ich mich, wenn der Lockdown noch lange weitergeht“, sagt Portia. Seit über 20 Jahren, fast ihr halbes Leben schon, serviert sie Bier in ihrer Holzhütte des Kapstädter Townships Imizamo Yethu. So gut wie jetzt gingen die Geschäfte aber noch nie.
Südafrika gehört zu den wenigen Nationen der Welt, in der Alkoholverkauf während der Covid-19-Ausgangssperre landesweit verboten ist. Dazu zählen auch noch Thailand, Panama, Lesotho und Botswana – ganz im Gegensatz zum Gouverneur von Kenias Hauptstadt Nairobi, der angekündigt hat, den Lebensmittelnotrationen für ärmere Bevölkerungsgruppen auch ein Fläschchen Cognac hinzuzufügen. Er habe schließlich gehört, dass Alkohol gegen das Virus helfe.
Auch Zigarettenverbot. Südafrika zieht die Sache mit der temporären Prohibition besonders hart durch – und hat den Verkauf von Zigaretten gleich mit verboten. Es handle sich um „nicht-essenzielle Produkte“, teilte Polizeiminister Bheki Cele mit. Der Genuss von Alkohol erschwere zudem das Einhalten des während der Pandemie empfohlenen Mindestabstandes.
Und es gebe einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Alkohol und häuslicher Gewalt sowie anderen Verbrechen,
sagt der Polizeiminister. Als die Westkap-Provinz im Alleingang zumindest den Verkauf von Tabak zulassen wollte, wurde sie umgehend von Cele zurückgepfiffen.
Vor dem Lockdown gab es Ende März aber besonders auf die Getränkeläden einen regelrechten Ansturm, viele standen stundenlang an. Auf Google gehört derzeit das Thema Alkoholverbot zu den am häufigsten verwendeten Suchanfragen im Land.
In Südafrika trinkt zwar nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur rund jeder dritte Erwachsene größere Mengen Alkohol, unter diesen gibt es aber einen auffällig hohen Anteil mit riskantem Konsum. Sechs Prozent aller Todesfälle im Land stünden im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch.
Seit dem Lockdown haben traditionelle Bierbrauer wie Portia Hochkonjunktur. Die Schließung der Kneipen in Imizamo Yethu, in denen normalerweise kommerzielles Flaschenbier angeboten wird, überwachen die Behörden penibel.
Zuletzt häuften sich die Berichte, dass die Polizei auch vermehrt gegen die informellen Bierbrauer vorgehe. Portia in ihrer Holzhütte in Kapstadt aber blieb bisher verschont.
In einer Ecke der Hütte sitzen fünf Migranten aus Malawi. Einer ist Elektriker, einer verkauft auf der Straße Blumen, ein anderer ist Schweißer – Arbeit hat während des seit Ende März andauernden Lockdowns keiner mehr von ihnen. Entsprechend knapp ist das Geld. Hier kosten fünf Liter Bier umgerechnet gerade einmal zwei Euro. Die Männer teilen, trinken die milchige Flüssigkeit aus dem gleichen Blechbehälter.
Ob sie nicht Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus haben? Schließlich gab es bereits weit über 3000 bestätigte Fälle in Südafrika, die meisten auf dem Kontinent, dazu 100 Todesfälle. Einer sagt ja, weist aber darauf hin, dass das Getränk gut für die Gesundheit sei. „Man bekommt davon keinen Kater, es hat auch nur halb so viel Alkohol wie normales Bier.“
Er habe jedenfalls einige Kilogramm zugenommen, was er als Zeichen vorzüglicher Nahrhaftigkeit wertet. Ein anderer Kunde sagt, Covid-19 sei eine weitere Krankheit unter vielen, die einem drohen würden. Und ein dritter verweist auf die Bibel, in der das aktuelle Szenario vorhergesagt worden sei. Ob er hier jetzt Bier trinke oder nicht, das mache keinen Unterschied.
Als eines der wenigen Länder hat Südafrika wegen des Coronavirus landesweit den Verkauf von Alkohol verboten. Davon profitieren nun die traditionellen Bierbrauer.
Bier in den Gully. Der Elektriker zeigt ein Handyvideo, auf dem zu sehen ist, wie Polizisten Hunderte Flaschen beschlagnahmtes Bier öffnen und in einen Gully kippen. In der Nachbarschaft wird trotz empfindlicher Strafen dennoch weiterhin unter der Hand Markenbier verkauft. „Das ist sehr selten geworden“, sagt einer der Männer, „aber wenn man was kriegt, zahlt man dreimal so viel wie sonst.“Umgerechnet drei Euro anstelle von einem für ein kleines Bier. Keiner der Männer im Raum kann sich das leisten.
An Widerstand gegen die Verordnung mangelt es nicht. Lobbyverbände der Tabak- und Alkoholindustrie argumentierten mit den Verlusten von Steuereinnahmen. Auch die Ausgangssperre sei gefährdet, weil die Leute umherfahren würden, um illegal an die Produkte zu kommen. Vergebens, die Regierung blieb hart.
Südafrika zieht die Sache mit der temporären Prohibition besonders hart durch.
Sechs Prozent aller Todesfälle im Land stehen im Kontext mit Alkoholmissbrauch.
Wenn es nach ihm gehe, würde er Alkohol auch nach dem Lockdown verbieten, gab Polizeiminister Cele zu Protokoll. Er wisse aber, dass das nicht gehe. Dabei wird er wohl nicht zuletzt an finanzielle Gründe gedacht haben: Alkohol spült, obwohl im internationalen Vergleich eher niedrig besteuert, jährlich umgerechnet mehrere Milliarden Euro in die klammen Staatskassen.
Zuletzt wurde der Lockdown in Südafrika trotz sinkender Infektionsraten von ursprünglich drei auf fünf Wochen und damit bis Ende April ausgeweitet. Auch moderate Konsumenten dürften die Verlängerung kaum in ihrer Kalkulation beim Einkauf vor dem Lockdown berücksichtigt haben. Für Kneipenbesitzerin Portia sind das gute Nachrichten.
Inzwischen hat die Regierung in Pretoria erste Auflagen in der CoronaKrise wieder aufgelockert. Restaurants dürfen Speisen ausliefern, Industriezweige wie Bergbau oder Stahl dürfen wieder bis zur Hälfte der Belegschaft beschäftigen. Das Land hatte zuvor eine strikte Ausgangssperre und den Großteil der Wirtschaft komplett lahmgelegt. Das Land ist wirtschaftlich besonders stark beeinträchtigt, da es schon vor der Pandemie in der Rezession war.