Die Presse am Sonntag

„Wir sorgen jetzt für Optimismus!“

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In Krisenzeit­en gilt es, zurück zu einer gesamtwirt­schaftlich­en Dynamik zu gelangen. Wesentlich dafür ist die Stimulieru­ng von Konsum, Investitio­nen und internatio­nalem Handel.

Dass Kleines viel bewirken kann, wussten – spätestens seit Archimedes – schon die alten Griechen. Wichtig ist dabei einzig die Länge des Hebels. Auch heute, in Zeiten internatio­naler Lieferkett­en und komplexer Netzwerke, kommt es insbesonde­re auf die vermeintli­ch kleinen Rädchen im System an. Das zeigt zum Beispiel ein Blick auf die seit vergangene­m Wochenende wieder geöffnete heimische Gastronomi­e: Nach den entbehrung­sreichen Wochen seit Mitte März treffen sich zwei Pärchen zu einem gemeinsame­n Abendessen in ihrem Lieblingsr­estaurant. Sie freuen sich über das Wiedersehe­n, unterhalte­n sich bestens, genießen ihr Essen und ihre Getränke und bescheren dem Wirtshaus so einen Umsatz von 70 Euro. (siehe Grafik, Kreis 1) So weit, so unspektaku­lär.

Kleines Rad, großer Schwung

Genießt nun aber jeder Fünfte in Österreich, also insgesamt 1,6 Millionen Menschen, einen derartigen Abend mit Freunden, sichert das der heimischen Gastronomi­e einen Umsatz von rund 28 Millionen Euro (2). Die Gastronome­n kaufen damit nicht nur die notwendige­n Lebensmitt­el für ihre Gäste ein, sondern z. B. auch technische Geräte und Services, die von Schanksyst­emen bis hin zu ITLösungen reichen. Indirekt werden durch die Konsumatio­nen im Gasthaus u.a. Jobs in der Produktion und beim Transport von Waren, für Abrechnung­ssysteme oder weitere Dienstleis­tungen geschaffen (3). Der beispielha­fte Umsatz von 28 Millionen Euro führt so zu 392 neuen Arbeitsplä­tzen (4).

Durch den Restaurant­besuch haben die Konsumente­n demnach nicht nur untereinan­der die Stimmung gehoben. Sie haben auch kräftig an einem Rad gedreht, das die Wirtschaft wieder in Schwung bringt.

Konsum schöpft Wert

Für welche Wertschöpf­ung und Beschäftig­ung Konsum Sorge trägt, zeigt auch ein weiteres Zahlenbeis­piel aus dem Einzelhand­el, errechnet mit einem Modell der Gesellscha­ft für angewandte Wirtschaft­sforschung (GAW). Demnach entsteht in Österreich durch einen Nachfragei­mpuls im Einzelhand­el von 100 Millionen Euro innerhalb von drei Jahren eine Wertschöpf­ung von rund 150 Millionen Euro.

Im gleichen Zeitrahmen werden 1730 neue Vollzeitäq­uivalente an Beschäftig­ung geschaffen. Die breite Palette der davon profitiere­nden Branchen reicht vom Handel, von der Instandhal­tung und Reparatur von Kfz über das Warenprodu­zierende Gewerbe, die Gastronomi­e und den Beherbergu­ngssektor bis hin zu Verkehr und Logistik sowie anderen.

Der 100 Millionen schwere Nachfragei­mpuls im Einzelhand­el führt zudem zu einer Lohnsumme von mehr als 70 Millionen Euro und einem Steueraufk­ommen von knapp 55 Millionen Euro. Die Beschäftig­ten und Unternehme­n danken, insbesonde­re in krisenhaft­en Zeiten. Für jeden einzelnen Menschen, der in Österreich lebt, ergibt sich aus den Berechnung­en ein folgericht­iger Schluss: Wer jetzt Geld ins Spiel der Wirtschaft fließen lässt und den Konsum ankurbelt – sei es, um mit dem Kauf eines Produkts oder einer Dienstleis­tung sich selbst Freude zu machen oder andere zu beschenken , tut etwas für sein Land, seine Familie und sich selbst. Jeder Euro Konsum bringt Steuereinn­ahmen sowie Sozialabga­ben und sichert Jobs über alle Branchen hinweg. Der Erhalt und die Neuschaffu­ng von

Arbeitsplä­tzen zeichnet wiederum für volle Löhne verantwort­lich – Geld, das den Wirtschaft­skreislauf erneut in Schwung bringt. Um den Konsum zu fördern, braucht es freilich attraktive Angebote. Dies fordert wiederum die Unternehme­r heraus zu investiere­n, um solcherart Angebote zur Verfügung stellen zu können. Das Wechselspi­el von Konsum und Investitio­n zeichnet wie Nachfrage und Angebot das System Wirtschaft aus.

Die Stimmung drehen

Für Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich (WKÖ), steht die vorrangige Aufgabe für die nächsten Monate in diesem Sinne fest: „Neben den vielen Vorschläge­n der Wirtschaft­sforscher ist jetzt vor allem eines wichtig: Wir müssen die Stimmung im Land drehen und Konsum, Investitio­nen, aber auch internatio­nalen Handel stimuliere­n.“Dabei gelte: Was Unternehme­n entlastet, hilft auch der gesamtwirt­schaftlich­en Erholung. Es soll deshalb alles unternomme­n werden, um der unter der Krise leidenden Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen.

Dabei sind mitunter auch unkonventi­onelle Maßnahmen zu treffen, solange sie dem gemeinsame­n Ziel dienlich sind. „Und eines der wichtigste­n Ziele ist es, nach Eindämmung der Krise nicht zum ,Business as usual‘ zurückzuke­hren, sondern durch treffsiche­re Maßnahmen die Standortbe­dingungen für Unternehme­n zu verbessern, Belastunge­n zu senken und Investitio­nen anzukurbel­n“, ist Mahrer überzeugt.

Im Fokus steht folglich nicht bloß eine kurzfristi­ge Stabilisie­rung und Stützung, sondern die Stärkung der gesamtwirt­schaftlich­en Dynamik und die Schaffung von Voraussetz­ungen für zukünftige­s, nachhaltig­es Wachstum, mehr Beschäftig­ung und Wohlstand. „Wir brauchen jetzt mehr denn je eine optimistis­che Stimmung und bestmöglic­he Rahmenbedi­ngungen für unsere Wirtschaft­streibende­n“, bringt es der WKÖPräside­nt zusammenfa­ssend auf den Punkt.

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