Ein Gutshof für Singvögel, Fasan
Familie Hardegg setzt auf ihrem Gut Hardegg im Weinviertel auf Artenvielfalt und Biodiversität. Auf 2200 Hektar gibt es Blühstreifen und Biotope für Vögel und Wildtiere.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Besuch der „Presse am Sonntag“bei einem Landwirt mit einer Power-Point-Präsentation beginnt. Die meisten Betriebe sind dafür schlicht zu klein. Anders ist das aber im Gut Hardegg im niederösterreichischen Weinviertel.
Seit dem 17. Jahrhundert lebt und arbeitet dort die Familie Hardegg, deren Geschichte bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Und wie es sich für einen Gutshof gehört, sind die Flächen und Dimensionen im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Betrieben etwas größer. 2200 Hektar Land werden hier bewirtschaftet, hinzu kommen noch 35 Hektar Weingärten.
Das Steckenpferd des Gutsherren Maximilian Hardegg ist dabei die Artenvielfalt und die Biodiversität. Er hat sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt, inklusive wissenschaftlicher Arbeiten und Meinungsumfragen. Wenn man Maximilian Hardegg nach seinem Zugang zur Landwirtschaft fragt, spricht er vom Rückgang der Feldvögel seit den 1980er-Jahren, und wie sich dieser aufhalten lässt, von der Entwicklung der Landwirtschaft und wo sie eine falsche Richtung eingeschlagen hat oder aber von vier Säulen zum Schutz der Artenvielfalt und wie diese am Gut Hardegg umgesetzt werden, etwa mithilfe von Wasserlöchern, Landeplätzen und ganzjähriger Fütterung für Vögel, Fruchtfolge oder Blühstreifen als Lebensraum für Wildtiere. „Die Artenvielfalt ist für den Menschen
Gut Hardegg
Familie Hardegg betreibt im niederösterreichischen Weinviertel das Gut Hardegg mit Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Nutztierhaltung und Weinbau. Auf 2200 Hektar wird Landwirtschaft betrieben, dazu kommen 35 Hektar Weingärten. Zum Thema Artenvielfalt und Biodiversität gibt es mehrere Projekte. www.hardegg.at, www.grafhardegg.at eine Überlebenssicherung. Wenn Menschen um sich herum eine Artenvielfalt haben, ist das wie ein Schutzschild. Völlig leere Landschaften sind unwirtlich, dort will niemand leben“, sagt Maximilian Hardegg, der mit seinem Sohn Alexius durch den Gutshof führt. Ihm ist die Natur und die Artenvielfalt sichtlich ein Anliegen. Dass die Landwirtschaft meist als Grund für den Rückgang der Vogelarten genannt wird, schmerzt ihn. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Landwirtschaft ein Ermöglicher und Förderer der Artenvielfalt sein kann“, sagt Hardegg, bevor er zu einer Rundfahrt auf seinen Hof bittet. Angesichts der Größe ist man dabei auf das Auto angewiesen.
So richtig deutlich wird die Artenvielfalt nämlich erst vor Ort. Überall wurden Ecken von Feldern abgezwickt, um dort eine andere Kultur oder Wildkräuter wachsen zu lassen und in denen sich Wildtiere – vom Insekt bis zum Rehbock – verstecken. Am Wegesrand sind Futterstellen für Vögel, aber auch fürs Wild angebracht. Kleine Wasserlöcher wurden eigens für spezielle Vogelarten angelegt. Begleitet wird all das von einem lauten Vogelkonzert.
Zu viel Sauberkeit. Die Landwirtschaft sei heute oft zu sauber, sagt Hardegg. Vor 30, 40 Jahren ging bei der Ernte oder dem Transport noch wesentlich mehr Ertrag verloren, der den Wildtieren als Futter diente. „Heute sind die Maschinen so perfekt, dass alles ganz sauber ist, da wird nichts mehr verloren.“Er hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, ein bis drei Prozent der gesamten Erntemenge als Futter zurückzugeben.
Dass die Landwirtschaft schuld am Rückgang der Feldvögel ist, schmerzt ihn.
Auf die Frage woher dieser Fokus kommt, verweist Hardegg auf seinen Zugang zur Jagd. Auch da gehe es darum, das Wild zu schützen und den Tieren ihren Lebensraum zurückzugeben. Aber so richtig sei er durch die Besucher auf das Thema gekommen. „Die haben immer gesagt, es ist so ruhig bei uns, sie hören so viele Vögel“, sagt Hardegg und fährt zu einem Abschnitt der Pulkau, den er vor 20 Jahren gemein
sam mit der Gemeinde und gefördert von der EU renaturalisiert hat. Dabei kommen wir bei einem 300 Jahre alten Baum vorbei. „Der hat schon Napoleon gesehen“, sagt er und bückt sich nach einer Feder, die er seinem Sohn mit der Frage „Bussard?“überreicht. Alexius Hardegg prüft sie kurz und sagt nur kurz Ja. Er hat in England ein Landwirtschaftsstudium absolviert und mindestens genauso eine Begeisterung für die Natur. „Riechen Sie mal an der Akazie, das ist herrlich, oder“, sagt er und pflückt eine Blüte.
Wie in einem Urwald. Bei der renaturalisierten Pulkau ist es dank der üppigen Landschaft an diesem warmen Tag gleich einmal um ein paar Grad kühler. Ein bisschen fühlt man sie wie in einem Urwald, der zahlreichen Tieren einen Lebensraum bietet. Zum Vergleich führt Hardegg zu einem Abschnitt, der nicht renaturalisiert wurde und von der Gemeinde regelmäßig gerodet wird. Hier gibt es nicht viel, außer gemähte Wiesen und Hitze. Er kann nicht verstehen, warum gerade jetzt, im Frühling so viel gemulcht wird. „Das ist eine Katastrophe, vor allem lich auf 400 Euro pro Tonne.“Auf den Brotpreis hat das aber dennoch nur einen geringen Einfluss. „Was glauben Sie, um wie viel dann Brot oder Semmeln teurer wären“, fragt er, um dann gleich die Antwort zu verkünden: „Das ist verschwindend. Semmeln wären um 0,2 Euro teurer und Brot um 0,7 Euro, weil der Wertschöpfungsanteil des landwirtschaftlichen Produkts im Endprodukt so gering ist. Das wäre also sehr wohl leistbar für Österreich.“
5000 verschiedene Vögel. Dem gegenüber steht der Nutzen, den die Natur daraus zieht. Hardegg lässt die Vögel, die sich auf seinem Gut niederlassen, regelmäßig zählen. Einmal, berichtet er, sei ein Ornithologe aus Deutschland da gewesen. „Der hat gesagt, was er hier in drei Tagen an Vögeln gesehen hat, gibt es in ganz Deutschland nicht.“Konkret waren es mehr als 5000 Vögel und 71 verschiedene Vogelarten, darunter Bienenfresser, Eisvogel, Pirol, Bluthänfling, Neuntöter oder der Stieglitz, Hardeggs Liebling. „Der hat in der christlichen Überlieferung eine große Bedeutung. Man sagt, als der Stieglitz für Junghasen und Fasane. Es geht nur darum, dass alles sauber ist.“
Weiter geht es zu einem Feld mit Ackerbohnen. Eine besonders wertvolle Pflanze für den Boden, wie Maximilian Hardegg erklärt. Monokulturen werden immer verteufelt, meint er, aber natürlich bedeute ein Feld Monokultur. „Man kann aber trotzdem Abwechslung schaffen, indem man bewusst andere Kulturen setzt und die Fruchtfolge einhält.“So sind hier neben den Ackerbohnen Erbsen angebaut, daneben stehen Wildkräuter und danach eine wilde Böschung.
Der Weizen wird übrigens nach Italien geliefert, die Erdäpfel nimmt McDonald’s ab, aus dem Raps wird kalt gepresstes Öl gemacht. In Zukunft will man auch Mehle in Haushaltsmengen oder andere Produkte anbieten. Neben den Feldkulturen gibt es noch eine Schweinezucht mit rund 1000 Muttertieren. an der Reihe war, sind dem Schöpfer die Farben ausgegangen. Also hat er alles zusammengekratzt, was noch in den Farbtöpfen waren und so ist der Stieglitz entstanden“, sagt Hardegg über den bunten Vogel, der auch Distelfink genannt wird.
Hardegg setzt nicht nur bei seinem Gut auf eine ganzjährige Vogelfütterung.
„Zehn Prozent der heimischen Zuchtschweine kommen von uns“, sagt Hardegg.
Bevor es zum Weingut geht, kommen wir noch an einigen Feldern vorbei, die mit wilden Grünstreifen und Gebüschen umrandet sind. An jeder zweite Ecke stolziert ein Fasanhahn vorbei. „Die haben gerade Brunftzeit, die merken uns gar nicht“, sagt Hardegg. Auch ein paar Rehe und Hasen bekommen wir zu Gesicht, von den unzähligen Singvögeln, die Hardegg alle am Gesang erkennt (und die regelmäßig gezählt werden), ganz zu schweigen.
Dass der Wein in der Familie eine besondere Bedeutung hat, wird allein am Baujahr des Weinkellers deutlich. Der stammt aus 1640 und wurde noch vor dem Familienschloss erbaut. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Sorte Grüner Veltliner, erklärt Andreas Gruber, Betriebsleiter des Weingutes. Aber es gibt eine große Produktvielfalt und es kommen stets neue Produkte hinzu: vom Portwein bis zur hierzulande seltenen Weinsorte Viognier. Auch diese Vielfalt bekommt den Menschen nicht schlecht.
Die vielen Vögel werden regelmäßig gezählt, 71 verschiedene Arten leben hier.
Er produziert und verkauft auch Vogelfutter und versucht mittels Schulungen und Projekten andere davon zu überzeugen. „Das wird oft ideologisch betrachtet. Manche sagen, sie wollen nicht eingreifen, die Natur gibt eh genug her. Aber die Landschaft ist keine reine Natur, das ist natürlich alles eine Kulturlandschaft.“ dafür ist unter anderem der Rückgang der Lebensräume durch die Intensivierung der Landwirtschaft und eine immer aufgeräumtere Landschaft.
Big Farmland Bird Count
Der britische Game & Wildlife Conservation Trust veranstaltet jedes Jahr gemeinsam mit Landwirten eine europaweite Feldvogelzählung, den Big Farmland Bird Count. 2019 wurden europaweit 140 Vogelarten und 300.000 Vögel gezählt. Die häufigsten waren Amseln, Ringeltauben, Blaumeisen, Rotkehlchen und Fasane. www.gwct.org.uk