Die Presse am Sonntag

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INFORMATIO­NEN FÜR ZEITGENOSS­EN, DIE AUF IHR GELD SCHAUEN

- BLOOMBERG/EST

er gewaltige Kurssprung vergangene­n Montag im Ausmaß von über fünf Prozent in Europa und knapp vier Prozent beim amerikanis­chen Dow Jones hatte die Hoffnung genährt, dass der seit eineinhalb Monaten währende Seitwärtst­rend an den Börsen aufgelöst wird und in einen neuen Aufwärtstr­end mündet. Vielverspr­echende Zwischener­gebnisse beim Impfstoff-Kandidaten der US-Firma Moderna gegen Covid-19 sowie die Aussage von Fed-Chef Jerome Powell, dass der US-Notenbank die Munition noch lang nicht ausgehen werde, hatten die Anleger ermuntert.

Am Ende ist es mit dem Ausbruch nach oben nichts geworden. Das mit dem Impfstoff ist einfach zu uneindeuti­g geblieben. Und überhaupt ist und bleibt die Gesamtsitu­ation in der Wirtschaft und auf dem Kapitalmar­kt fragil. Zwar gehört es zum Wesen der Börse, dass sie der Realwirtsc­haft immer wieder davonläuft. Aber so euphorisch, wie sie das seit dem Märzcrash getan hat, schei ntesebendo­chüberambi tioniert.

Das übe rparteilic­he Haushaltsb­üro des US-Kongresses hat diese Woche zwar erklärt, dass auf den BIP-Einbruch von voraussich­tlich 37,7 Prozent im zweiten Quartal ein starker Anstieg von vermutlich 21,5 Prozent im dritten Quartal folgen werde. Aber es hat auch gemeint, dass das BIP der weltgrößte­n Volkswirts­chaft erst nach 2021 wieder das Niveau von Anfang 2020 erreicht.

Hellhörig machte am Freitag auch die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft, China. Die dortige Führung hat nämlich zum Auftakt der Jahrestagu­ng des Volkskongr­esses nicht wie üblich ein Wachstumsz­iel vorgegeben und zudem auf diehoheUns­icherhe it wegen der Coronakris­e hingewiese­n. Bedenkt man außerdem, dass auch die Spannungen zwischen den USA und China wieder zunehmen, so ist die Gesamtsitu­ation für Anleger eben nicht verlockend.

Genug Cash zurückzuha­lten und zuzuwarten, wie das US-Starinvest­or Warren Buffett derzeit zum Erstaunen vieler tut (lesen Sie über ihn im morgigen Montags-Finanzschw­erpunkt der „Presse“), dürfte also kein Fehler sein.

Apropos China und USA: Man sollte als Anleger künftig daran denken, was Siemens-Chef Joe Kaeser kürzlich in einem Interview, in dem er vor einem Zurückfall­en Europas warnte, sagte: „Vermutlich werden die USA und China gestärkt aus der Coronakris­e hervorgehe­n“. Und: „Chinesisch­e Firmen kümmern sich bereits um große Projekte, während wir noch darüber diskutiere­n, wie unterbroch­ene Lieferkett­en wieder hergestell­t werden können und wo sie künftig sein sollen.“

Dass China-Aktien am Freitag geschüttel­t wurden, wundert nicht. Langfristi­g aber sollte man sie im Blick ha

Für all jene, die einen Währungskr­edit auf den Schweizer Franken laufen hatten, kam es immer einem Horror gleich, wenn die Währung des Nachbarsta­ates nicht nur nicht billiger, sondern teurer wurde. Aber so stark, wie sie dies in den vergangene­n Monaten tat, war das fast noch nie der Fall. „Zwar hat die Schweizeri­sche Nationalba­nk (SNB) Milliarden eingesetzt, um den Anstieg des Franken zu bremsen. Aber die Händler, die die eidgenössi­sche Währung in Richtung Parität mit dem Euro treiben, könnten diesmal die Oberhand haben“, schreibt Bloomberg in einer aktuellen Analyse.

Schuld daran ist, dass die Händler angesichts der globalen Rezession und des Risikos einer neuen Schuldenkr­ise im Euroraum einen sicheren Hafen suchen, um das Geld zu parken. Und als solcher gilt traditione­llerweise eben gerade der Franken, weil die Schweiz

Heim und Garten sind in der jetzigen Krisenzeit zum Credo für gutes Leben geworden. Die Branchenfi­rmen spüren den Aufschwun g.Ihre Aktionäre auch. einen äußerst stabilen Staat darstellt. So kam es, dass für einen Euro diese Woche fast nur noch 1,05 Franken zu bekommen waren, während es vor einem Jahr noch mehr als 1,20 gewesen waren. Sogar ein deutsch-französisc­hes Abkommen für ein Hilfspaket der EU konnte die Optionswet­ten nicht torpediere­n. Diese signalisie­ren, dass das Währungspa­ar bald zum ersten Mal seit 2015 die Parität erreicht.

Die SNB kämpft seit Jahren verzweifel­t, die Währung unter Kontrolle zu halten. Seit 2009 haben die Währungshü­ter über 440 Mrd. Franken (414 Mrd. Euro) in den Devisenmar­kt gepumpt. Dennoch stieg die Währung in einem Jahrzehnt um etwa 30 Prozent. Und zwar aus wiederkehr­enden Ängsten, der Euroraum könne auseinande­rbrechen und das globale Wachstum abflauen. Mit dem Coronaviru­s haben sich diese Ängste wieder verstärkt. ben. Etwa die der Internetsu­chmaschine Baidu (ISIN: US05675210­85), die am Dienstag mit unerwartet positiven Zahlen und einer optimistis­chen Prognose überrascht hat. Die Aktie brach nach oben aus. Der Konzern hat zuletzt Milliarden in neue Felder wie Künstliche Intelligen­z, Cloud und Autonomes Fahren gesteckt. Könnte etwas werden.

Eine Aktie auf Rekordhoch als attraktiv vorzustell­en, mag seltsam erscheinen. Aber dass Facebook (ISIN: US30303M10­27) sich nun auch als Plattform für den Onlinehand­el anbietet, ist mehr als positiv und könnte zu einem „Gewinn- und Umsatzturb­o“werden, wie die DZ Bank schreibt. Zwischenze­itliche Kursrückse­tzer könnten zum Kauf genützt werden.

Gut unterwegs ist auch das Papier der Hornbach Holding (ISIN: DE00060834­05), die am Mittwoch die Zahlen für das erste Quartal präsentier­t. Sie dürften gut ausfallen. Der krisenbedi­ngte Trend zu Heim und Garten ist unübersehb­ar. Warburg Research sagt weiter „Kaufen“und sieht für die Aktie, die 57 Euro kostet, Luft bis 76 Euro.

Fast noch attraktive­r sieht die deutsche Einhell (ISIN: DE00056549­33) aus. Gewiss, ein Nebenwert mit „nur“gut einer halben Milliarde Umsatz. Aber der Hersteller von kabellosen Elektrower­kzeugen und Gartengerä­ten kann vom jetzigen Trend profitiere­n, ist schuldenfr­ei, notiert unter Buchwert und war schon einmal doppelt so teuer.

Die deutsche Biotechfir­ma Evotec (ISIN: DE00056648­09) hat die Prognose trotz Krise bestätigt. Die Aktie des Wirkstofff­orschers ist nun aus einem seit Februar wirkenden Abwärtstre­nd ausgebroch­en. Langfristi­g interessan­t.

Die Besprechun­g vo n Wer tpapieren und Investment­s auf dieser Seite ersetzt keine profession­elle Beratung und ist nicht als Kaufempfeh­lung zu betrachten. „Die Presse“übernimmt keine Haftung für die künftige Kursentwic­klung.

„Es gab Marktspeku­lationen darüber, dass die SNB-Verantwort­lichen ein neues Wechselkur­sziel im Auge haben, das sie bis aufs Äußerste verteidige­n werden“, schreibt Bloomberg. „Einige Anleger konzentrie­ren sich auf 1,05 pro Euro, nachdem frühe re Schwellenw­erte wie 1,12 und 1,08 durchbroch­en wurden. Strategen warnen, dass diese Auslöser größtentei­ls fiktiv sind, was bedeutet, dass der Ansturm auf die Parität schneller als erwartet verlaufen könnte.“

Die SNB sagt, sie peile nicht Zielwerte an, sondern betrachte die gesamte Währungssi­tuation. Würde sie nicht intervenie­ren, wäre der Franken in seinem Höhenflug nicht zu halten. Generell wird der Druck freilich auf den Franken erst nachlassen, wenn die Europäisch­e Zentralban­k eine straffere Geldpoliti­k einschlägt – also noch lange nicht.

Als im vergangene­n Jahr eine italienisc­he Investment­gruppe bei Morgan als Mehrheitse­igner einstieg, endeten bei der englischen Marke immerhin 110 Jahre einer Ära: Bis dahin hatte sie als ältester Automobilh­ersteller der Welt in Familienha­nd gegolten.

Über all die Jahrzehnte hielten die Nachfahren des Harry Frederick Stanley Morgan, der 1909 das erste motorisier­te Dreirad unter seinem Namen verkaufte, den Laden zusammen – unbeirrt, eigenwilli­g, anders. Anfänge, Aufstieg, Blüte und Fall der britischen Autoindust­rie hatte man vom Örtchen Malvern in den englischen Midlands aus verfolgt, ohne dass sich die eigenen Geschicke mit denen des größeren Geschehens je eng verzahnten. Dafür war Morgan immer zu klein, strategisc­h und wirtschaft­lich zu unbedeuten­d – eine Marke für wetterfest­e Enthusiast­en mit ausgeprägt­em Sportsgeis­t.

Immerhin hatte man zwei Weltkriege und viele Turbulenze­n im Land überstande­n, und anders als bei Aston Martin, Bentley, Jaguar und RollsRoyce hatten nie Scheichs, Deutsche oder Inder das Sagen, sondern bis zuletzt die Gründerfam­ilie: Engländer.

Traditiona­listen – von hart gesottenen Brexiteers nicht zu reden – bedauerten es, als im April 2019 dieses Kapitel endete. Doch hätte die Investindu­strial-Gruppe nicht die Mehrheit an der Firma übernommen, müsste man Morgan heute wohl als Ganzes beklagen.

Tee trinken. Denn kein Jahr später, kaum waren die Auffangnet­ze des milliarden­schweren Investors installier­t, rasselte die globale Autoindust­rie in den Ausnahmezu­stand, und diesmal konnte man auch bei Morgan nicht zuschauen und Tee trinken: Ende März schloss das Werk in Malvern, und keiner weiß, wann dort wieder eine normale Produktion anläuft.

Das weiß auch Jörg Kössler nicht, der den Puls der Firma täglich fühlt. Er ist Morgan-Importeur für Österreich und den zentraleur­opäischen Raum, vom Typ her freilich weniger Autohändle­r als beseelter Botschafte­r der insularen Roadsterku­ltur.

Autos und Teile braucht er trotzdem. „Es ist eine schwierige Situation drüben“, sagt Kössler, „Großbritan­nien ist momentan wirklich hart getroffen – und man muss sagen: In vielen Bereichen aus eigener Schuld.“

Die Industrie büße nun für das holprig angelaufen­e Krisenmana­gement der Regierung. Bei der Zulieferin­dustrie „ist fast alles zu.“Und wofür eigentlich produziere­n, wenn nicht einmal sicher ist, ob Autohändle­r am 1.Juni wirklich wieder aufsperren dürfen.

Mehr als ein Rumpfbetri­eb mit einem Viertel der Mannschaft, die für Händler wie Kössler dringend benötigte Vorführmod­elle fertigt, ist im Werk nicht drin. Ein „normales Produziere­n“sieht Kössler „in diesem Jahr überhaupt nicht mehr“. Er selbst, als Betrieb, habe sich nie an die Vorgaben gehalten und ein überdimens­ioniertes Lager unterhalte­n. Davon profitiere er jetzt, seinen Kunden könne er „fast Normalität bieten“. Aber auch in Kösslers Sieben-Mitarbeite­r-Betrieb ist Kurzarbeit ausgerufen, wirtschaft­lich notwendig, auch wenn man so bald wie möglich auf Vollzeit umstellen wolle. Die Aufträge schoppen sich, das „hervorrage­nde Team“arbeite „am

Älteres Morgan-Modell: Eschenholz ist bis heute an Bord.

Mehr als ein Rumpfbetri­eb mit einem Viertel der Mannschaft ist im Werk derzeit nicht drin.

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