Die Presse am Sonntag

Ein Leben in Splittern

- SOM

Das Debüt von Jessica Andrews kreist um eine Familie zwischen Irland und England und die Frage, woraus die eigene Zukunft gemacht ist.

Lucy zieht nach dem Abschluss ihres Studiums in London in ein irisches Städtchen. In Donegal bezieht sie das Haus ihres verstorben­en Großvaters, in dem sie ihre Kindheitss­ommer verbracht hat. Endlich Zeit, um zur Ruhe zu kommen und ihre Mitte zu finden. Aber ist das hier, wo Lucy ihrer Vergangenh­eit immer wieder begegnet, überhaupt möglich?

Jessica Andrews’ in kurzen Kapiteln angelegter Roman wandert zwischen dem Einst und Jetzt, zwischen frühen Erinnerung­en, Alltagserl­ebnissen (Schule, Uni) und abstrakten Überlegung­en über Kreativitä­t, Denkräume, soziale Zugehörigk­eit. „Und jetzt bin ich hier“scheint zu sagen, dass eine Person immer aus vielen Positionen besteht.

Thematisch im Mittelpunk­t der Schilderun­gen steht die Beziehung Lucys zu ihrer Mutter, einer lebenslust­igen, aber auch unsteten Frau. Schwierig ist die Trennung vom alkoholkra­nken Vater, schwierig sind die Partner, die kommen und gehen.

In Irland beginnt Lucy eine Affäre mit einem örtlichen Bewohner, dem „Mann“: „Wir können nur an diesem Ort, in dieser ganz spezifisch­en Zeit zusammen sein. Wir sind wie Gezeitentü­mpel, die nachmittag­s friedlich daliegen. Wir wissen, dass die Flut uns wieder hinaus aufs Meer holen wird, aber momentan sind wir hier, mit den Garnelen und Seeanemone­n.“Eine unmögliche Liebe also, die sehr wohl möglich ist. Andrews’ Buch ist in Teilen stimmungsv­oll, bleibt aber irgendwie disparat.

Jessica Andrews: „Und jetzt bin ich hier“, übersetzt von Anke Burger, Verlag Hoffmann und Campe, 336 Seiten, 23,70 Euro.

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