Mit weit offenen Augen durch die Museen
Langsam sperren sie wieder auf, die großen Museen, nach denen sich so viele gesehnt haben, angeblich. Warum eigentlich? Was suchen wir dort? Existenzielle Berührtheit? Schönheit? Ein erster Rundgang zu Bildern, die einen bewegen.
Man hat es in Gedanken schon getan – den MariaTheresien-Platz überquert, die schwere Holztüre aufgedrückt, die Kuppelhalle durchschritten, den Blick zum Oculus hinauf gerichtet. Die breite Prunkstiege mit diesen vielen flachen Schritten genommen, die einen spätestens ab der Theseus-Gruppe in feierlich-gespannten Rhythmus verfallen lassen. Wir wissen, wohin das führt – in die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen. Dem Herz des Wiener Museumswesens.
Nächsten Samstag, 30. Mai, wird es soweit sein, nach zweieinhalb Monaten wird das KHM wieder aufsperren. Die längste Schließung seit dem Zweiten Weltkrieg, als das Haus 1944 gesperrt wurde und in vollem Umfang erst über 15 Jahre später, im Mai 1960, wieder öffnete. Was sind dagegen nicht einmal drei Monate.
Dennoch wurden die Rufe nach Öffnung der Museen in dieser Krisenzeit schnell laut. Warum eigentlich? Brauchen wir eine kulturelle Rückversicherung in unsicheren Zeiten? Ist es eine Sehnsucht nach Symbolen für existenziell schwer Fassbares? Oder die Lust an purem Eskapismus? Was lockt uns so an diesen kühlen Speicherhallen unserer Zivilisation, die in den vergangenen Jahren die Hochzeit ihrer gar nicht so langen Geschichte feiern durften, mit jährlichen Besucherrekorden?
All jene, die diese Entwicklung mehr mit Grauen denn Interesse verfolgten, dürfen jetzt getrost eines der vielen neuen Jahreskartenangebote lösen. Es sieht nicht so aus, als würden die Museen überrannt werden. Nehmen wir es, wie es ist, jedenfalls auch eine Qualität. Also kommen Sie mit. Gehen wir die erste Runde gemeinsam. Und nehmen uns von den vielen Hoffnungen, die wir an Kunst knüpfen, zum Einstand doch die Schönheit vor.
Albertina Modern. So schön war das Foyer des Künstlerhauses schließlich noch nie. Nicht einmal bei seiner Einweihung 1868, da fehlten etwa die geplanten, aber nicht ausgeführten Stuccolustro-Felder im Stiegenhaus. Ab Mittwoch, 27. Mai, ist die umstrittene neue „Albertina Modern“hier nun endlich geöffnet, ganz still, ohne Zeremonien. Nur eine Ausstellung ist plötzlich da, in der so umfassend wie noch nie versucht wird, den Kanon der österreichischen Kunst von 1945 bis 1980 neu zu schreiben. Mit vielen weniger bekannten (Künstlerinnen-)Namen.
Es ist erstaunlich, wie viel Schönheit man durch den historischen Abstand den Wiener Avantgarden endlich zugestehen kann – den opulenten, das Leben feiernden Schüttbildern Nitschs, den so harmonisch komponierten Aktionsfotos von Brus, den kühlen optischen Verzerrungen einer Helga Philipp oder, am offensichtlichsten, den ins Monströse aufgeblasenen kitschigen Heiligenbildern eines Peter Pongratz.
Der Maler hat uns die gute alte Strategie der Schönheit als Falle 2015 zu seiner Retrospektive im Essl Museum erklärt: „Ich will natürlich schöne Bilder malen. Aber mein Schönheitsbegriff ist nicht unbedingt identisch mit dem, was die Leute schön finden. Daher auch immer wieder dieses ,Ausrutschen‘ auf Blumenbilder und Heiligenbilder, weil ich weiß: Ihr Gfraster, ich werde euch schon erwischen . . .“Übrigens alles Gute zum Achtziger, Peter Pongratz.
Leopold Museum. Die Wiener Avantgarden der Nachkriegszeit sind jedenfalls nicht denkbar ohne ihre Vorgänger
aus Wien um 1900. So ist es nur logisch, wenn auch ein Zufall, dass auch das Leopold Museum am Mittwoch aufsperrt. Schönheit, Abgrund und Wehmut kann man zur Zeit nirgends besser studieren als in der neuen Dauerausstellung der Wiener Moderne. Allein Schieles „Versinkende Sonne“von 1913, einem Gemälde, zu dem Sammler Rudolf Leopold einen besonderen Zugang hatte: An ihm testete der legendäre Schiele-Vertraute Arthur Roessler einst die Empathie dieses 25-jährigen Augenarztes, der 1950 von ihm unbedingt einen Schiele erwerben wollte: „Was sagen Sie zu dem ,Sonnenuntergang?‘“, habe Roessler ihn beim ersten Besuch gefragt, erinnerte sich Leopold: „Ich zögerte einen Moment. ,Sie sagen nur ,Sonnenuntergang‘ zu dem Bild. Daraus geht aber nicht hervor, ob das Bild eine traurige oder eine fröhliche Stimmung vermittelt. Vor diesem Werk müsste man mit aller Schwermut sagen, die Sonne versinkt.‘“Einige Jahre später gehörte das Bild Leopold. Als er es zu Hause auspackte und umdrehte, las er Schieles eigenhändige Titelage: „Versinkende Sonne“.
Es sieht nicht so aus, als würden die Museen in nächster Zeit überrannt.
Unteres Belvedere. Schiele ist ein gutes Beispiel, wie eng die Malerei-Moderne damals mit dem modernen Tanz verbunden war. Im Wiener Kabarett Fledermaus trat damals selbstverständlich die Avantgarde der Tanzkunst auf. Der
Schönheit und Wehmut: Egon Schiele, „Versinkende Sonne“, 1913
vatsammlung stammende, bis jetzt unpublizierte Bild von Massimo Stanzione, „Lot und seine Töchter“. Es ist die einzige bekannte hochformatige Version des in der neapolitanischen Malerei des 17. Jahrhunderts populären alttestamentarischen Motives von Stanzione. Stanzione verstand es, den Realismus Caravaggios mit dem Klassizismus eines Guido Reni und Annibale Carracci zu verbinden. Dies machte ihn zu einem der erfolgreichsten Maler seiner Zeit.
Alles andere als Standard
Auch andere in der Auktion vertretene Künstler wie Jusepe de Ribera und Valerio Castello sprengten den gängigen Bilderkanon. Beim Sujet des büßenden Hl. Dominikus von Ribera zeigt sich kein standardisiertes Bild. Caravaggios Realismus wird in diesem aus einer Madrider aristokratischen Sammlung kommenden Bildnis radikal verstärkt. Zur privaten Heiligenverehrung des Auftraggebers wurde vermutlich ein weiteres von Ribera gemaltes Bild angefertigt, der Heilige Joseph. Valerio Castello wiederum vermochte selbst einem so statischen Thema wie der „Anbetung der Hirten“durch den virtuosen Einsatz von Farbe und dem Akzentuieren dynamischer Faltenwürfe dem Bild einen theatralischen Effekt zu verleihen.
Besonders hervorzuheben ist auch ein Gemälde von einer der ersten nichtadeligen Profi-Malerinnen der Geschichte, von Lavinia Fontana. Die berühmte Porträtistin malte den, wie die Inschrift sagt, 25-jährigen Gerardo Giavarini, der von Papst Clemens VIII. anlässlich seines Bologna-Aufenthaltes zum Pagen ernannt wurde. Die am Bild ebenfalls befindliche Darstellung von Venus und Amor, auf die der Porträtierte zeigt, lässt darauf schließen, dass das Gemälde als Geschenk für die zukünftige Ehefrau des Pagen gedacht war.
Gemälde des 19. Jahrhunderts
Werke des Orientalismus zählen zu den besonderen Höhenpunkten der Auktion von Gemälden des 19. Jahrhunderts. Alberto Pasinis Meisterwerk einer bunten Marktszene fängt gekonnt die Atmosphäre von sommerlicher Hitze, die bunten Gewänder und die aufwendige Architektur ein. Pietro Luchinis elegante Dame aus Konstantinopel genießt hingegen eine Mußestunde fernab des lauten Treibens auf den Straßen. Der aus Bergamo stammende Künstler übersiedelte, wie auch Pasini, nach Konstantinopel und arbeitete dort vor allem als Porträtmaler.
Auch Eugen von Blaas zog es an seinen Sehnsuchtsort Venedig: Der aus einer österreichischen Malerfamilie stammende Künstler lebte und arbeitete hauptsächlich in der Serenissima. Zu seinem beliebtesten Bildthema wurden schöne Venezianerinnen, wovon das in der Auktion angebotene Bildnis bestes Zeugnis abgibt.
Darüber hinaus ist die österreichische Malerei in ihrer großen Breite vertreten: Von frühen Beispielen, wie Markus Pernharts stimmungsvoller Ansicht des Wörthersees, bis zu Olga Wisinger-Florians fulminantem Farbenreigen eines blühenden Gartens in Nizza.
Glanz aus dem Art Déco
Mit einem außergewöhnlichen historischen Schmuckstück aus den 1930er-Jahren kann die Juwelen-Auktion aufwarten. Es handelt sich dabei um ein von Cartier London signiertes Diadem aus Aquamarinen, welches auch als Halsreif getragen werden kann. Insgesamt bietet die Auktion mehr als 20 ausgesuchte Juwelen des Hauses Cartier, ebenfalls auch Arbeiten von Tiffany oder Pomellato, sowie exquisite Diamanten, die nur darauf warten, wieder stolz getragen zu werden.