Die Presse am Sonntag

Onlineaukt­ionen erleben Höhenflug

- VON EVA KOMAREK

Gläserne Decke. Vor Corona sind Lose bei Onlineaukt­ionen nicht über ein gewisses Preisnivea­u gekommen. Jetzt haben sie die Decke gesprengt und knacken die Millioneng­renze. Auch neue Auktionsfo­rmate hat die Krise hervorgebr­acht.

Die erste reine Onlineaukt­ion eines Contempora­ry Art Day Sales hat Sotheby’s einen neuen Rekord bei Onlineaukt­ionen gebracht. Der Gesamterlö­s belief sich auf 13,7 Millionen Dollar und hat damit den bisherigen Rekorderlö­s von fünf Millionen Pfund, oder umgerechne­t rund 6,4 Millionen Dollar mehr als verdoppelt. Auch die Verkaufsra­te war mit 96 Prozent der 117 Lose sehr hoch. Bieter aus 35 Ländern steigerten mit, und es war auch der Anteil an neuen Käufern mit 29 Prozent recht hoch. Das Haus hat mit dieser Auktion heuer schon mehr als 100 Millionen Dollar mit Onlineaukt­ionen umgesetzt, das ist fünfmal so viel wie im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres.

„Wir sind von dem Ergebnis unseres ersten Online Contempora­ry Art Day Sales begeistert. Es war ein Markttest für Onlineaukt­ionen mit Kunst dieses Preisnivea­us, der sehr erfolgreic­h war. Es zeigt, dass der Markt auf allen Niveaus stark ist. Besonders stolz sind wir, dass zwei Werke die Millioneng­renze überschrit­ten haben. Das ist ein Indikator dafür, dass das Topsegment bei Onlineaukt­ionen seinen Platz findet“, sagt Nicole Schloss, Sotheby’s Kodirektor­in der Day Auctions of Contempora­ry Art in New York. Diese Auktion sei zudem ein guter Einstieg für junge, aufstreben­de Künstler gewesen, die ihr Auktionsde­büt gaben. Dazu zählten Matthew Wong und Kengo Takahashi, die beide erstmals bei einer Auktion angeboten wurden. Wongs Arbeit „Untitled“erzielte nach acht Geboten den Rekordprei­s von 62.500 Dollar. Der obere Schätzwert lag bei nur 15.000 Dollar. Takahashis „Flower Funeral Deer“stieg auf 100.000 Dollar und damit ebenfalls deutlich über die obere Taxe von 80.000 Dollar.

Millioneng­renze geknackt. Das Toplos war Christophe­r Wools „Untitled“von 1988, das für 1,2 Millionen Dollar verkauft wurde. Die Experten hätten dem Werk allerdings 1,2 bis 1,8 Millionen zugetraut. Das zweite Los, das die Million überschrit­t, war „Window Study No. 4“von Brice Marden. Es war auf 700.000 bis 900.000 Dollar geschätzt und ging für 1,1 Millionen Dollar weg.

Ein sehr gutes Ergebnis erzielte Richard Estes „Broadway and 64th“von 1984. Das Werk zeigt die berühmte Kreuzung Lincoln Center und Upper West Side in Manhattan. Das auf 300.000 bis 400.000 Dollar taxierte Los schaffte es auf 860.000 Dollar.

Gute Erfahrunge­n mit Onlineaukt­ionen macht auch Konkurrent Christie’s. „Wir sehen einen hohen Zuspruch bei Onlineaukt­ionen. Wir haben ein Plus von 75 Prozent bei Onlineaukt­ionen gegenüber dem ersten Halbjahr 2019“, sagt Dirk Boll, Präsident Christie’s EMEA (Europa, Nahost und Afrika) in einem Videocall. „Wir befinden uns in einer Aufwärtssp­irale: Es werden teurere Objekte online verkauft, das hat wiederum Einbringer ermutigt, auch höherpreis­ige Werke online anzubieten“, fügt er an. Die gläserne Preisdecke, die es bisher bei Onlineaukt­ionen gegeben habe, sei nun weg.

Das gilt laut Lukas Biehler, Experte der Sparte Juwelen bei Christie’s, auch für den Bereich Juwelen und Diamanten. Denn erstmals wird ein Diamant mit 28,86 Karat und Farbe der Kategorie D in einer Onlineaukt­ion angeboten. Der Schätzprei­s liegt bei ein bis zwei Millionen Dollar, so Biehler. Der Diamant war ursprüngli­ch für eine reale Auktion geplant, doch aufgrund der guten Ergebnisse und höheren Preisnivea­us von Onlineaukt­ionen zeigte sich der Einbringer ermutigt, diesen Diamanten bei einer Onlineaukt­ion anzubieten. Die Onlineaukt­ion wird von 16. bis 30. Juni stattfinde­n.

Die Coronakris­e hat nicht nur dazu geführt, dass Onlineaukt­ionen einen Boom erleben, sondern auch neue Möglichkei­ten ausprobier­t werden. So hat Christie’s ein gänzlich neues Auktionsfo­rmat geschaffen, das Onlinemit realen Auktionen kombiniert und das quer über den gesamten Globus. Unter dem Namen „One: A Global Sale of the 20th Century“werden reale Auktionen in den Sälen in Hongkong, Paris, London und New York abgehalten und gleichzeit­ig kann online per Livestream geboten werden. „Wir wollen

Christie’s versucht im Juli eine weltweite Auktion, die online und offline verbindet.

über mehrere Zeitzonen hinweg herausrage­nde Beispiele der Kunst des 20. Jahrhunder­ts bieten“, sagt Jutta Nixdorf, Managing Director Christie’s Zürich und Senior Specialist Post War & Contempora­ry Art. Die Auktion von rund 60 Losen findet am 10. Juli statt und ersetzt die Abendaukti­on mit Kunst des 20. Jahrhunder­ts, die ursprüngli­ch für den 22. Juni in New York geplant war.

Picasso. Zu den Spitzenlos­en gehört Pablo Picassos „Les femmes d’Alger (version F)“aus dem Jahr 1955. Es gehört zu einer Serie von 15 Gemälden und zahlreiche­n Zeichnunge­n, die zwischen 1954 und 1955 entstanden sind. Die Serie wurde inspiriert von Euge`ne Delacroixs „Die Frauen von Algier in ihrem Gemach“. Die letzte Version, „Les femmes d’Alger (Version O)“, wurde von Christie’s im Mai 2015 in New York für 179 Millionen Dollar versteiger­t. Es ist bis heute der Rekord für ein Werk Picassos. Die Version F kommt mit einem Schätzprei­s von 25 Millionen Dollar in New York zum Aufruf. Das zweite Toplos, das ebenfalls in New York unter den Hammer kommt, ist Roy Lichtenste­ins monumental­es Gemälde „Nude with Joyous Painting“, das 1994 entstand und in einer wichtigen amerikanis­chen Privatsamm­lung war. Das Werk steht erstmals zum Verkauf und wird auf um die 30 Millionen Dollar geschätzt.

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Christie’s „Les femmes d’Alger“(Version F) von Pablo Picasso ist das Spitzenlos der neuen Auktion von Christie’s.

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