Die Presse am Sonntag

Als er das zweite Mal heiratete

Wolfgang Schüssel hat eine kurzweilig­e Autobiogra­fie verfasst.

- VON OLIVER PINK

Der Titel „Was. Mut. Macht.“ist ein typischer Schüssel. Der Text hält aber mehr, als der Titel verspricht. Wolfgang Schüssel hat eine kurzweilig­e Autobiogra­fie verfasst. Die Kapitel sind jeweils auch nicht länger als zwei bis drei Seiten. Schüssel springt von der Politik zum Fußball, von der Kindheit zur Opernauffü­hrung. Eine Biografie in kleinen Stücken, in Anekdoten, Erinnerung­en, Gedanken, Betrachtun­gen.

Ein Stück Zeitgeschi­chte auch. Das Scheidungs­kind Wolfgang Schüssel durfte nicht so einfach das elitäre Schottengy­mnasium in Wien besuchen. Erst musste er zum Benediktin­erAbt ins steirische Seckau, damit sich dieser dann beim Benediktin­er-Schulleite­r des Schottengy­mnasiums in Wien für ihn verbürgte. Der Schüler Schüssel musste danach jedes Jahr nach Erhalt des Zeugnisses zum Benediktin­er-Abt nach Seckau fahren, um dort sein Zeugnis vorzuweise­n.

Der Kirche blieb Wolfgang Schüssel kritisch („O heiliger Unsinn des Kirchenrec­hts!“) verbunden. Geheiratet

Wolfgang Schüssel:

„Was. Mut. Macht.“, Ecowin Verlag,

420 Seiten, 26 Euro hat er auch zweimal: Vier Jahre nach der Hochzeit eröffnete ihm der Pater, der Schüssel und seine Frau Gigi getraut hatte, dass er damals einen Formalfehl­er begangen hatte. Also nahm er ihnen das Eheverspre­chen formlos noch einmal ab.

Dann geht es mit Wolfgang Schüssel auf den Montblanc und nach Tibet (Spoiler: Lebensgefa­hr – aber nicht bei ihm). Wir erleben dramatisch­e Momente in seinem Privatlebe­n (die Geburt des Enkelkinde­s) und in der Politik (9/11, die EU-Sanktionen, die CAPrivatis­ierung). Er erzählt, wie ihn der JVP-Chef Sebastian Kurz um eine Diskussion bat – diese fand dann in einer Disco statt. Von Musik liest man überhaupt viel – von klassische­r in erster Linie. Diese Autobiogra­fie ist auch ein Best-of der beglückend­sten Konzerterl­ebnisse im Leben des Wolfgang Schüssel. Und eine neue Stadt, am besten irgendwo in Niederöste­rreich, würde er auch gern bauen.

Wie gesagt: ein kurzweilig­es Buch. Das Langweilig­ste ist der Titel.

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