R, war Werner Kogler«
sind, das kann man so nicht machen. Das müsse kürzer befristet werden. Und nur Kredite. Die 500 Milliarden standen aber außer Streit – interessant. Nun gibt es 750 Milliarden – Zuschüsse und Kredite. Also genau ein Kompromiss im Sinne von der Leyens. Die Frage ist nun, wie das Geld zurückgezahlt wird. Die eine Variante: Die Länder, die haften, müssen das machen. Das werden Länder wie Italien nicht wollen. Die andere: Es muss aus anderen Budgetteilen zurückgezahlt werden. Da müssen aber andere Projekte gekürzt werden. Wird auch keiner wollen. Dritte Variante: Man eröffnet eine neue Eigenmittelquelle – cO2-Zertifikate, Plastiksteuer, was immer. Dann sind wir genau bei dem, was ich immer schon vorgeschlagen habe: dass wir eine neue Eigenmittelquelle eröffnen, womit dann auch diese unsägliche Diskussion um Nettozahler und Nettoempfänger entschärft wäre.
Wer soll denn Angela Merkel Ihrer Meinung nach nachfolgen?
Gute Frage. Es wird jemanden geben. Das ist auch wieder interessant: Die Angela, die sie schon dreimal politisch beerdigt haben, hat nun ihren dritten Frühling. Die Frau ist wirklich gut.
Weil?
Sie ist eine vielfältige, strukturierte Persönlichkeit. Als Ostdeutsche hat sie ein starkes Gefühl für Freiheit, sie hat, früh auf sich allein gestellt, gelernt, gegen den Mainstream zu schwimmen. Sie ist Naturwissenschaftlerin. Ich habe immer gesagt: Naturwissenschaftler lösen Probleme, Juristen – wie ich – suchen welche. Und Merkel ist absolut uneitel. Sie drängt sich nie in den Vordergrund. Und geht erst in die Öffentlichkeit, wenn sie wirklich weiß, was sie will.
Wird die Welt nach Corona eine andere sein? Oder geht es weiter wie vorher?
Es geht nie weiter wie vorher. Sonst wäre es ja auch fad. Und es entspräche auch nicht meinem Gesellschaftsverständnis. Es wird Lehren geben aus dieser Krise, gerade für die Arbeitswelt – Stichwort Home-Office, Flexi-Time, Digitalisierung. Aber ich glaube noch immer, dass der persönliche Kontakt unverzichtbar ist. Social Distancing muss jetzt auch wieder der Vergangenheit angehören. Nähe ist durch nichts zu ersetzen.
Waren die Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, angemessen oder übertrieben? Ich bin kein Experte. Es war zum Teil schmerzhaft, aber wahrscheinlich absolut notwendig. Und das Ergebnis spricht für sich.
Hat diese Regierung nun womöglich auch deshalb so gut funktioniert, weil sie auf den ersten Blick eine eher unlogische ist – mit einer linken Partei und einer rechten Partei? Unter Türkis-Blau mit Innenminister Kickl wäre das wohl schwieriger gewesen. Ändert das den Blick auf Ihre eigene Verhandlungsführung seinerzeit in Bezug auf SchwarzGrün? Hätten Sie damals einen Schritt mehr auf die Grünen zugehen sollen?
Wir haben damals genügend Schritte gemacht. Ich bin ja auch überzeugt davon, dass es damals richtig und der Zeit angepasst gewesen wäre. Wir sind übrigens eine Mitte-Partei und keine rechte Partei. Und auch die Grünen haben Flügel. Es wäre also eine interessante Kombination gewesen. Alexander Van der Bellen wollte, Eva Glawischnig wollte, ja sogar Peter Pilz war nicht dagegen. Aber wer massiv dagegen war, war Werner Kogler. Und zwei Drittel der Funktionäre. Das hat mich jetzt daher auch sehr beeindruckt, wie
Kogler vor seinen Delegierten für den Pakt mit Kurz geworben hat. Mich freut es jedenfalls, dass es jetzt gelungen ist. Mit 17 Jahren Verspätung. Aber besser spät als nie.
Sie sagen, die ÖVP sei eine Mitte-Partei. Wirtschaftspolitisch könnte man sogar sagen: Die ÖVP unter Sebastian Kurz ist im Vergleich zu jener von Wolfgang Schüssel noch weiter in die Mitte gerückt. Um nicht zu sagen nach links.
Nein, nach links sicher nicht.
„Koste es, was es wolle“hätte Wolfgang Schüssel nie gesagt.
Ich bin ja auch geprägt von den Zeitumständen. Als ich Wirtschaftsminister wurde, gab es noch Preisregelungen. Die Paritätische Kommission hat Preise geregelt: Lebensmittel, Energie, Benzin. Alles abgemauschelt. Es gab Marktordnungen mit Quoten. Jeder hatte seinen Schutzzaun um sein kleines Gewerbe. Da gab es dann erst einen gewaltigen Liberalisierungsschub. Ein heftiger Wind. Vor allem auch durch die Mitgliedschaft bei der EU. Das hat uns befreit und auch reicher gemacht. Deswegen habe ich auch nie verstanden, warum dann plötzlich von Neoliberalismus die Rede war. In einem Land mit einer dreißigprozentigen Sozialquote. Die Gleichen, die sonst immer die liberale Demokratie verteidigen, für die ist neoliberal auf einmal eines der hässlichsten Schimpfwörter. Es ist jedenfalls auch in einer Mitte-Partei sehr wichtig, dass man die liberalen Strömungen offensiv verteidigt. Es kann durchaus sein, dass man in einer kritischen Situation wie jetzt der AUA hilft. Ich habe in einer kritischen Situation auch die Bawag gerettet: mit einer gigantischen 900-Millionen-Euro-Spritze des Bundes. Wir haben aber gleichzeitig auch dafür gesorgt, dass die Bank später wiederum in private Hände kommt. Ich finde es völlig in Ordnung, dass man jetzt die Schleusen öffnet, um Massenarbeitslosigkeit zu verhindern, Tausende Konkurse.
Da darf man nicht aufs Geld schauen, das muss man jetzt machen. Aber dann, sobald das einigermaßen rennt, müssen wieder Privatinitiativen und marktwirtschaftliche Mechanismen her. Damit wir nicht wieder in eine Phase des Etatismus verfallen.
Das passiert ja gerade.
Also ich glaube, von diesem Virus ist der Regierungschef nicht befallen. Da ist er immun.
In Ihrem Buch – wie in Ihrem Leben überhaupt – spielen Kunst und Kultur eine große Rolle. Bei den aktuellen Protagonisten in der Politik hat man eher nicht den Eindruck, dass das in deren Leben eine größere Rolle spielen würde.
Ich weiß es nicht. Das ist auch keine Amtsvoraussetzung. Für mich sind Kunst und Kultur Lebensmittel. Ich könnte ohne Musik nicht leben. Ohne Sport übrigens auch nicht.
Aber die Kulturpolitik hatte in der ÖVP früher schon einen höheren Stellenwert.
Na ja, das weiß ich nicht. Ich will die aktuelle Politik auch nicht zu sehr kommentieren. Wer mir jedenfalls leid tut, ist Ulrike Lunacek. Sie ist wirklich ein Opfer geworden von innerparteilichen Intrigen. Und von einer auffallenden, auch peinlichen Distanzierung von zwei wichtigen ihrer eigenen Regierungskollegen – nämlich von Werner Kogler und Rudolf Anschober. Kaum war Ulrike Lunacek weg, sind auf einmal die Lockerungen nur so dahergepurzelt. Wenn man wirklich hätte helfen wollen, hätte man das auch schon vierzehn Tage vorher machen können. Dann hätten sich manche dieser rüpelhaften Rempeleien aus der Kunstszene erübrigen können.
Wo haben Sie den Lockdown verbracht?
In Wien. Und auf meiner Almhütte im Lachtal. Ich habe das Buch fertig gemacht, cello gespielt. Wir haben uns reduziert auf Familie – und auch das hat nicht geschadet.