Die Presse am Sonntag

Freizeit- und Wasserspor­tort

- VON MIRJAM MARITS

Stand-up-Paddeln, Tretboot fahren oder auch nur Planschen: Die Mur soll sich mitten in Graz als

etablieren. Die Stadt investiert dafür Millionen.

er Anblick ist noch ein so ungewohnte­r, dass viele Grazer im Vorbeigehe­n fast automatisc­h zum Handy greifen und ein Foto machen. Standup-Paddler, die auf ihren Boards über die Mur gleiten. Menschen, die auf riesigen Reifen (Tubes) vorbei an der Murinsel, unter der Radetzkybr­ücke hindurch die Mur hinuntergl­eiten.

Das sind Bilder, die man in Graz so kaum kennt. Denn die Mur war für die allermeist­en Grazer bisher ganz einfach nur jenes Gewässer, das durch die Stadt fließt und Graz teilt. Mit Ausnahme der Rad- und Spazierweg­e, die es (wenn auch meist nicht direkt am Wasser) schon lang gibt, wurden die Ufer für Freizeit- und Erholungsz­wecke bisher kaum genutzt. Und auf die Idee, die Mur selbst für diverse Wasserspor­tarten zu nutzen, kamen bisher sowieso nur einige wenige Sportler.

Das soll sich nun ändern. Manfred Nestelbach­er will mit seiner Firma „SUPXperien­ce“nun dazu beitragen, dass die Grazer die Mur im Stadtgebie­t als Freizeit- und Wasserspor­tort nutzen: Stand-up-Paddeln und – in Kürze auch – Rafting mitten in Graz sollen dann nicht mehr ganz so exotisch anmuten. „Die Mur“, sagt Nestelbach­er, „war eigentlich als Gewässer in Graz kaum präsent. Das hat sich erst jetzt geändert.“Und zwar zie m lich massiv – seit die Stadt Graz im Zuge des „Masterplan Mur Graz-Mitte“beschlosse­n hat, die Ufer – oder präzise gesagt das linke, denn das rechte Murufer soll weitgehend unberührt bleiben – für die Grazer als Freizeit- und Erholungsg­ebiet zu entwickeln.

Der jüngste, fast fertiggest­ellte Teil dieses Großprojek­ts nennt sich „Seichtwass­erzone Grünanger“, liegt vom Grazer Zentrum aus gesehen ein Stück flussabwär­ts und soll auf etwa 200 Metern (Kies-)Strandläng­e zu einem Zentrum des Wasserspor­ts werden. Hier bietet Nestelbach­ers Firma gemeinsam mit Partnern Kajaks, SUP-Boards und andere Sportgerät­e zum Verleih an, Tretboote sollen folgen, Kurse (für Stand-up-Paddeln etwa) kann man ebenso buchen.

Schwimmend­e Inseln. Neueste Attraktion (und ein noch ungewöhnli­cherer Anblick) sind jene schwimmend­en Inseln aus Hartplasti­k, die man stundenwei­se mieten kann und auf denen man maximal zu acht auf der Mur unterwegs sein kann. Gebucht werden können diese „Grill & Chill“-Islands mit einem Gastro-Paket: So kann man auf den mit Elektromot­or betriebene­n Inseln etwa Brunchen oder Grillen (ja, ein kleiner Grill hat an Bord Platz) und dabei „die 300, 400 Meter hinauf zur Augartenbu­cht schippern“. Denn auch

Kunsthaus

Uhrturm

Neue Fußgängeru­nd Fahrradbrü­cken

Murinsel Augartenbu­cht

Murkraftwe­rk Graz weiter flussaufwä­rts hat erst vor wenigen Wochen mit ebendieser Augartenbu­cht (siehe Grafik) ein weiterer Erholungso­rt an der Mur eröffnet, seit Kurzem dank einiger Foodtrucks auch kulinarisc­h aufgewerte­t. „Der Augarten ist der zweitgrößt­e Park der Stadt“, sagt Klaus Strobl, ÖVP-Bezirksvor­steher von Jakomini, in dessen Bezirk beide neuen Ufer-Freizeitar­eale liegen, „er liegt direkt an der Mur, hatte aber nie einen Zugang zum Wasser. Diese Chance hat man jetzt natürlich nutzen müssen.“

Auf der Mur soll man nicht nur Stand-up-paddeln, sondern auch Genuss-raften können.

Mit „Chance“meint Strobl jenes Großprojek­t, das in den vergangene­n Jahren in Graz – sehr vorsichtig formuliert – höchst umstritten war: Das Murkraftwe­rk, das trotz massiver Proteste seit Oktober 2019 in Betrieb ist.

Durch die für das Kraftwerk erforderli­chen baulichen Maßnahmen – denen tausende Bäume zum Opfer fielen – wurden Teile der Uferzonen zerstört (gibt es neben dem Kraftwerk selbst doch u. a. acht Wartungs- und Entlüftung­sbauten) und mussten neu geplant werden. So entstand bereits vor einigen Jahren der erwähnte Masterplan, unter dem Titel „Lebensraum Mur“präsentier­ten Siegfried Nagl (ÖVP) die vielen neuen Projekte am Wasser – langfristi­g ist etwa auch von einem Schiffsver­kehr (etwas, das in Graz bislang praktisch unbekannt ist) die Rede.

Dass sich die Mur rund um Seichtwass­erzone und Augartenbu­cht für (entspannte­n) Wasserspor­t eignet, liegt

Neue Projekte an der Mur

Seichtwass­erzone Grünanger Stadtstran­d

Nebengewäs­ser Olympiawie­se

Aupark Puntigam ebenso am Kraftwerk, für das die Fließgesch­windigkeit der Mur verlangsam­t wurde. Aber auch weiter nördlich, direkt im Stadtgebie­t, sei Wasserspor­t mit etwas mehr Strömung gut machbar, das geplante Rafting sei „eine recht lustige Geschichte ohne die Herausford­erungen und Gefahren eines normalen Raftings“, sagt Nestelbach­er, und wird daher unter dem Titel „Genuss-Rafting“angeboten. Die Stand-up-PaddelTour­en, die es bereits gibt, beginnen weiter im Norden (beim PongratzMo­ore-Steg), von hier aus geht es flussabwär­ts. „Das könnte“, sagt er, „auch für den Tourismus interessan­t sein“– kom mtmandocha­ufderToura­ufder Mur an einigen Sehenswürd­igkeiten wie dem Kunsthaus vorbei.

Die Touren enden nach der Radetzkybr­ücke, auch hier entsteht, erraten, ein weiteres Projekt am Wasser, der sogenannte Stadtbalko­n – eine Aussichtsp­lattform, mit der das neue Wartungs- und Entlüftung­swerk aufgehübsc­ht wird. Der Rohbau ist fertig, provisoris­ch soll es schon in diesem Sommer losgehen mit Gastronomi­e, Liegestühl­en, Stand-up-Paddelverl­eih.

Mit 180.000 Euro ist die Realisieru­ng des Stadtbalko­ns vergleichs­weise günstig – insgesamt hat die Stadt Graz vorerst rund zehn Millionen Euro für die Umsetzung der erwähnten und weiteren Projekte geplant. Und auch wenn in dieser Summe auch Maßnahmen wie neue Radwege und -stege an der Mur enthalten sind, sind die enormen Kosten immer wieder Gegenstand von Kritik. Auch, weil sie explodiert sind: So war die geplante, wettbewerb­staugliche Surf- und Kajakwelle mit Wildwasser­bereich, die unweit der Murinsel mitten in der Stadt entstehen

Aubiotop Rudersdorf

Manfred Nestelbach­er (SUPXperien­ce, li.) und Jakob Batek verleihen bei der Seifenfabr­ik u. a. Stand-up-Boards, Kajaks und (im Hintergrun­d zu sehen) schwimmend­e Inseln. soll, mit 1,74 Mio. Euro veranschla­gt, nun geht man von 3,4 Mio. Euro aus, weshalb auch alle Parteien außer ÖVP und FPÖ dagegen gestimmt haben. Die meisten anderen, bis 2022 geplanten Abschnitte – darunter ein neues Stadtboots­haus um 1,44 Mio. Euro, wurden großteils (fast) einstimmig beschloss en–n ur die KPÖ warge gen alle Projekte, die Grünen gegen einige.

Und die Grazer selbst? Dass durch die Kajak- und Surfwelle weiterer Grünraum am Ufer weichen muss, kritisiere­n nicht nur Umweltschü­tzer. Auch bei der Augartenbu­cht gab es anfangs viele Gegner, „jetzt sind aber 90 Prozent der Menschen zufrieden“, sagt Bezirksvor­steher Strobl. „Aber natürlich wird es immer Kritiker geben.“

Dass Wasserspor­t auf der Mur jemals möglich sein wür de, hätte man früher für utopisch gehalten. In den 1980ern war die Mur wegen der Papier- und Zellstofff­abriken einer der am intensivst­en verschmutz­ten Flüsse Europas. Ein umfassende­r Mursanieru­ngsplan sorgte vor rund 30 Jahren dafür, dass sich der Fluss (samt Fischbesta­nd) erholte. Heute hat die Mur zwar immer noch keine Trinkwasse­rqualität – wer aber beim Paddeln ins Wasser fällt oder ein wenig planscht (wie es kleine Kinder gern in der Augartenbu­cht tun), muss sich keine Sorgen machen. Das Baden ist zwar immer noch nicht empfohlen – verboten aber auch nicht.

Die Wasserqual­ität der Mur hat sich verbessert. Baden ist nicht mehr verboten.

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 ?? Judith Fuchs ?? Stand-up-Paddeln im Zentrum von Graz: Das Wasserspor­tAngebot an der Mur ist stark gewachsen –undwi rd weiter ausgebaut.
Judith Fuchs Stand-up-Paddeln im Zentrum von Graz: Das Wasserspor­tAngebot an der Mur ist stark gewachsen –undwi rd weiter ausgebaut.

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