Die Presse am Sonntag

Fleisch wächst nicht auf Bäumen

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Man kennt das bereits. Lebensmitt­elskandale sorgen meist eine Zeit für ein gewisses Unwohlsein. Es wird kurz und heftig debattiert, dass man dieses und jenes ja eigentlich gar nicht mehr essen darf. Teils so intensiv, dass bei vielen ein Gefühl der Ohnmacht entsteht, um dann – weil es eh schon egal ist – so weiterzuma­chen wie bisher. Meist geraten diese Skandale also genauso schnell in Vergessenh­eit, wie sie gekommen sind.

Jetzt hat es (wieder) ein Lebensmitt­el erwischt, das uns besonders emotional berührt: nämlich Fleisch. Wobei es dieses Mal weniger um die Tiere selbst, als die Mitarbeite­r und deren Arbeitsbed­ingungen geht. Der deutsche Fleischpro­duzent Tönnies geriet bekanntlic­h dieser Tage in Kritik, da es unter den Mitarbeite­rn zu einem massiven Anstieg an Coronafäll­en kam.

Dennoch rücken die Vorfälle in Deutschlan­d auch hierzuland­e die Fleischpro­duktion in den Fokus. Österreich stellt sich diesbezügl­ich gern als Insel der Seligen dar, mit einer kleinstruk­turierten Landwirtsc­haft und hohen Tierschutz­standards. Die gibt es auch. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht ebenso Teil eines hoch komplexen und global vernetzten Wirtschaft­szweiges sind. Wir schicken zum Beispiel jene Teile des Schweins, die wir nicht so gern essen, nach Asien, um von dort das geliefert zu bekommen, was wir als Edelteile definieren.

Fünf Millionen Schweine im Jahr. Im europäisch­en Vergleich ist die österreich­ische Fleischpro­duktion sehr klein. „In Österreich werden insgesamt rund fünf Millionen Schweine im Jahr geschlacht­et. Tönnies schlachtet allein an einem Standort 15 Millionen Schweine“, sagt Anka Lorencz, Geschäftsf­ührerin der Bundesinnu­ng der Lebensmitt­elgewerbe in der Wirtschaft­skammer Österreich.

Sie schätzt, dass es rund 90 substanzie­lle Fleischere­ibetriebe in Österreich gibt. Insgesamt liegt die Zahl bei rund 1200 Betrieben, allerdings gehören dazu auch viele ganz kleine Betriebe. „Die größten zehn Betriebe schlachten zirka 90 Prozent der Tiere“, sagt Rudolf Menzl, Innungsmei­ster der Fleischer in Österreich. Dazu gehören die Marcher Fleischwer­ke mit mehreren Standorten in Österreich, Steirerfle­isch, Handlbauer, Fleischhof Raabtal und Großfurtne­r (alle drei in Oberösterr­eich), Grandits in Niederöste­rreich, Alpenrind in Salzburg und Huber in Tirol. Manche Betriebe haben je einen Standort für Schweine und einen für Rinder, andere schlachten beide an einem Standort. (Wer nach China exportiere­n will, braucht zwei separate Standorte, weil Schwein dort nicht gemeinsam mit Rind geschlacht­et werden darf). Bei Geflügel gibt es noch weniger Schlachthö­fe. Bei der Pute nur noch einen in Kärnten.

Im Durchschni­tt hat ein Betrieb 20 Mitarbeite­r. Manche arbeiten nur mit Familienmi­tgliedern, andere mit Fremdarbei­tskräften aus Ungarn, Tschechien und Slowenien. Laut Wirtschaft­skammer ist der Umgang mit Mitarbeite­rn ein anderer als in Deutschlan­d. Nachwuchs ist Mangelware, man sei auf gute Mitarbeite­r angewiesen. Tatsächlic­h sind die Lohnnebenk­osten in Deutschlan­d wesentlich niedriger, auch das ein Grund, warum wir preislich mit deutschem Schweinefl­eisch nicht mithalten können.

„Ich habe einen mittleren Betrieb und schlachte 100 Schweine in der Stunde. Die Großbetrie­be machen 250 in der Stunde. Die meisten schlachten vier Tage die Woche“, erklärt Innungsmei­ster Menzl.

Es gibt auch Große, die aufs Tierwohl achten – und Kleine, die Tiere unnötig quälen.

Wobei die Größe eines Betriebs nichts über Fleischqua­lität oder Tierwohl aussagt. „Das wollen die Leute nicht hören. Aber die Großen sind nicht automatisc­h böse. Es gibt viele Große, die sehr auf Tierwohl achten, weil sich das auf die Fleischqua­lität auswirkt. Und es gibt kleine, die ein Tier quälen, weil sie selten schlachten und keine Routine haben“, sagt Hannes Royer vom Verein „Land schafft Leben“, der sich um Transparen­z in der Lebensmitt­elprodukti­on bemüht.

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