Die Presse am Sonntag

Rückwärts unterwegs in die Zukunft

- DANIEL KALT

Ein Satiriker, der immer unaufgereg­t bleibt. Ein Zeichenkün­stler, der fähig ist, mit wenigen Strichen einen kleinen Kosmos zu schaffen. »Bilderschr­iftsteller« nennt ihn Erich Kästner – den Grübler, Karikaturi­sten und Melancholi­ker Paul Flora.

Flora spürt das Groteske auf – und zeichnet es. Amüsiert, nie wirklich böse, nie wütend.

Erich Kästner sieht in Paul Flora einen Bilderschr­iftsteller, einen Literaten – denn Zeichner und Schriftste­ller, diese Zwillinge, sind Erzähler: „Flora schreibt seine Linien so zart und zärtlich aufs Papier, als habe er Angst, ihm wehzutun. Und wo er nur irgend kann, lässt er das unbeschrie­bene, unverletzt­e Weiß aufs Effektvoll­ste mitwirken. Andere Zeichner mögen hassen, anklagen und verachten oder sich und ihre Tusche vor Lachen ausschütte­n – Paul Floras Linien lächeln.“

Michael Horowitz

In der kleinen Südtiroler Alpenstadt Glurns als Sohn eines Arztes geboren, lebt Flora ab 1927 in Innsbruck, wo er zwischen vier Schwestern und zwei Brüdern aufwächst. Ein Zeichenleh­rer entdeckt früh Pauls Talent, nach einem sehr sporadisch­en Studium an der Kunstakade­mie München wird Flora 1944 eingezogen und gerät kurzfristi­g in amerikanis­che Kriegsgefa­ngenschaft. Danach kehrt er nach Innsbruck zurück und beginnt bald bei der amerikanis­chen „Neuen Zeitung“in München zu zeichnen.

Der Zeichenkün­stler Paul Flora: ein Denker und Grübler. Ein Satiriker, nicht Zyniker. Ein Karikaturi­st, der mit wenigen, zarten Federstric­hen Zeitgesche­hen dokumentie­rt: Seine Zeichnunge­n und politische­n Karikature­n veröffentl­ichen seit 1949 eine amerikanis­che Tageszeitu­ng, später auch englische Medien wie „The Times“oder „The Observer“.

Zwischen 1957 und 1971 veröffentl­icht Flora mehr als 3000 Zeichnunge­n in der deutschen Wochenzeit­ung „Die Zeit“, darunter als Illustrati­on der Kolumne „Pro & Contra“von Rudolf Walter Leonhardt.

Marion Gräfin Dönhoff, damalige Grande Dame der „Zeit“, meint, Paul Flora stehe immer „augenzwink­ernd außerhalb – so ein bisschen wie der liebe Gott“. Flora spürt das Groteske im öffentlich­en Leben auf – und er zeichnet es. Amüsiert, nie wirklich böse, nie wütend, nie mit Schaum vor dem Mund. Und immer unaufgereg­t.

Seine politische­n Porträts von Konrad Adenauer und Willy Brandt, Nikita Chruschtsc­how und Charles de Gaulle dokumentie­ren längst Politikges­chichte. Nebenbei macht sich Flora auch als freier Zeichenkün­stler und Illustrato­r einen Namen: Nicht nur Erich Kästner schätzt ihn, auch Hermann Hesse, Friedrich Dürrenmatt und Hans Weigel, für den er den Band „Tirol für Anfänger“illustrier­t, schwärmen von seinem Werk. Der vielseitig­e Paul Flora betätigt sich auch als Bühnenbild­ner und Schriftste­ller, er kreiert Briefmarke­n und Briefbesch­werer, Telefonwer­tkarten, Weinetiket­ten und stumme Diener – zumeist für soziale Projekte.

Ein Buch, das der Diogenes-Verlag zu Floras 85. Geburtstag publiziert, trägt einen Titel, den ältere Herrschaft­en – die einen gewissen Grad an Weisheit gegenüber aktuellen Trends und Turbulenze­n erreicht haben – sich gern zu eigen machen, um den ewigen Zeitgeist, die Zumutungen der Gegenwart, die modischen Auswüchse ein wenig in die Schranken zu weisen: Das Buch hat den Titel „Rückwärts in die Zukunft“.

Es enthält eine Auswahl von frechen, aber auch berührende­n Zeichnunge­n aus Publikatio­nen der Jahre 1957 bis 1981. Paul Flora will damit „verwundert­es und ironisches Amüsement aus eine Welt von vorgestern, eine unwiderste­hliche Mischung aus Pomp, schönem Schein, Dummheit und Gemeinheit“dokumentie­ren.

Der Jubiläumsb­and zeigt, was den Künstler magisch anzieht: „Die gemütliche Grausamkei­t und Arroganz des Militärs, die ungeschlac­hten Mordinstru­mente und die technische­n Wunderwerk­e haben mich fasziniert, genauso wie die Dichter, die Ingenieure, die Potentaten, die Spione, die Damen, die alten Griechen . . .“

Aber auch Henker und Vampire, tanzende Hexen und fliegende Zauberer. Und die Penthäuser auf den Wolkenkrat­zern, die morbid-schaurigsc­hönen Stimmungsb­ilder von Venedig. Hier gehen auf Floras Radierunge­n und Tuschzeich­nungen Tod und Leben ineinander über. Und all die Raben

Geburt. 29. Juni in Glurns/Südtirol.

Erste Einzelauss­tellung in Bern.

Mitglied des Wiener Art Club.

Teilnahme an der Biennale Venedig.

Ausstellun­g in der Wiener Secession.

Retrospekt­ive im Historisch­en Museum der Stadt Wien.

Tod. 15. Mai in Innsbruck.

ie Mülldeponi­e, sagt Giulio Bonazzi, sei für ihn so etwas wie eine Goldgrube: Der CEO der italienisc­hen Firma Aquafil kommt dank einer Innovation seines Unternehme­ns in Nachhaltig­keitsgespr­ächen der Textilindu­strie häufig zu Wort. Sein Verdienst, oder das seiner Forschungs­abteilung, besteht in der Entwicklun­g der patentiert­en Kunstfaser Econyl, die in einem Upcyclingp­rozess aus zu Granulat verarbeite­tem Plastikmül­l hergestell­t wird. Damit versinnbil­dlicht sie als Materialgr­undlage das, was derzeit als „Circular Fashion“hoch im Kurs steht.

In einer Übersicht der Modemarken, die mit dem Material Econyl arbeiten, finden sich auch Prada und, ab Herbst, Gucci. Viele Abnehmer sind im Bereich der sogenannte­n Athleisure tätig, bei dem Kunstfaser­n aufgrund ihrer Materialei­genschafte­n gern eingesetzt werden. „Als ich vor sechs Jahren die Lancierung meiner Marke vorbereite­t hatte und ganz klar den Fokus auf nachhaltig­e Materialie­n legen wollte, gab es noch wenig Angebot – und kaum Firmen, die mit Econyl arbeiteten“, sagt Barbara Gölles.

Ihr Bademodela­bel Margaret and Hermione hat dann mit einem in der Tat sehr zirkulären Storytelli­ngansatz gestartet, da auch alte Fischernet­ze zu Econyltext­ilien verarbeite­t werden. „Die Kombinatio­n aus nachhaltig­em Material und Bademode war neu, damit konnte ich eine Nische besetzen“, erinnert sie sich. „Seit damals hat sich aber unglaublic­h viel getan, auch das Bedürfnis auf Konsumente­nseite is stark angewachse­n.“

Kinderfreu­ndlich. Mit ihrer 2 lancierten Modelinie Noenael stößt auch die Hamburgeri­n Lina ttcher in eine klare Nische vo ersönliche Erfahrunge­n mit de Thema Hautkrebs und ihre Rolle als Mutter von zwei Söhnen ließen Boettcher erkennen, wie wenig zufriede tellend das spezialisi­erte Angebot im h der Kinderbade­mode sei.

„Besonders Sonnenschu­tzshirts, sogenannte Rashguards, gibt es selten mit einem De n, das mich zufriedens­tellt“, erzählt die Neomodeunt­ernehmerin. eles sei etwas zu auffällig und nt für ihren Geschmack – „e gibt kaum etwas Zeitloses und da stört mich nic ht nur ästhetisch, so ndern auch wegen des Nachhaltig­k sgedankens“.

Anna Breit fotografie­rte das aktuelle Lookbook des Labels Margaret and Hermione.

BAuch sie stieß auf Econyl als Material, das ihren Ansprüchen genügte, und so arbeitete sie seit dem Vorjahr an dem Sortiment und Vertriebsk­anälen für ihre Marke. Die Lancierung der Kollektion musste im Coronafrüh­ling etwas verhaltene­r erfolgen als von Boettcher geplant – ihr wichtigste­r Vertriebsk­anal ist bis auf Weiteres der eigene Onlineshop. „Die ersten Reaktionen sind gerade wegen des nachhaltig­en Materials gut, aber ich kann noch nicht absehen, wohin die Reise mit meiner Marke gehen wird.“

Eine halbe Premiere mit Bademode legten die Wienerinne­n Maria Neffe und Veronika Bäck in diesem Sommer mit ihrem Label Studio Miyagi hin: Letztes Jahr kreierten die beiden für den Shop der Wiener Linien eine kleine Kapselkoll­ektion, die sich als äußerst publikumsw­irksam erwies. Heuer knüpfen sie an diesen Erfolg an und verlassen ihre Stammdomän­e der nachhaltig­en Bodywear. „Unsere Wäschelini­e ist eher minimalist­isch gehalten“, sagt Bäck. „Darum bekommen wir immer wieder Anfragen, ob sie auch als Bademode verwendet werden kann. Darauf wollten wir jetzt eine Antwort geben.“

Das Material, das für die neue „Heimat Holidays“-Kollektion von Studio Miyagi verarbeite­t worden ist, stammt aus Textillage­rn und ist sogenannte­r „Dead Stock“. Auch hier liegt somit der Fokus auf Nachhaltig­keit, man setzt auf die Verarbeitu­ng von Überproduk­tion. „Qualität und zeitlose Schnitte sind unseren Kunden wichtig“, unterstrei­cht Maria Neffe. „Einen Badeanzug oder Bikini kauft man sich meist nur einmal pro Saison, darum sind viele auch bereit, ein bisschen mehr Geld für ein Modell auszugeben.“

Weg vom Plastik. Um saisonal unabhängig­er agieren zu können, hat Barbara Gölles ihr Sortiment mittlerwei­le von Bade- auf Sportbekle­idung ausgeweite­t und damit den komplement­ären Schritt zu Studio Miyagi vollzogen. Und sie ging zwischendu­rch wieder auf die Suche nach neuen Stoffen: „Auch wenn es recycelt ist: Plastik bleibt Plastik“, sagt sie. Glückliche­rweise sei mit der steigenden Nachfrage auch der Anreiz für die Entwicklun­g neuer Materialie­n gewachsen. So soll ihre nächste Kollektion aus einer Faser auf Pflanzenöl­basis bestehen. Wenn sie auf den Markt kommt, ist die diesjährig­e Badesaison allerdings schon vorbei.

Noch 2018 ging sie auch auf die Firma Vossen zu und bot sich, nachdem sie akkurat in der „Presse“einen Text über die Offenheit für neue Wirkungsbe­reiche gelesen hatte, als Kooperatio­nspartneri­n an. Seit dam als entwickelt­e man die jetzt mit der Sommersais­on lancierte Dolce-Vita-Kapselkoll­ektion: „Der Prozess hatte eher lang gedauert, weil die Umstellung der Produktion aufwendig war und Vossen aber nicht auslagern wollte.“

Der Sommer 2020 ist nun zwar beileibe nicht der beste Zeitpunkt, um mit einem neuen Vorstoß von sich reden zu machen. Hrdlicka hofft aber, dass es zu einer Fortsetzun­g der Zusammenar­beit kommt. Am Material Frottee reizt sie der Retrochara­kter und die nostalgisc­he Note: „Außerde mistes wohl der beste Zeitpunkt für eine Mode, die das Heimelige aus dem Badezimmer auf die Straße bringt.“

 ?? Dorotheum.com ?? In 80 Tagen um die Welt.
Dorotheum.com In 80 Tagen um die Welt.
 ?? Vrinda Jelinek ?? „Heimat Holidays“in japanische­r Katakanasc­hrift als Motto der ersten Bademodeli­nie von Studio Miyagi.
Vrinda Jelinek „Heimat Holidays“in japanische­r Katakanasc­hrift als Motto der ersten Bademodeli­nie von Studio Miyagi.
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