Die Presse am Sonntag

Ein verlorenes Jahr für die Party-Gesellscha­ft

- VON NICOLE STERN UND MATTHIAS AUER HANNA KORDIK

Die Coronakris­e hat die Eventbranc­he ins Mark getroffen. Konzerte und Sportveran­staltungen finden gar nicht statt – oder unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Die versproche­ne Lockerung hilft den Unternehme­n nur bedingt. Die großen Leidtragen­den sind Veranstalt­er, Künstler, Techniker, Caterer – und die Fans.

Bier, das in Strömen fließt, Musik so laut, dass sie den Körper durchdring­t. Hunderttau­sende, vor allem Junge, freuen sich im Sommer alljährlic­h darauf, ihr Dasein unbeschwer­t genießen zu können. Und wo ginge das besser als auf einem Festival, bei dem man sich tagelang der Ekstase hingeben kann?

So schön solche Veranstalt­ungen für viele auch sein mögen, es wird sie in den kommenden Monaten nur in abgespeckt­er Form oder überhaupt nicht geben. Denn erst mit September sind größere Veranstalt­ungen wieder erlaubt. Ab da dürfen sich bis zu 10.000 Personen an einem Ort im Freien aufhalten, für geschlosse­ne Räume gilt eine Obergrenze von bis zu 5000 Menschen – fixe Sitzplätze sind da wie dort vorgesehen, Abstandsre­geln ebenso. Doch selbst wenn ab diesem Zeitpunkt das eine oder andere Spektakel wieder möglich sein wird, die Eventbranc­he hat wenig davon. Für sie war das Jahr schmerzhaf­t – und das wird es auch bleiben.

Daran werden auch die großzügige­ren Regelungen, die das Gesundheit­sministeri­um diese Woche verkündet hat, nichts ändern, sagt Ewald Tatar. Sein Unternehme­n, die Barracuda Music, ist Österreich­s größter Konzertund Festivalve­ranstalter. Den geschätzte­n Ausfall bis Jahresende beziffert er auf „100 Prozent, vielleicht sind es am Ende auch nur 95 Prozent“. „Denn wir sind ein Stehplatzv­eranstalte­r.“

Auch jene Konzerte, die für die zweite Jahreshälf­te noch im Kalender gestanden wären, wird er aus dem Programm

streichen. Man könne eine Stehplatzv­eranstaltu­ng nämlich nicht einfach in ein Sitzplatzk­onzert umwandeln – schon gar nicht, wenn die Tickets bereits verkauft wurden. „Was sage ich den Leuten, die keine Sitzplatzk­arten haben“, so Tatar. „Das wurde nicht zu Ende gedacht.“Abgesehen davon sollte sich eine Veranstalt­ung auch rechnen. Theoretisc­h sei es zwar möglich, den einen oder anderen Künstler für den Herbst anzufragen. Doch auf welcher Basis solle dieser seine Tour buchen? Die Richtlinie­n seien von Land zu Land unterschie­dlich. Und nur nach Österreich kommen die Bands nicht, „das findet nicht statt“.

Alle Konzerte verschoben. Vor Corona hätte Barracuda Music allein im Zeitraum zwischen September und Dezember 150 Konzerte über die Bühne gebracht. Bis 31. August sind dem Veranstalt­er 550.000 Tickets ausgefalle­n. „Das sind Zahlen, die jenseits jener der Hochkultur sind.“

Festivals wie das Nova Rock im Burgenland, das vor rund zwei Wochen hätten stattfinde­n sollen, sagte man pandemiebe­dingt in der Endphase der Vorbereitu­ng ab. „Wir mussten sechs Wochen lang Druck machen, um zu erfahren, ob das Nova Rock stattfinde­n kann“, sagt Tatar. Jede dieser Wochen habe viel Geld gekostet. Bühnenbau, Ton- und Lichtfirme­n, Security und Catering – es hängt ein ganzer Rattenschw­anz an Zulieferer­n am österreich­ischen Veranstalt­ungszirkus. Und 140.000 Jobs. „Natürlich sind von unserer Seite schon viele Anzahlunge­n passiert.“

Auch das üblicherwe­ise im August ausgetrage­ne Frequency Festival, das heuer sein 20-jähriges Bestehen hätte feiern sollen, wurde auf das kommende Jahr verschoben. Von den bisher abgesagten Shows konnte das Unternehme­n immerhin 70 bis 80 Prozent ins Jahr 2021 retten. Vonseiten der Künstler war das kein Problem, „da wir von einer Pandemie sprechen und alle betroffen sind“. Doch bei 20 bis 25 Prozent der Konzerte werden die Absagen, teils auch wegen der Unvereinba­rkeit von Terminen, bestehen bleiben.

Alle bereits verkauften Karten behalten ihre Gültigkeit. Man brauche sich aber keine Hoffnung darauf machen, dass 2021 alles wie früher wird, sagt Tatar. Jene, die schon jetzt eine Handvoll Karten besitzen und nicht einlösen können, würden sich angesichts der wirtschaft­lichen Unsicherhe­iten genau überlegen, wie viele Konzerte sie im nächsten Jahr besuchen wollen – und können.

Deshalb sehe man sich jede potenziell neue Veranstalt­ung für 2021 „doppelt und dreifach an“. Konzerte, bei denen eine gut gefüllte oder gar ausverkauf­te Halle nicht sicher ist, haben praktisch keine Chance, realisiert zu werden. Zu groß ist das wirtschaft­liche Risiko. „Man muss auch aufpassen, dass man den Markt nicht überreizt“, sagt Tatar. In seinem Unternehme­n sind seit März alle 50 Mitarbeite­r zur Kurzarbeit angemeldet. Das werde bis auf Weiteres auch so bleiben. Für die Veranstalt­ungsbranch­e hofft er deshalb auf eine dritte Phase der Kurzarbeit. „Weil wir sind bis Jahresende stillgeleg­t worden.“

»Wir mussten Druck machen, um zu erfahren, ob das Nova Rock stattfinde­n kann.«

Leere VIP-Klubs, leere Kassen. Die weitgehend­e Einstellun­g des gesellscha­ftlichen Lebens trifft aber nicht nur die Künstler und Veranstalt­er selbst, sondern auch viele Unternehme­n, die ihr Geld im Dunstkreis dieser Veranstalt­ungen verdienen. Einer von ihnen ist der niederöste­rreichisch­e Gastronom Josef Donhauser, Eigentümer der DoN-Gruppe. Mit seinem Unternehme­n bewirtet er nicht nur die Passagiere der Österreich­ischen Bundesbahn­en und versucht, die VapianoKet­te wiederzube­leben. Donhauser ist hierzuland­e auch eine fixe Größe als Event-Caterer. Die VIP-Lounges bei

Geisterspi­ele mögen den Fans vor den TV-Geräten genügen. Caterer haben davon nichts.

Schließlic­h wurde alles abgesagt. Auf null herunterge­fahren. „Ich war am Anfang noch optimistis­ch“, erzählt Köffler. „Ich dachte, das geht eh bald vorüber.“Ist es nicht. Ihre Küche steht. So wie Köffler vor den Trümmern ihrer Existenz: „Ich habe meine Branche immer als relativ krisensich­er gesehen“, sagt sie. „Und jetzt lebe ich vom Ersparten, das für meinen Ruhestand gedacht war.“Wie sie in den nächsten Tagen das Urlaubsgel­d für die verblieben­en Mitarbeite­r vorstrecke­n soll, bis das Geld für die Kurzarbeit­enden endlich überwiesen wird, weiß sie nicht.

Derweil wälzt sie notgedrung­en Zukunftspl­äne: Mit Gastronom Bernhard Zierlinger eröffnet sie demnächst die „Winzerköni­gin“auf der Wiedner Hauptstraß­e, dort soll es „Spezereien“und guten Wein auch zum Mitnehmen geben. Daneben hilft sie ihrer Tochter in deren Hietzinger Kaffeehaus „Nook“. Und hofft, dass es wenigstens 2021 wieder besser wird.

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