Ein verlorenes Jahr für die Party-Gesellschaft
Die Coronakrise hat die Eventbranche ins Mark getroffen. Konzerte und Sportveranstaltungen finden gar nicht statt – oder unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die versprochene Lockerung hilft den Unternehmen nur bedingt. Die großen Leidtragenden sind Veranstalter, Künstler, Techniker, Caterer – und die Fans.
Bier, das in Strömen fließt, Musik so laut, dass sie den Körper durchdringt. Hunderttausende, vor allem Junge, freuen sich im Sommer alljährlich darauf, ihr Dasein unbeschwert genießen zu können. Und wo ginge das besser als auf einem Festival, bei dem man sich tagelang der Ekstase hingeben kann?
So schön solche Veranstaltungen für viele auch sein mögen, es wird sie in den kommenden Monaten nur in abgespeckter Form oder überhaupt nicht geben. Denn erst mit September sind größere Veranstaltungen wieder erlaubt. Ab da dürfen sich bis zu 10.000 Personen an einem Ort im Freien aufhalten, für geschlossene Räume gilt eine Obergrenze von bis zu 5000 Menschen – fixe Sitzplätze sind da wie dort vorgesehen, Abstandsregeln ebenso. Doch selbst wenn ab diesem Zeitpunkt das eine oder andere Spektakel wieder möglich sein wird, die Eventbranche hat wenig davon. Für sie war das Jahr schmerzhaft – und das wird es auch bleiben.
Daran werden auch die großzügigeren Regelungen, die das Gesundheitsministerium diese Woche verkündet hat, nichts ändern, sagt Ewald Tatar. Sein Unternehmen, die Barracuda Music, ist Österreichs größter Konzertund Festivalveranstalter. Den geschätzten Ausfall bis Jahresende beziffert er auf „100 Prozent, vielleicht sind es am Ende auch nur 95 Prozent“. „Denn wir sind ein Stehplatzveranstalter.“
Auch jene Konzerte, die für die zweite Jahreshälfte noch im Kalender gestanden wären, wird er aus dem Programm
streichen. Man könne eine Stehplatzveranstaltung nämlich nicht einfach in ein Sitzplatzkonzert umwandeln – schon gar nicht, wenn die Tickets bereits verkauft wurden. „Was sage ich den Leuten, die keine Sitzplatzkarten haben“, so Tatar. „Das wurde nicht zu Ende gedacht.“Abgesehen davon sollte sich eine Veranstaltung auch rechnen. Theoretisch sei es zwar möglich, den einen oder anderen Künstler für den Herbst anzufragen. Doch auf welcher Basis solle dieser seine Tour buchen? Die Richtlinien seien von Land zu Land unterschiedlich. Und nur nach Österreich kommen die Bands nicht, „das findet nicht statt“.
Alle Konzerte verschoben. Vor Corona hätte Barracuda Music allein im Zeitraum zwischen September und Dezember 150 Konzerte über die Bühne gebracht. Bis 31. August sind dem Veranstalter 550.000 Tickets ausgefallen. „Das sind Zahlen, die jenseits jener der Hochkultur sind.“
Festivals wie das Nova Rock im Burgenland, das vor rund zwei Wochen hätten stattfinden sollen, sagte man pandemiebedingt in der Endphase der Vorbereitung ab. „Wir mussten sechs Wochen lang Druck machen, um zu erfahren, ob das Nova Rock stattfinden kann“, sagt Tatar. Jede dieser Wochen habe viel Geld gekostet. Bühnenbau, Ton- und Lichtfirmen, Security und Catering – es hängt ein ganzer Rattenschwanz an Zulieferern am österreichischen Veranstaltungszirkus. Und 140.000 Jobs. „Natürlich sind von unserer Seite schon viele Anzahlungen passiert.“
Auch das üblicherweise im August ausgetragene Frequency Festival, das heuer sein 20-jähriges Bestehen hätte feiern sollen, wurde auf das kommende Jahr verschoben. Von den bisher abgesagten Shows konnte das Unternehmen immerhin 70 bis 80 Prozent ins Jahr 2021 retten. Vonseiten der Künstler war das kein Problem, „da wir von einer Pandemie sprechen und alle betroffen sind“. Doch bei 20 bis 25 Prozent der Konzerte werden die Absagen, teils auch wegen der Unvereinbarkeit von Terminen, bestehen bleiben.
Alle bereits verkauften Karten behalten ihre Gültigkeit. Man brauche sich aber keine Hoffnung darauf machen, dass 2021 alles wie früher wird, sagt Tatar. Jene, die schon jetzt eine Handvoll Karten besitzen und nicht einlösen können, würden sich angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten genau überlegen, wie viele Konzerte sie im nächsten Jahr besuchen wollen – und können.
Deshalb sehe man sich jede potenziell neue Veranstaltung für 2021 „doppelt und dreifach an“. Konzerte, bei denen eine gut gefüllte oder gar ausverkaufte Halle nicht sicher ist, haben praktisch keine Chance, realisiert zu werden. Zu groß ist das wirtschaftliche Risiko. „Man muss auch aufpassen, dass man den Markt nicht überreizt“, sagt Tatar. In seinem Unternehmen sind seit März alle 50 Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet. Das werde bis auf Weiteres auch so bleiben. Für die Veranstaltungsbranche hofft er deshalb auf eine dritte Phase der Kurzarbeit. „Weil wir sind bis Jahresende stillgelegt worden.“
»Wir mussten Druck machen, um zu erfahren, ob das Nova Rock stattfinden kann.«
Leere VIP-Klubs, leere Kassen. Die weitgehende Einstellung des gesellschaftlichen Lebens trifft aber nicht nur die Künstler und Veranstalter selbst, sondern auch viele Unternehmen, die ihr Geld im Dunstkreis dieser Veranstaltungen verdienen. Einer von ihnen ist der niederösterreichische Gastronom Josef Donhauser, Eigentümer der DoN-Gruppe. Mit seinem Unternehmen bewirtet er nicht nur die Passagiere der Österreichischen Bundesbahnen und versucht, die VapianoKette wiederzubeleben. Donhauser ist hierzulande auch eine fixe Größe als Event-Caterer. Die VIP-Lounges bei
Geisterspiele mögen den Fans vor den TV-Geräten genügen. Caterer haben davon nichts.
Schließlich wurde alles abgesagt. Auf null heruntergefahren. „Ich war am Anfang noch optimistisch“, erzählt Köffler. „Ich dachte, das geht eh bald vorüber.“Ist es nicht. Ihre Küche steht. So wie Köffler vor den Trümmern ihrer Existenz: „Ich habe meine Branche immer als relativ krisensicher gesehen“, sagt sie. „Und jetzt lebe ich vom Ersparten, das für meinen Ruhestand gedacht war.“Wie sie in den nächsten Tagen das Urlaubsgeld für die verbliebenen Mitarbeiter vorstrecken soll, bis das Geld für die Kurzarbeitenden endlich überwiesen wird, weiß sie nicht.
Derweil wälzt sie notgedrungen Zukunftspläne: Mit Gastronom Bernhard Zierlinger eröffnet sie demnächst die „Winzerkönigin“auf der Wiedner Hauptstraße, dort soll es „Spezereien“und guten Wein auch zum Mitnehmen geben. Daneben hilft sie ihrer Tochter in deren Hietzinger Kaffeehaus „Nook“. Und hofft, dass es wenigstens 2021 wieder besser wird.