Krisenauswirkungen auf Immobilienmärkte
Wie wird sich die Coronakrise in der österreichischen Immobilienlandschaft bemerkbar machen? Eine Marktanalyse von Spezialisten mehrerer EHL Unternehmen.
Auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich für Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin EHL Wohnen, immer klarer, dass die Krise vor allem auf die Angebotsseite recht deutlichen Einfluss haben wird: „Gründe dafür sind Verzögerungen auf den Baustellen, spürbar längere Bearbeitungszeiten von Projekten auf Behördenseite und vor allem eine restriktivere Finanzierungspolitik seitens der Banken sowie große Vorsicht der Projektentwickler.“Bei der Zahl der Baubewilligungen und damit den Fertigstellungen in den Jahren 2022 und 2023 werde es einen signifikanten Rückgang geben. Nachfrageseitig geht Bauernfeind von dämpfenden Effekten durch eine steigende Arbeitslosigkeit und sonstige wirtschaftliche Verschlechterungen aus – in moderatem Ausmaß, da der strukturelle Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum in städtischen Lagen bestehen bleibt.
Büro- und Einzelhandelsmarkt
Auf dem Büromarkt erwartet Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien, eine Reihe von zeitlichen Verschiebungen von Anmietungen sowie Absagen von Umzugs- und/oder Expansionsplänen. „Mieter werden den Kostenaspekt wieder stärker in den Fokus rücken und Vermieter dem wohl mit unterstützenden Incentive-Paketen Rechung tragen.“Nicht unterschätzt werden sollten laut Wernhart die strukturellen Auswirkungen auf den Büromarkt: „Die gegenwärtige Pandemie könnte zu einer tiefgreifenden Umwälzung der Arbeitswelt führen. Die Digitalisierung wird deutlich rascher voranschreiten und analog zum Onlinehandel wird auch die Bedeutung des virtuellen Büros bzw. Heimarbeitsplatzes deutlich zunehmen.“Wernhart rechnet zudem u. a. mit einer geringeren Nachfrage nach Co-Working-Flächen und einer künftig noch penibleren Bankenprüfung von Finanzierungen für neue Büroprojekte.
Für Einzelhändler, Gastronomiebetriebe und Dienstleistungsunternehmen wird laut Mario Schwaiger, Bereichsleiter Einzelhandelsimmobilien, die Nagelprobe sein, wenn die Händler nach dem Ende der staatlichen Unterstützungen wieder auf sich selbst gestellt sind und kostendeckende Umsätze erzielen müssen. Schwere Zeiten drohen vielen durch die generelle wirtschaftliche Unsicherheit, ausbleibende Touristen und den Trend vom filialgebundenen Handel zum Onlineeinkauf. „Für Einzelhandelsimmobilien bedeutet das, dass es auf absehbare Zeit nur reduzierte Nachfrage nach neuen Flächen geben wird. Diese wird die Ausdünnungen bestehender Filialnetze, Verkleinerungen der durchschnittlichen Filialgrößen und Insolvenzen nur zu einem geringen Teil ausgleichen können“, so Schwaiger. Die Folgen: steigende Leerstandraten und Druck auf die Mieten. „Immobilieninvestoren
werden daher noch stärker als bisher Alternativnutzungen ins Auge fassen müssen.“
Investoren suchen Sicherheit
Auf dem Investmentmarkt geht Franz Pöltl, Geschäftsführer Investment Consulting, künftig von einer stärkeren Differenzierung der Preise aus: „Die Renditen für Projekte, die langfristig gesicherte Cashflows bringen, könnten sogar noch etwas profitieren, aber generell werden die Risikoaufschläge tendenziell steigen.“Die relativ stabilsten Aussichten bestünden für die von Konjunkturentwicklungen weniger abhängigen Wohninvestments. Stark nachgefragt sind laut Pöltl auch alle Arten von Logistikimmobilien, insbesondere jene, die den derzeit boomenden Onlinehandel bedienen. „Büroobjekte mit langfristigen Mietverträgen mit bonitätsstarken Mietern werden ebenfalls weiter gesucht sein. Bei Einzelhandelsimmobilien besteht derzeit insbesondere Nachfrage nach Objekten, die der erweiterten Nachversorgung dienen. Der Investmentmarkt für Hotels wird wohl erst wieder nach Aufhebung der internationalen Reisebeschränkungen und Einschränkungen für Veranstaltungen wie Messen, Kongresse oder Festspiele anlaufen“, so Pöltl, der im Übrigen damit rechnet, dass die internationale Investment Community sehr bald wieder auf dem vergleichsweise stabilen österreichischen Markt präsent sein wird.