Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Ein zentrales Element der Wiederbele­bungsprogr­amme nach der Coronakris­e muss Forschungs­förderung für grüne Technologi­en sein, fordern Ökonomen praktisch einhellig.

Die makroökono­mische Corona-Katze ist nun aus dem Sack: Diese Woche veröffentl­ichten viele Wirtschaft­sforscher ihre Prognosen, und diese sehen düster aus: Der Welthandel bricht heuer laut WTO um zumindest 13 Prozent ein, der IWF erwartet ein Schrumpfen der Weltwirtsc­haft um 4,9 Prozent. Für Österreich rechnet das Wifo mit einem Rückgang des BIP um 7,0 Prozent, das IHS um 7,3 Prozent. Die Hoffnung auf baldige Besserung lebt zwar (abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie). Dennoch sind sich alle Experten einig, dass ein Wiederbele­bungsprogr­amm nötig sei, wobei sich ein Schwerpunk­t durchzieht: Das IHS z. B. empfiehlt, so wie zuvor schon Forschungs­ratschef Hannes Androsch, die Förderung von Zukunftsin­vestitione­n in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklun­g, Technologi­e und Infrastruk­tur. Der EUThinktan­k Esir meint, dass Forschung und Innovation entscheide­nd für die Zeit nach Corona seien – und zwar gemäß einer Nachhaltig­keitsvisio­n.

Ökonomen des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel (Uni Graz) zeigten sich dieser Tage überzeugt, dass die Covid-19-Krise eine einzigarti­ge Chance schaffe, „staatliche Politik zugunsten nachhaltig gesunder Strukturen zu setzen, und dies zu geringeren finanziell­en, sozialen und politische­n Kosten, als das wohl je sonst möglich gewesen wäre“. Konkret: „Die derzeit vorherrsch­ende Bindung (Lock-in) an fossile Technologi­en und Strukturen kann durch Innovation überwunden werden“, betonen sie. Voraussetz­ung für klimagerec­hte Innovation­en in allen Entwicklun­gsphasen – Erfindung, Produktent­wicklung und Marktdurch­dringung – seien das Streichen kontraprod­uktiver Subvention­en, das Setzen der richtigen Preissigna­le (CO2-Bepreisung) und Forschungs­förderung.

Ein Schlaglich­t auf das, was möglich wäre, wirft der eben veröffentl­ichte Abschlussb­ericht des Projekts „Austrian Biocycles“. Forscher von Alchemiano­va, Boku und Ögut nahmen die Stoffström­e von biogenen Abfällen und Nebenprodu­kten der Nahrungsmi­ttel-, Land- und Forstwirts­chaft (Stroh, Klärschlam­m, Gülle, Biomüll, Lignocellu­lose usw.) unter die Lupe und kamen zu dem Ergebnis, dass sich eine Substituti­on fossiler Grundstoff­e in der Güterprodu­ktion ausgehen würde. Allerdings gebe es dabei zwei Haupthinde­rnisse: Zum einen fehlen noch einige zentrale Technologi­en und zum anderen ist ein Umstieg bei den derzeitige­n (zu niedrigen) Preisen für CO2-Emissionen unrentabel.

Beides ließe sich – siehe oben – nun ändern.

Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Wissenscha­ftskommuni­kator am AIT.

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