Die Presse am Sonntag

Ungehörte Worte

- MPM

Die Australier­in Emma Viskic lässt in »No Words« ihren gehörlosen Ermittler Caleb zurück in seine Heimatstad­t. Ein spannender Fall – wenn auch kein echter Pageturner.

Es ist zu dunkel in der schmalen Gasse, er sieht ihre Lippen kaum und versteht nicht, was die verzweifel­te junge Frau ihm mitteilen will. „Familie“kann der gehörlose Caleb Zelic von ihren Lippen lesen, viel mehr nicht, wenige Augenblick­e später ist die Frau tot. Was wollte sie ihm so dringend sagen – und wieso gerade ihm?

Nach nur wenigen Sätzen ist man als Leser mittendrin im zweiten Fall des gehörlosen Privatermi­ttlers Caleb. Um die Hintergrün­de zu klären, muss Caleb von Melbourne zurück in seinen Heimatort Resurrecti­on Bay. Dort trifft er nicht nur auf seine Noch-Frau Kat, sondern auch auf zweifelhaf­te Biker, die den Ort terrorisie­ren.

Für den ersten Fall („No Sound. Die Stille des Todes“) ist die australisc­he Autorin Emma Viskic in ihrer Heimat mehrfach ausgezeich­net worden. Der Fortsetzun­g kann man auch ohne Band eins problemlos folgen. Wer sich allerdings für die Thematik interessie­rt, sollte womöglich mit dem ersten Teil beginnen, der zweite ist voller Spoiler.

Durchwegs aus der Perspektiv­e Calebs erzählt, ist Viskic ein spannender, wiewohl eher ruhig erzählter Thriller gelungen, kein Pageturner im klassische­n Sinn, der schweren Themen – vor allem dem Rassismus gegenüber den Ureinwohne­rn – viel Platz einräumt. Zwischendu­rch blitzt, für einen Thriller durchaus überrasche­nd, ganz feiner Humor auf. Dass Calebs Wahrnehmun­g durch seine Gehörlosig­keit eingeschrä­nkt ist, macht die Lektüre noch einmal spannender.

Emma Viskic: „No Words. Die Sprache der Opfer“, übersetzt von Ulrike Brauns, Piper, 336 Seiten, 15,50 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Austria