Unbeschwert wird dieser Sommer nicht ganz
Selbst betreuen, Feriencamps oder doch die Großeltern? Der Coronasommer stellt Eltern vor Herausforderungen. Vor allem Unsicherheiten bei der Planung und späte Zusagen belasten. Und was ist, wenn im Ferienlager ein Coronafall auftritt?
Nikolaus und Sophia freuen sich auf die Ferien. Trotz allem. Wegen der unregelmäßigen Schulzeiten und des fehlenden Schlafrhythmus waren sie zuletzt wahnsinnig müde, wenn sie in der Früh aus dem Bett mussten. Im Sommer heißt es für den Zweitklässler und seine sechsjährige Schwester nun wieder: jeden Tag ausschlafen.
Dennoch wird nichts sein wie in früheren Jahren, wenn Zigtausende österreichische Schüler sich am kommenden Freitag ihr Zeugnis abholen. Der Moment, auf den die Kinder normalerweise monatelang hinfiebern, markiert heuer nur das Ende eines chaotischen Sommersemesters, das zum großen Teil ohnehin aus Arbeiten von zu Hause bestand. Zu Beginn des Coronasommers sind Eltern verunsichert: Sollen wir überhaupt auf Urlaub fahren? Aus Angst vor einer Stornierung, die besonders bei Ausbruch einer wahrscheinlichen, zweiten Welle droht, haben viele noch gar nicht gebucht. Die Anfragen für Betreuungseinrichtungen und Camps während der Sommermonate sind deshalb enorm – doch auch hier gibt es Einschränkungen. Ein spontaner Besuch im Freibad dürfte an heißen Wochenenden wegen der beschränkten Ticketvergabe an den Kassen kaum möglich sein, und auch die Großeltern fallen in diesem Jahr bei vielen Familien als Betreuungsmöglichkeit noch weg. Freilich nicht bei allen.
Nikolaus, Sophia und ihre zweijährige Schwester Philippa machen nun erst einmal Urlaub in Tirol. Die Eltern hoffen, dass die Bäder dort nicht so überfüllt sind wie wohl schon bald in Wien. Danach besuchen die beiden
Großen für eine Woche ein Tenniscamp in der Hauptstadt. Angst vor einer Ansteckung bei anderen Kindern hat die dreifache Mutter nicht: „Die Aktivitäten rund um das Camp finden alle draußen statt, auch die Mahlzeiten“, sagt Teresa. Natürlich sei es schwierig, jüngeren Kindern die Abstandsregeln zu vermitteln, dennoch bräuchten sie aber den Kontakt zu Gleichaltrigen.
Besondere Rücksicht nimmt die Familie nach wie vor auf die Großeltern. Der sonst übliche, gemeinsame Urlaub an der Adria ist heuer gestrichen. Grado muss warten. „Meine Eltern wollen auf keinen Fall in ein großes Hotel mit Speisesaal und Buffet fahren“, so Teresa. Stattdessen urlaubt die Familie dieses Jahr in einem Appartementhaus am ruhigen Weißensee, wo auch selbst gekocht und der Kontakt zu anderen Personen vermieden werden kann, wenn es der Familie sicherer erscheint.
Die Oma hilft aus. Bei Margret und ihrer Familie in der Steiermark wird auch im Sommer die Oma immer wieder einspringen und auf den ältesten Sohn, einen Viertklässler, und die Zwillinge in der ersten Klasse Volksschule aufpassen. Während des Lockdown hätte man den Kontakt vermieden, aber jetzt nicht mehr. „Wir haben sieben bestätigten Fälle bei uns im Bezirk gehabt.“Nachsatz: „Aber wir halten trotzdem Abstand und Umarmungen lassen wir weg.“Vorsichtig müssen sie sein: Ihr Mann leitet das örtliche Altenheim, sie arbeitet halbtags auf der Gemeinde. Ihr Vorteil bei der Kinderbetreuung: Ihre Arbeit ist 50 Meter von ihrem Haus entfernt. In der Nachbargemeinde gibt es heuer erstmals durchgängig Betreuung für Volksschulkinder, nur auf die werden sie gar nicht zurückgreifen. Die drei Wochen Urlaub verbringt die Familie daheim im Garten oder bei Tagesausflügen. „Wenn das Wetter passt, sehen wir einem entspannten Sommer entgegen.“Wer nicht das Glück hat, einen eigenen Garten zu haben, muss – so der Urlaub der Krise zum Opfer fällt – mit seinen Kindern freilich an öffentliche Plätze ausweichen. In Coronazeiten durchaus eine Herausforderung, denn die Badeplätze dürften sich besonders an sonnig-heißen Wochenenden schnell füllen. Lange Schlangen vor und im Bad und Staus bei der Abfahrt sind garantiert. Das RegenwetterProgramm ist ohnehin nur etwas für jene, die kaum noch Angst vor Ansteckung haben. Während der Sommerferien werden in den Städten jedenfalls mehr Einheimische sein als sonst.
Der sonst übliche, gemeinsame Urlaub an der Adria ist heuer gestrichen.
Nachgefragte Tagesbetreuung Das belegen auch schon Zahlen. Die Summer City Camps, die die Stadt Wien für alle Volksschulkinder und Jugendliche veranstaltet, die nicht im Sommer im Hort betreut werden, besuchen heuer um 1000 Kinder mehr als im Jahr davor. Insgesamt sind es 7000 Kinder und Jugendliche, die sich angemeldet haben, sie bleiben zum Teil deutlich mehr Wochen als sonst, heißt es aus dem zuständigen Stadtratbüro von Jürgen Czernohorszky (SP). Die Summer City Camps (in denen es heuer auch erstmals Lernförderung für Volksschüler geben wird) sind nicht mit den Sommerschulen der Regierung zu verwechseln, die in der Kritik stehen, weil sie nur für Kinder mit Deutschförderbedarf sind. Nicht einmal zwei Prozent aller Schüler werden die Sommerschule besuchen, Förderbedarf (in anderen Fächern) hätten nach dem Lockdown wohl nicht nur sie.
Die städtischen Kindergärten haben ohnehin offen, dort ist aber der Status quo vor dem Lockdown noch nicht wiederhergestellt. Nur 55 Prozent der Kinder besuchen wieder die Kindergärten. Auch in Schulen können Eltern entscheiden, ob sie weiter zu Hause unterrichten. Dort, so eine Sprecherin, würden aber deutlich weniger Kinder fehlen. In der St. Nikolausstiftung, Wiens größtem Privatkindergartenträger, wurde der Betreuungsbedarf bei den Eltern erhoben. Normalerweise
schließen zwei Drittel der Kindergärten im Sommer für drei Wochen. Heuer bleiben einige dieser Kindergärten offen. „Aber es ist relativ überschaubar“, so eine Sprecherin.
Doch nicht nur Wien, auch die Bundesländer haben Geld in die Hand genommen, um mehr Ferienbetreuung zu organisieren – zum Teil mit längeren Öffnungszeiten oder mehr Unterstützungen für Vereine. Was jahrelang nicht möglich war, geht jetzt auf leicht.
Hochbeete im Garten. Rainer und seine Frau Laura hatten schon vor der Coronakrise keine Pläne, ihren Sommerurlaub im Ausland zu verbringen. Die beiden Kinder Klara und Matteo gehen noch in den Kindergarten, der im August drei Wochen zusperrt. Dann will die Familie für sieben Tage in ein Appartement an den Traunsee fahren. Rainer aber hält nichts davon, sich von der Arbeit direkt in den Urlaub zu stürzen. Er hat umgedacht, lässt es nun ruhiger angehen und hat in den letzten Monaten Hochbeete im Garten angelegt und Gemüse angepflanzt.
Die kommenden Wochen will er mit seinen Kindern bewusst zu Hause in Tulln verbringen. „Hier gibt es für die Kleinen so viel zu entdecken“, sagt er. „Fernreisen können wir in fünf oder sechs Jahren auch wieder machen.“Schade findet es der zweifache Familienvater nur, dass nicht mehr Menschen den positiven Effekt der Krise sehen und das eigene Land erkunden oder gleich ganz zu Hause bleiben. Dass Menschen um einen Spottpreis an ihr Urlaubsziel fliegen könnten, sei falsch und völlig kontraproduktiv, meint Rainer.
„Der weltweite Massentourismus ist etwas Fürchterliches. Insofern hat die Coronakrise auch ihre guten Seiten.“Wenn der Kindergarten im August geschlossen ist, werden auch Rainers Eltern auf Klara und Matteo aufpassen, obwohl beide gesundheitlich vorbelastet sind. Sie hätten aber keine Angst, sich bei den Kleinen anzustecken, sagt Rainer.
Auch im Kindergarten selbst sei das Virus derzeit überhaupt kein Thema
mehr – jedenfalls unter den Erziehungsberechtigten. „Wir Eltern stehen normal zusammen, ganz wie früher. Vielleicht ist das nicht so klug“, sagt er. „Aber keine Mutter und kein Vater hat Corona zuletzt mir gegenüber angesprochen.“
In vielen Familien helfen die Großeltern im Sommer wieder bei der Kinderbetreuung.
Ein riesiges Thema ist das Virus dafür bei den Veranstaltern von Jugendcamps. Tatsächlich zählen die Camps diverser Organisationen noch zu den größten Unsicherheiten für viele Eltern. Viele der geplanten Ferienlager finden auch eine Woche vor Ferienbeginn noch nicht sicher statt – oder wurden bereits abgesagt. Gerade für berufstätige Eltern birgt das Stress. Immerhin müssen sie ihre Kinder versorgt wissen. Und ein bisschen Abstand von daheim und der Familie tut manchen wohl auch gut. „Wir hatten jetzt genug Familienzeit“, sagte eine Mutter unlängst zur „Presse am Sonntag“erschöpft.
Doch die Regierung hat verhältnismäßig spät praktikable Regeln für Ferienlager geschaffen. Seither versuchen gerade die ehrenamtlich durchgeführten Camps wie jene der Jungschar oder der Pfadfinder noch etwas auf die Beine zu stellen. Nicht alle schaffen es, gerade wenn das Camp Anfang Juli stattfinden hätte sollen. Anstatt der Camps bieten manche dafür Tages- oder nur Nachmittagsbetreuung, um die Kinder nicht zu enttäuschen. „Es wird Sommerlager geben, aber weniger als im Vorjahr. Aber bei denen, die stattfinden können, ist die Nachfrage sehr groß“, sagt Isabella Steger von der Bundes Jugend Vertretung (BJV) die sich für die Durchführung der Camps stark machten. Bedenken seitens der Eltern gebe es offenbar kaum.
Vielleicht, weil die Camp-Organisatoren wirklich gefordert sind, um Sicherheitsstandards einzuhalten. Vor allem, wenn die Camps mit Übernachtung sind. Erlaubt sind nur Kleingruppen von 20 Personen, die sich ohne Abstand und ohne Mund-NasenSchutz bewegen dürfen.
Traude Rochowanski, 36 Jahre alt, studierte Astrophysikerin und Leiterin der Pfadfindergruppe 23 „St. Calasanz“