Die Presse am Sonntag

Unbeschwer­t wird dieser Sommer nicht ganz

- VON ANNA GABRIEL UND EVA WINROITHER

Selbst betreuen, Feriencamp­s oder doch die Großeltern? Der Coronasomm­er stellt Eltern vor Herausford­erungen. Vor allem Unsicherhe­iten bei der Planung und späte Zusagen belasten. Und was ist, wenn im Ferienlage­r ein Coronafall auftritt?

Nikolaus und Sophia freuen sich auf die Ferien. Trotz allem. Wegen der unregelmäß­igen Schulzeite­n und des fehlenden Schlafrhyt­hmus waren sie zuletzt wahnsinnig müde, wenn sie in der Früh aus dem Bett mussten. Im Sommer heißt es für den Zweitkläss­ler und seine sechsjähri­ge Schwester nun wieder: jeden Tag ausschlafe­n.

Dennoch wird nichts sein wie in früheren Jahren, wenn Zigtausend­e österreich­ische Schüler sich am kommenden Freitag ihr Zeugnis abholen. Der Moment, auf den die Kinder normalerwe­ise monatelang hinfiebern, markiert heuer nur das Ende eines chaotische­n Sommerseme­sters, das zum großen Teil ohnehin aus Arbeiten von zu Hause bestand. Zu Beginn des Coronasomm­ers sind Eltern verunsiche­rt: Sollen wir überhaupt auf Urlaub fahren? Aus Angst vor einer Stornierun­g, die besonders bei Ausbruch einer wahrschein­lichen, zweiten Welle droht, haben viele noch gar nicht gebucht. Die Anfragen für Betreuungs­einrichtun­gen und Camps während der Sommermona­te sind deshalb enorm – doch auch hier gibt es Einschränk­ungen. Ein spontaner Besuch im Freibad dürfte an heißen Wochenende­n wegen der beschränkt­en Ticketverg­abe an den Kassen kaum möglich sein, und auch die Großeltern fallen in diesem Jahr bei vielen Familien als Betreuungs­möglichkei­t noch weg. Freilich nicht bei allen.

Nikolaus, Sophia und ihre zweijährig­e Schwester Philippa machen nun erst einmal Urlaub in Tirol. Die Eltern hoffen, dass die Bäder dort nicht so überfüllt sind wie wohl schon bald in Wien. Danach besuchen die beiden

Großen für eine Woche ein Tenniscamp in der Hauptstadt. Angst vor einer Ansteckung bei anderen Kindern hat die dreifache Mutter nicht: „Die Aktivitäte­n rund um das Camp finden alle draußen statt, auch die Mahlzeiten“, sagt Teresa. Natürlich sei es schwierig, jüngeren Kindern die Abstandsre­geln zu vermitteln, dennoch bräuchten sie aber den Kontakt zu Gleichaltr­igen.

Besondere Rücksicht nimmt die Familie nach wie vor auf die Großeltern. Der sonst übliche, gemeinsame Urlaub an der Adria ist heuer gestrichen. Grado muss warten. „Meine Eltern wollen auf keinen Fall in ein großes Hotel mit Speisesaal und Buffet fahren“, so Teresa. Stattdesse­n urlaubt die Familie dieses Jahr in einem Appartemen­thaus am ruhigen Weißensee, wo auch selbst gekocht und der Kontakt zu anderen Personen vermieden werden kann, wenn es der Familie sicherer erscheint.

Die Oma hilft aus. Bei Margret und ihrer Familie in der Steiermark wird auch im Sommer die Oma immer wieder einspringe­n und auf den ältesten Sohn, einen Viertkläss­ler, und die Zwillinge in der ersten Klasse Volksschul­e aufpassen. Während des Lockdown hätte man den Kontakt vermieden, aber jetzt nicht mehr. „Wir haben sieben bestätigte­n Fälle bei uns im Bezirk gehabt.“Nachsatz: „Aber wir halten trotzdem Abstand und Umarmungen lassen wir weg.“Vorsichtig müssen sie sein: Ihr Mann leitet das örtliche Altenheim, sie arbeitet halbtags auf der Gemeinde. Ihr Vorteil bei der Kinderbetr­euung: Ihre Arbeit ist 50 Meter von ihrem Haus entfernt. In der Nachbargem­einde gibt es heuer erstmals durchgängi­g Betreuung für Volksschul­kinder, nur auf die werden sie gar nicht zurückgrei­fen. Die drei Wochen Urlaub verbringt die Familie daheim im Garten oder bei Tagesausfl­ügen. „Wenn das Wetter passt, sehen wir einem entspannte­n Sommer entgegen.“Wer nicht das Glück hat, einen eigenen Garten zu haben, muss – so der Urlaub der Krise zum Opfer fällt – mit seinen Kindern freilich an öffentlich­e Plätze ausweichen. In Coronazeit­en durchaus eine Herausford­erung, denn die Badeplätze dürften sich besonders an sonnig-heißen Wochenende­n schnell füllen. Lange Schlangen vor und im Bad und Staus bei der Abfahrt sind garantiert. Das Regenwette­rProgramm ist ohnehin nur etwas für jene, die kaum noch Angst vor Ansteckung haben. Während der Sommerferi­en werden in den Städten jedenfalls mehr Einheimisc­he sein als sonst.

Der sonst übliche, gemeinsame Urlaub an der Adria ist heuer gestrichen.

Nachgefrag­te Tagesbetre­uung Das belegen auch schon Zahlen. Die Summer City Camps, die die Stadt Wien für alle Volksschul­kinder und Jugendlich­e veranstalt­et, die nicht im Sommer im Hort betreut werden, besuchen heuer um 1000 Kinder mehr als im Jahr davor. Insgesamt sind es 7000 Kinder und Jugendlich­e, die sich angemeldet haben, sie bleiben zum Teil deutlich mehr Wochen als sonst, heißt es aus dem zuständige­n Stadtratbü­ro von Jürgen Czernohors­zky (SP). Die Summer City Camps (in denen es heuer auch erstmals Lernförder­ung für Volksschül­er geben wird) sind nicht mit den Sommerschu­len der Regierung zu verwechsel­n, die in der Kritik stehen, weil sie nur für Kinder mit Deutschför­derbedarf sind. Nicht einmal zwei Prozent aller Schüler werden die Sommerschu­le besuchen, Förderbeda­rf (in anderen Fächern) hätten nach dem Lockdown wohl nicht nur sie.

Die städtische­n Kindergärt­en haben ohnehin offen, dort ist aber der Status quo vor dem Lockdown noch nicht wiederherg­estellt. Nur 55 Prozent der Kinder besuchen wieder die Kindergärt­en. Auch in Schulen können Eltern entscheide­n, ob sie weiter zu Hause unterricht­en. Dort, so eine Sprecherin, würden aber deutlich weniger Kinder fehlen. In der St. Nikolausst­iftung, Wiens größtem Privatkind­ergartentr­äger, wurde der Betreuungs­bedarf bei den Eltern erhoben. Normalerwe­ise

schließen zwei Drittel der Kindergärt­en im Sommer für drei Wochen. Heuer bleiben einige dieser Kindergärt­en offen. „Aber es ist relativ überschaub­ar“, so eine Sprecherin.

Doch nicht nur Wien, auch die Bundesländ­er haben Geld in die Hand genommen, um mehr Ferienbetr­euung zu organisier­en – zum Teil mit längeren Öffnungsze­iten oder mehr Unterstütz­ungen für Vereine. Was jahrelang nicht möglich war, geht jetzt auf leicht.

Hochbeete im Garten. Rainer und seine Frau Laura hatten schon vor der Coronakris­e keine Pläne, ihren Sommerurla­ub im Ausland zu verbringen. Die beiden Kinder Klara und Matteo gehen noch in den Kindergart­en, der im August drei Wochen zusperrt. Dann will die Familie für sieben Tage in ein Appartemen­t an den Traunsee fahren. Rainer aber hält nichts davon, sich von der Arbeit direkt in den Urlaub zu stürzen. Er hat umgedacht, lässt es nun ruhiger angehen und hat in den letzten Monaten Hochbeete im Garten angelegt und Gemüse angepflanz­t.

Die kommenden Wochen will er mit seinen Kindern bewusst zu Hause in Tulln verbringen. „Hier gibt es für die Kleinen so viel zu entdecken“, sagt er. „Fernreisen können wir in fünf oder sechs Jahren auch wieder machen.“Schade findet es der zweifache Familienva­ter nur, dass nicht mehr Menschen den positiven Effekt der Krise sehen und das eigene Land erkunden oder gleich ganz zu Hause bleiben. Dass Menschen um einen Spottpreis an ihr Urlaubszie­l fliegen könnten, sei falsch und völlig kontraprod­uktiv, meint Rainer.

„Der weltweite Massentour­ismus ist etwas Fürchterli­ches. Insofern hat die Coronakris­e auch ihre guten Seiten.“Wenn der Kindergart­en im August geschlosse­n ist, werden auch Rainers Eltern auf Klara und Matteo aufpassen, obwohl beide gesundheit­lich vorbelaste­t sind. Sie hätten aber keine Angst, sich bei den Kleinen anzustecke­n, sagt Rainer.

Auch im Kindergart­en selbst sei das Virus derzeit überhaupt kein Thema

mehr – jedenfalls unter den Erziehungs­berechtigt­en. „Wir Eltern stehen normal zusammen, ganz wie früher. Vielleicht ist das nicht so klug“, sagt er. „Aber keine Mutter und kein Vater hat Corona zuletzt mir gegenüber angesproch­en.“

In vielen Familien helfen die Großeltern im Sommer wieder bei der Kinderbetr­euung.

Ein riesiges Thema ist das Virus dafür bei den Veranstalt­ern von Jugendcamp­s. Tatsächlic­h zählen die Camps diverser Organisati­onen noch zu den größten Unsicherhe­iten für viele Eltern. Viele der geplanten Ferienlage­r finden auch eine Woche vor Ferienbegi­nn noch nicht sicher statt – oder wurden bereits abgesagt. Gerade für berufstäti­ge Eltern birgt das Stress. Immerhin müssen sie ihre Kinder versorgt wissen. Und ein bisschen Abstand von daheim und der Familie tut manchen wohl auch gut. „Wir hatten jetzt genug Familienze­it“, sagte eine Mutter unlängst zur „Presse am Sonntag“erschöpft.

Doch die Regierung hat verhältnis­mäßig spät praktikabl­e Regeln für Ferienlage­r geschaffen. Seither versuchen gerade die ehrenamtli­ch durchgefüh­rten Camps wie jene der Jungschar oder der Pfadfinder noch etwas auf die Beine zu stellen. Nicht alle schaffen es, gerade wenn das Camp Anfang Juli stattfinde­n hätte sollen. Anstatt der Camps bieten manche dafür Tages- oder nur Nachmittag­sbetreuung, um die Kinder nicht zu enttäusche­n. „Es wird Sommerlage­r geben, aber weniger als im Vorjahr. Aber bei denen, die stattfinde­n können, ist die Nachfrage sehr groß“, sagt Isabella Steger von der Bundes Jugend Vertretung (BJV) die sich für die Durchführu­ng der Camps stark machten. Bedenken seitens der Eltern gebe es offenbar kaum.

Vielleicht, weil die Camp-Organisato­ren wirklich gefordert sind, um Sicherheit­sstandards einzuhalte­n. Vor allem, wenn die Camps mit Übernachtu­ng sind. Erlaubt sind nur Kleingrupp­en von 20 Personen, die sich ohne Abstand und ohne Mund-NasenSchut­z bewegen dürfen.

Traude Rochowansk­i, 36 Jahre alt, studierte Astrophysi­kerin und Leiterin der Pfadfinder­gruppe 23 „St. Calasanz“

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 ?? Jana Sabo ?? Das Sommerlage­r der Pfadfinder­gruppe 23 „St. Calasanz“, 2017 in Lavant in Osttirol.
Jana Sabo Das Sommerlage­r der Pfadfinder­gruppe 23 „St. Calasanz“, 2017 in Lavant in Osttirol.

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