Handel mit Schuppentieren
Der südafrikanische Fotograf Brent Stirton ging dem
Afrika, auf Märkten in China und in Lokalen unterwegs, die das Fleisch servieren.
Für Ihre Fotos von getöteten Gorillas und der Jagd auf Nashörner haben Sie Preise gewonnen. Wie sind Sie nun gerade auf Schuppentiere gekommen?
Brent Stirton: Für Löwen, Tiger, Elefanten etc. gibt es viel mehr Aufmerksamkeit als für kleinere Tierarten. Was mich hellhörig gemacht hat, waren die Zahlen, die mir Menschen genannt haben, die sich mit Schuppentieren beschäftigen: Dass in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Million Schuppentiere nach Asien geschmuggelt wurden. Wildhüter haben mir erzählt, dass sie in 20 Jahren nur ein einziges Schuppentier gesehen haben. Das machte mir klar, dass hier ein extremer Artenschwund stattfindet. Viele Leute wissen nicht, was Schuppentiere sind – damit sind sie eine gute Metapher für andere Tierarten, die aussterben.
Beim Coronavirus wurden Pangoline verdächtigt, Zwischenwirte gewesen zu sein. Unglücklicherweise. Das ist ein harter Rückschlag für die Tiere. Sie sind nicht die einzigen Tiere mit einer Verbindung zu Viren. Lepra soll von Gürteltieren übertragen worden sein.
Manche meinen, Krankheitsüberträger wie das Coronavirus sind die Rache der Natur wegen des schlechten Umgangs mit ihr. (Lacht) Wenn man sich vor Augen führt, wie wir Wildtiere behandeln und besonders Tiere, die Lebensmittel werden, muss man sagen, dass wir nicht sehr respektvoll mit ihnen umgehen. Oder? Vielleicht ein wahrer Kern.
Es gibt einen begrenzten legalen Handel mit Pangolin-Schuppen für medizinische Zwecke, der Großteil des Handels ist allerdings illegal. In einer Werbekampagne in China ruft Filmstar Jackie Chan dazu auf, keine Schuppentier-Produkte zu konsumieren.Hilftdas?
Von meinen chinesischen Freunden weiß ich, dass das ein sehr westlicher Zugang ist. In den Köpfen vieler Menschen entsteht der Gedanke: „Das Zeug wird knapp, ich muss schnell mehr besorgen.“Diese Leute denken anders. Also müssen wir uns in sie hineinversetzen, nicht sie sich in uns.
Der Großteil der Importe nach China kommt aus Afrika. In Ihrer Fotoserie sieht man eine junge Frau mit grellgelben Sneakers, die ein Tier schlachtet und die Schuppen abzieht. So wie sie angezogen ist, könnte sie in Harlem oder irgendwo anders sein. Aber sie ist in einem winzigen Dorf in einer abgelegenen Gegend in Kamerun. Trotzdem hat sie dieselben Ambitionen wie junge Frauen überall auf der Welt. Um diese zu finanzieren, handelt sie mit Schuppentieren. Sie bekommt nicht mehr so viele wie früher, weil es nicht mehr so viele gibt. Aber sie kriegt mindestens ein Tier in der Woche. Aus ihrer Sicht gibt es kein Problem. Es gibt Gesetze gegen diesen Handel in Kamerun, sie werden nur nicht durchgesetzt.
Gehandelt werden Schuppentiere unter anderem auf den berüchtigten Nassmärkten in China. Wie kann man sich diese vorstellen? Für Abermillionen Chinesen ist das ihr Fleischer. Diese Märkte sind ziemlich brutal. Die Tiere dort leben noch, damit man sieht, dass sie frisch sind. Meist werden sie an Ort und Stelle geschlachtet. Sie leben unter furchtbaren Bedingungen und sind oft in Käfigen übereinander gestapelt. Exkremente und Urin gehen da einfach durch. Das ist kein hygienischer Ort. Im Westen vertrauen wir darauf, dass Schlachthäuser human mit den Tieren umgehen. Aber in China funktioniert das nicht so. Man beobachtet eine gewisse Brutalität, eine Geringschätzung und Gefühllosigkeit im Umgang mit den Tieren. Sie sehen Tiere bloß als Ware.
Sollten solche Märkte verboten werden? Das ist unrealistisch. Viele Chinesen essen nicht gut. Sie essen kein exotisches Fleisch. Sie essen, was sie kriegen. Das Fleisch auf diesen Märkten können sie sich leisten. Einige Tierarten auszuschließen wäre möglich. Allein deswegen, weil wir genug Viruserkrankungen von ihn en bekom men haben. Das Coronavirus ist ja nicht das erste. China könnte das lösen, es hat die Macht dazu.
Wie Sie diese Märkte schildern, passt das gar nicht zu dem Bild von Pangolin-Fleisch, das als teure Spezialität gilt.
Ich habe vereinzelt Schuppentiere auf Nassmärkten gesehen. Man sieht im Normalfall viele Schlangen, Eidechsen und andere wilde Tiere, aber keine, die auf der roten Liste der gefährdet enArten stehen. Wenn man mit einem Schuppentier erwischt wird, riskiert man bis zu 17 Jahre Haft. Aber sie sind „Prestige-Nahrungsmittel“, eine völlig andere Preisklasse. Ein halbes Kilo Fleisch davon kostete im Jänner 2019 bis zu 300 Dollar. Alles undercover.
Haben Sie Pangolin-Fleisch gegessen?
In manchen Situationen hatte ich keine Wahl, ja.
Wie schmeckt es?
Wie Fleisch. Wie normales Fleisch. Die Situation muss man sich so vorstellen: Da bin ich, mein Übersetzer und andere Leute – und wir alle tun was Illegales und sind uns dessen bewusst.
Währen d der Verzehr dieser Tiere in China streng verboten ist, ist der Handel mit ihren Schuppen durch die Hintertür erlaubt.
Sie werden in der traditionellen chinesischen Medizin genutzt. Es geht nicht um männliche Potenz, sondern sie sollen den Milchfluss von stillenden Müttern steigern. Dass sich dort so viel um Potenz dreht, ist ein Mythos. NashornHorn soll etwa Fieber senken. Es gibt mehr als 120 Alternativ enzuPangolinSchuppen in der traditionellen chinesischen Medizin, die meisten davon sind pflanzlich und viel billiger – und weniger lukrativ. Es geht ums Geschäft.
Die Angst, dass man nicht genug Milch für sein Baby hat, sitzt sehr tief. Vielleicht greifen Menschen deshalb zu extremen Mitteln. Es ist nicht so, dass man das von einem alten Chinesen im Hinterzimmer irgendeines Ladens kauft. Der legale Handel in China liegt bei 28 Tonnen pro Jahr, das meiste wird für die industrielle Herstellung von Medizinprodukten genutzt. Es wird von den vier größten staatlichen Apotheken verkauft. Das ist eine Industrie. Diese enorme Nachfrage in China befeuert den Handel in Afrika in einem solchen Ausmaß, dass man nicht wissen kann, wann überhaup tnochT iere übrig sind.