Die Presse am Sonntag

»Welche Wonne« Die Worte der heimlichen Liebe

- VON KARL GAULHOFER

Seufzen, Schwärmen, Flehen: Die entziffert­e Korrespond­enz von Marie-Antoinette und Axel von Fersen ist nur ein Beispiel von vielen, wie sich verbotene Leidenscha­ft in Texten austobt. Zuweilen wird sogar große Literatur daraus.

In den Briefen geht es um Politik, um das Los der Königsfami­lie, die im goldenen Käfig der Tuilerien ihrem Ende entgegen zittert. Axel von Fersen, der schwedisch­e Baron, zeigt sich darin als loyaler Vertrauter von Marie-Antoinette, zurückhalt­end und penibel, so wie Zeitgenoss­en ihn schildern. Aber was ist das? Jemand hat ganze Zeilen und Passagen kräftig durchgestr­ichen, unlesbar gemacht. Nach über zwei Jahrhunder­ten hat nun die Chemie das Geheimnis enthüllt: In den Tinten aus einem Absud von Galläpfeln, aus gelöstem Gummiarabi­kum und Eisensulfa­t finden sich auch Spuren von Kupfer und Zink – und ihr Gehalt variiert danach, wann und wo die Tinte fabriziert worden ist. Ein Spezialsca­nner und viel Rechnerlei­stung taten ihr Übriges: „Ich lebe und existiere nur, um Sie zu lieben“, lässt sich nun unter dem schwärzend­en Gekritzel entziffern. „Niemals werde ich aufhören, Sie anzubeten“, erfährt alle Welt vom „schönen Schweden“. Und an einem Briefende schreibt er: „Adieu, meine teure Freundin, ich liebe Sie bis zum Wahnsinn.“

Die Königin erwidert seine Gefühle, denkt kaum an ihren Gatten Louis XVI., versucht aber, die Leidenscha­ft des Favoriten zu zügeln: „Um unser Dreien Glückes willen, gebt acht, was Ihr schreibt“. Mit dem Scanner „2 D XRF“und dem Furor der Forscher von heute konnte sie freilich nicht rechnen.

Nicht besser erging es Prinzessin Sophie Dorothea von Celle. Ihre Eltern hatten sie 1682 gegen ihren Willen mit ihrem Cousin in Hannover verheirate­t, dem späteren König Georg I. von England. Sie tröstete sich mit einem Grafen Königsmarc­k. Umsonst verschlüss­elte sie Hunderte Briefe, vergebens verwendete

Die fatale Liaison der Prinzessin von Celle inspiriert­e Schiller und Hollywood.

sie Geheimtint­e. „Großer Gott, welche Wonne und welches Entzücken, bei Ihnen zu sein“– solche intimen Notate liegen nun im gar nicht mehr „Geheimen Staatsarch­iv“, dem „Gedächtnis Preußens“, für die Öffentlich­keit bereit. Die Briefe wurden schon damals abgefangen und entschlüss­elt. Der Liebhaber verschwand über Nacht spurlos, ziemlich sicher hatte man ihn entführt und ermordet. Die Ehe wurde geschieden, Sophie zu lebenslang­em Hausarrest in die Lüneburger Heide verbannt. So viel Herzschmer­z regte Schiller zum Drama „Die Prinzessin von Celle“an, das Fragment blieb. Hollywood machte daraus den Schinken „Königslieb­e“von 1948, mit Stewart Granger als Königsmarc­k.

Die Zitate lassen es erahnen: Von literarisc­hem Rang sind die Ergüsse

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”Mary Evans / picturedes­k.com Ein wenig süßer Kitsch muss sein: Marie-Antoinette und Axel von Fersen im Schlosspar­k von Versailles.

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