Der »holden Kunst« gehuldigt
Florian Boesch und Justus Zeyen gelangen im Musikverein Gesänge von Loewe, Schumann und Strauss ohne Pathos.
Der Erlkönig treibt wieder sein Unwesen, und unweigerlich enden die entrischen Avancen der Geisterwelt auch diesmal mit den düsteren Worten: „war tot“. Aber nicht Goethes Vater mit seinem Kind galoppiert durchs Dunkel, zu Schuberts gefürchtetem Hufgetrappel in Oktavtriolen. Herr Oluf reitet spät und weit, um seine Hochzeitsgäste für den nächsten Tag zu laden – und Erlkönigs Tochter leidet es nicht. Olufs Braut findet ihn auf der Bahre: Schauerromantik pur.
Carl Loewes Balladen gehörten einmal zum unverzichtbaren Repertoire des deutschen Liedguts – bis in den letzten Jahrzehnten das Musikleben immer weniger Platz für sie zu haben schien. Oder waren es die Interpreten, die sich lieber an den großen Werken seiner Zeitgenossen Schubert und Schumann maßen?
Wer Loewes als biedermeierlich-altväterisch abtut, kennt sie nicht. Eine tiefe Männerstimme mit entsprechender Autorität im Verein mit einem fähigen Mitstreiter am Klavier kann mit diesen spannenden Erzählungen aus Wort und Ton nur reüssieren.
Liedsänger par excellence. Auch deshalb, weil die vertonten Gedichte und damit die geschilderten Vorgänge nur selten so weidlich bekannt sind, dass sich das Gros des Publikums wohlig zurücklehnen, sich von den Klängen pauschal einlullen lassen und aufs genaue Zuhören vergessen könnte. Nein, man rückt an die Sesselkante und will jede Silbe verstehen.
Bassbariton Florian Boesch macht einem das leicht – sogar im coronabedingt mit nur 100 Personen besetzten, also nahezu leeren Goldenen Saal des Musikvereins, der seinen Gesang in eine Watte hüllt, die er mit klarer Diktion freilich durchdringen und strukturieren kann. Er ist ein Liedersänger par excellence, vielleicht sogar aus bestimmten vokalen Mängeln. Balsamische
Klangfülle und warm timbrierte Zwischentöne stehen ihm nämlich nicht in gleichem Maße zu Gebote wie dramatische Ausbrüche, ein zurückgenommenes Parlando, das in seiner Beiläufigkeit immer wieder bezwingend spontan wirkt, und ein verinnerlichter Ton, den er vor allem dazu nützt, in geradezu pathologische Seelenabgründe zu blicken oder allgemein das Ab- oder Jenseitige Klang werden zu lassen.
Mit dem Sänger durch dick und dünn. Soll heißen: Boesch tendiert zu den Extremen. Aber die Linien zerfallen nicht, der Atem ist lang, die Phrasierung zielt auf den inhaltlichen Sinn, bleibt nie an der bloß schönen Kantilene hängen. Einem solchen Sänger folgt man mit gespitzten Ohren durch dick und dünn. Zumal, wenn er einen poetisch agierenden Mitgestalter wie Justus Zeyen an seiner Seite hat: Die geradezu ans „Fiakerlied“erinnernden, ironischen Koketterien in Loewes „Tom der Reimer“oder ganz besonders die Nachspiele in Schumanns HeineLiederkreis, in dem der Komponist jene Emotionen ausformuliert, die die liebend verletzte Seele hinter ihren zur Abwehr scharf gewählten Worten verbirgt.
Und wie oft gehen die zarten, schmerzlichen Wendungen in einigen der populärsten Lieder von Richard Strauss in Schwelgereien unter, werden von der großen Operngeste überdeckt? „Allerseelen“geriet da zu einem wie aus dem Moment heraus gefundenen Höhepunkt ins Herz treffender Ausdruckskraft. In diesem Sinne wurde auch, nach Loewes köstlicher Heine-Miniatur „Hinkende Jamben“, als letzte Zugabe Schuberts „An die Musik“schmerzlos der Pathoszahn gezogen: Indem Boesch am Schluss der zweiten Strophe die Vorhaltsziernote wegließ, erreichte er eine Schlichtheit, in der das Ehrliche und das Nachdrückliche eins wurden. Jubel!
sterreich beschäftigt derzeit recht intensiv die deutschen Nachbarn. Am Samstag widmete „Der Spiegel“seine sechs Seiten lange Titelgeschichte unserem Wilden Westen, während die „Süddeutsche Zeitung“Geschehnisse in Wien zusammenfasste: „Wichtige und unwichtige Aufreger“. Leider ging es nicht um Erbauliches im besten aller Urlaubsparadiese, sondern um versagende Behörden und Skurrilitäten in den zwei Welten der Bundesregierung.
Das Hamburger Nachrichtenmagazin berichtet aus dem steilen Land Tirol: „Die Akte Ischgl“lautet der Titel unter einem Foto mit feuchtfröhlich feiernden Gästen des Wintersportorts. Unterzeile: „Vom Party- zum Coronahotspot: Wer versagte, wer wegschaute und wer dafür bezahlen muss.“Seit März, seit Freitag dem 13., „ist das 1600-Seelen-Dorf Ischgl in Verruf: als ,Ground Zero‘, als Brutstätte bei der Weiterverbreitung des Virus nach Deutschland und darüber hinaus.“
Kurz-Zitate. In der Münchener Tageszeitung meint Oliver Das Gupta: „Ob im Ibiza-Untersuchungsausschuss, bei einem Gesetz zum Küken-Schreddern oder bei einer angekündigten Reform des Bundesheeres – es läuft gerade suboptimal für die türkis-grüne Bundesregierung.“Für ihn ist es offenbar anstrengend, „bei dem, was sich momentan politisch in Österreich abspielt“, die Übersicht zu behalten. Wer ist schuld am Wirrwarr? „Ich bin Bundeskanzler und nicht Erziehungsberechtigter“, scheint der Kolumnist Sebastian Kurz mit einem von dessen Bonmots im Ibiza-Untersuchungsausschuss zu entlasten. „Die Presse“habe „dieses Zitat des kinderlosen Kanzlers so famos“gefunden, dass sie es zur Schlagzeile gemacht hat. Bemerkenswert findet Das
Gupta auch den Satz des Kanzlers, er habe das System des Postenschachers nicht erfunden. Bisher habe die ÖVP doch so getan, als ob es keinen Postenschacher gegeben habe.
Blamable Patzer sind diese Woche aus Sicht der „Süddeutschen“auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) und der Neos-Politikerin Stephanie Krisper unterlaufen. Genüsslich wird dann der türkise Finanzminister
Klaudia Tanner beim Einsatz: Die türkise Ministerin hat arge Probleme mit ihrer Heeresreform.
Gernot Blümel durch den Kakao gezogen. Der „junge Mann“zeige „besorgniserregende Gedächtnislücken“. Blümel solle im Oktober als Spitzenkandidat der ÖVP bei der Wien-Wahl antreten. „Ich finde, so einfach sollte es die ÖVP den politischen Mitbewerbern nicht machen“, meint der Redakteur aus München. Staunen auch über Blümels Parteikollegin Klaudia Tanner, die Verteidigungsministerin wird wegen nicht abgesprochener Pläne für das Bundesheer erwähnt. Trockener Nachsatz aus Bayern: „So schnell wurde wohl selten eine Reform abgeblasen.“
Die Küken ersticken im Gas. Nicht einmal die Grünen finden Erbarmen. Sie hätten sich der Stimme enthalten, als ein SPÖ-Antrag im Parlament zum Verbot der Tötung männlicher Küken abgelehnt worden ist, stellt die „Süddeutsche Zeitung“fest. Verblüffend loyal stehe der kleine Koalitionspartner zur Kurz-Truppe. Statt des Schredderns gebe es ohnehin eine „gelebte“CO2Praxis: „Die Küken ersticken im Gas.“
Nach der strengen deutschen Lektion fragt man sich: Ist in Ö. echt alles imOa.. . ? Was tun gegen solche Breitseiten? Vielleicht wäre es tatsächlich besser, zu vergessen, dass man einen Laptop besitzt. Am besten löscht man auch täglich die Nachrichte n auf s einem Smartphone. Wahrscheinlich ist die türkise Strategie der Antwortvermeidung tatsächlich die optimale Message Control. Falls ein lästiger Reporter aus Hamburg nachfragt, simst man ihm ein Daumen-Hoch-Emoji. Hierzulande bedeutet das „Gib a Ruh!“