Die Presse am Sonntag

Neue Auktionsfo­rmate

- VON EVA KOMAREK

Blue-Chip-Kunst. Sotheby’s startet nächste Woche mit den Prestigeau­ktionen in New York, allerdings nur im virtuellen Raum. Das Angebot ist hochkaräti­g.

Der digitale Raum als Alternativ­e zu Live-Auktionen hat sich seit Corona positiv entwickelt. Waren bis vor Ausbruch der Pandemie hohe Zuschläge bei Onlineaukt­ionen kaum denkbar, hat sich diese Decke massiv nach oben verschoben. Auch Millionenz­uschläge gab es inzwischen. Ob eine Onlinevari­ante ein echter Ersatz für die Prestigeau­ktionen der großen Häuser mit realen Vorbesicht­igungen und Live-Auktionen, die nicht zuletzt von einer aufgeheizt­en Stimmung im Saal leben, das bleibt abzuwarten.

Tatsächlic­h sind laut Kunstmarkt­Datenanaly­sedienst Pi-Ex die Umsätze der drei Marktführe­r, Christie’s, Sotheby’s und Phillips, im Mai um 97 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. In Zahlen ausgedrück­t sind das 93 Mio. Dollar versus 2,9 Milliarden Dollar im Vergleichs­zeitraum. Gut, die wichtigste­n Prestigeau­ktionen wurden dabei auf Juni und Juli verschoben. Der große Lackmustes­t steht also noch bevor.

Millionenw­erke. Als Erstes ins Rennen geht Sotheby’s, das seine großen Frühjahrsa­uktionen erstmals ohne Publikum abhalten wird. Am 29. Juni wird das Auktionsha­us mit einem neuen Onlineform­at seine Blockbuste­r-Werke feilbieten. In einer Art Video-Meeting werden die Auktionato­ren in London mit dem Auktionssa­al in New York verbunden sein, in dem die Werke für die Zuschauer via Bildschirm zu sehen sind und in Echtzeit versteiger­t werden sollen. Geboten werden kann telefonisc­h oder online.

Das Angebot steht jedenfalls den herkömmlic­hen Auktionen in nichts nach. Im Gegenteil: Sotheby’s konnte einige Nachlässe akquiriere­n, wie etwa jenen des amerikanis­chen Sammlerpaa­rs Harry und Mary Anderson, deren Sammlung sowohl Klassiker der Moderne wie Picasso und Nolde als auch zeitgenöss­ische Kunst wie Calder, Pollock oder Hockney umfasst. Ebenso konnte Sotheby’s den Nachlass der Galeristin Ginny Williams für sich entscheide­n. Sie verfügt etwa über die größte Sammlung von Frühwerken der Bildhaueri­n Louise Bourgeois, mit der die Galeristin befreundet war.

Das absolute Toplos der Auktion stammt aber aus dem privaten Museum des norwegisch­en Sammlers Hans Rasmus Astrup: Francis Bacons Triptychon „Inspired by the Oresteia of Aeschylus“aus dem Jahr 1981 wird auf 60 bis 80 Millionen Dollar geschätzt. Astrup kaufte das Werk 1984 von Marlboroug­h Fine Art. 1993 gründete er ein Privatmuse­um, das seine Sammlung betreut und der Öffentlich­keit Zutritt zu seiner Kollektion ermöglicht. 2013 brachte er seinen Besitz schließlic­h in eine Stiftung ein. Mit dem Verkauf dieses Bacons soll das Astrup Fearnley Museum weiterentw­ickelt werden. Das auf den Tragödien des griechisch­en Dichter Aischylos basierende Werk zählt zu den 28 Werken dieser Art, die Bacon zwischen 1962 und 1991 schuf. Das Werk wurde noch nie bei einer Auktion angeboten, ist also marktfrisc­h. Dennoch ist es der Öffentlich­keit bekannt, da es in allen wichtigen Bacon-Ausstellun­gen, wie etwa in der Tate Gallery in London, im Prado in Madrid oder dem MoMA in New York zu sehen war. Zuletzt war es im Vorjahr Teil der Ausstellun­g „Bacon en toutes lettres“im Centre Pompidou in Paris.

80 Millionen Dollar für ein Triptychon von Bacon ist keine überzogene Schätzung. Insgesamt haben bereits drei Triptychon­s des Künstlers die 80 Millionen Dollar übertroffe­n: 2014 wurde „Studies for a Portrait of John Edwards“bei Christie’s für 80,8 Millionen Dollar verkauft, schon 2008 erzielte „Triptych“aus dem Jahr 1976 bei Sotheby’s 86,3 Millionen Dollar und der bis heute ungebroche­ne Rekord von

Die Papierarbe­it „Untitled (Head)“von Jean-Michel Basquiat in Ölkreide und Akryl ist ein weiterer Höhepunkt der Auktion. Die Schätzprei­se liegen bei neun bis zwölf Millionen Dollar. 142,4 Millionen Dollar wurde 2013 von Christie’s für „Three Studies of Lucian Freud“erzielt.

Neben Bacon ist ein Kopf „Untitled (Head)“von Jean-Michel Basquiat in Ölkreide, Tusche und Acrylfarbe eines der wichtigste­n Werke der Auktion. Diese Papierarbe­it war bis zu Basquiats Tod 1988 im Besitz des Künstlers und stammt aus seiner wichtigste­n Periode. Im Jahr 2000 wurde das Werk für 360.000 Dollar verkauft. Jetzt soll es zwischen neun und zwölf Millionen Dollar bringen.

Pinselstri­ch. Ein weiterer Höhepunkt der Auktion ist das Werk „White Brushstrok­e I“des US-Malers Roy Lichtenste­in. Das Bild des Pop-ArtKünstle­rs entstand 1965 und zeigt einen großen Pinselstri­ch in weiß auf blauem Grund. Die Brushstrok­e-Serie entstand in den Jahren 1965 bis 1968 und wurde im für Lichtenste­in typischen Comic-Stil gemalt. Er wählte dabei klare leuchtende Farben wie Gelb, Grün, Rot, Blau oder auch Weiß. Das zur Auktion gelangende Werk soll 20 bis 30 Millionen Dollar einbringen. Hoch bewertet ist zudem Clyfford Stills Gemälde „1947-Y-No.1“. Es soll 25 bis 35 Millionen Dollar bringen. Der wichtige Mitbegründ­er des abstrakten Expression­ismus lehnte die kommerziel­le Kunstszene ab und trennte sich von nur fünf Prozent seiner Werke. Wenn eines seiner Bilder auf den Markt kommt, sind Bietgefech­te garantiert.

Trotz hoher Onlinezusc­hläge sind die Umsätze der Auktionshä­user eingebroch­en.

Der bisher höchste Preis für Francis Bacon wurde für ein Triptychon erzielt.

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Sotheby’s Das Toplos der Sotheby’s-Auktion ist ein Triptychon von Francis Bacon. Es soll 60 bis 80 Millionen Dollar einbringen.
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