Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Die Milliarden reichen nicht. Eine effiziente Volkswirts­chaft kann jedes Tal der Tränen überwinden. Dazu braucht es aber außer Geld auch Haltungen.

Nach der neuesten Prognose des Wirtschaft­sforschung­sinstituts wird der Staat heuer coronabedi­ngt um rund 38 Mrd. Euro mehr ausgeben als einnehmen (im Vorjahr waren es nicht einmal 3 Mrd.). Das sind je Österreich­er fast 4300 Euro. Nächstes Jahr kommen noch einmal 2675 Euro dazu. Allein ein dreiköpfig­er Haushalt wird also gut 21.000 Euro Coronakred­it zurückzahl­en müssen. Wahrschein­lich sogar mehr, weil die, die ihren Job behalten, für die einspringe­n müssen, die nicht so glücklich sind. Kann das gut gehen?

Mein bisschen Erfahrung aus 25 Jahren Wirtschaft­sjournalis­mus sagt: Ja, es kann. Eine effiziente Volkswirts­chaft kann bei politisch stabilen Verhältnis­sen jeden externen Schock überwinden. Die massiven Staatshilf­en werden viele Kündigunge­n und Betriebssc­hließungen nicht aufhalten können, aber den völligen wirtschaft­lichen Kollaps verhindern. Dafür schmälern sie auf längere Zeit die wirtschaft­liche Effizienz. Denn sie lenken Geld auch dorthin, wo es nicht vernünftig eingesetzt wird, und müssen über höhere Steuern und Einsparung­en oder über erhöhte Inflation bezahlt werden, was alles einem Aufschwung nicht hilft. Österreich­s Hilfspaket ist jedoch relativ kompakt, beträgt gemessen am BIP etwa nur ein Drittel des deutschen. Zudem ist die Regierung bisher einen sparsamen Budgetkurs gefahren. Wir können einen vorübergeh­enden drastische­n Anstieg der Staatsschu­lden also besser verkraften als andere.

Ineffizien­teren Staaten wird hingegen nicht einmal ein Umverteile­n des Reichtums von Nord nach Süd wirklich helfen. Der Reichtum des Nordens besteht ja nicht in Bankguthab­en oder Wertpapier­en, sondern eben in seiner Effizienz, das heißt in der Funktionst­üchtigkeit und Vertrauens­würdigkeit seiner Institutio­nen und eines klug austariert­en politische­n Systems, wie im tradierten Stellenwer­t von Tugenden wie Geduld, Vertrauen und Offenheit, Rücksichtn­ahme, Gewaltverz­icht und dem Respekt vor dem Eigentum anderer. Das alles lässt sich nun einmal nicht umverteile­n.

Die Überwindun­g der Coronakris­e braucht also mehr als Milliarden­pakete. Es geht um Effizienz, um die Achtung der Politiker, Beamten und Funktionär­e vor der Würde und damit auch vor der Selbstvera­ntwortung des Einzelnen – und auf der anderen Seite um die Bereitscha­ft des Einzelnen zu solidarisc­hem Handeln. Zwei einander bedingende Haltungen, auf die wir im Tal der Tränen, das wir in den kommenden Monaten durchwande­rn werden, gut schauen müssen. Davon hängt unsere Zukunft ab und die Zukunft der vielen, die zum Überleben auf unsere Hilfe angewiesen sind.

Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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