Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Die Milliarden reichen nicht. Eine effiziente Volkswirtschaft kann jedes Tal der Tränen überwinden. Dazu braucht es aber außer Geld auch Haltungen.
Nach der neuesten Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts wird der Staat heuer coronabedingt um rund 38 Mrd. Euro mehr ausgeben als einnehmen (im Vorjahr waren es nicht einmal 3 Mrd.). Das sind je Österreicher fast 4300 Euro. Nächstes Jahr kommen noch einmal 2675 Euro dazu. Allein ein dreiköpfiger Haushalt wird also gut 21.000 Euro Coronakredit zurückzahlen müssen. Wahrscheinlich sogar mehr, weil die, die ihren Job behalten, für die einspringen müssen, die nicht so glücklich sind. Kann das gut gehen?
Mein bisschen Erfahrung aus 25 Jahren Wirtschaftsjournalismus sagt: Ja, es kann. Eine effiziente Volkswirtschaft kann bei politisch stabilen Verhältnissen jeden externen Schock überwinden. Die massiven Staatshilfen werden viele Kündigungen und Betriebsschließungen nicht aufhalten können, aber den völligen wirtschaftlichen Kollaps verhindern. Dafür schmälern sie auf längere Zeit die wirtschaftliche Effizienz. Denn sie lenken Geld auch dorthin, wo es nicht vernünftig eingesetzt wird, und müssen über höhere Steuern und Einsparungen oder über erhöhte Inflation bezahlt werden, was alles einem Aufschwung nicht hilft. Österreichs Hilfspaket ist jedoch relativ kompakt, beträgt gemessen am BIP etwa nur ein Drittel des deutschen. Zudem ist die Regierung bisher einen sparsamen Budgetkurs gefahren. Wir können einen vorübergehenden drastischen Anstieg der Staatsschulden also besser verkraften als andere.
Ineffizienteren Staaten wird hingegen nicht einmal ein Umverteilen des Reichtums von Nord nach Süd wirklich helfen. Der Reichtum des Nordens besteht ja nicht in Bankguthaben oder Wertpapieren, sondern eben in seiner Effizienz, das heißt in der Funktionstüchtigkeit und Vertrauenswürdigkeit seiner Institutionen und eines klug austarierten politischen Systems, wie im tradierten Stellenwert von Tugenden wie Geduld, Vertrauen und Offenheit, Rücksichtnahme, Gewaltverzicht und dem Respekt vor dem Eigentum anderer. Das alles lässt sich nun einmal nicht umverteilen.
Die Überwindung der Coronakrise braucht also mehr als Milliardenpakete. Es geht um Effizienz, um die Achtung der Politiker, Beamten und Funktionäre vor der Würde und damit auch vor der Selbstverantwortung des Einzelnen – und auf der anderen Seite um die Bereitschaft des Einzelnen zu solidarischem Handeln. Zwei einander bedingende Haltungen, auf die wir im Tal der Tränen, das wir in den kommenden Monaten durchwandern werden, gut schauen müssen. Davon hängt unsere Zukunft ab und die Zukunft der vielen, die zum Überleben auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.