»Das war keine Spende, Herr Kollege!«
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka denkt nicht daran, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss abzugeben. Warum er Novomatic-Gründer Johann Graf sogar zweimal getroffen hat und die heutige Opposition das Niveau eines Peter Pilz nicht erreicht.
Haben Sie auch den Eindruck, dass Sie tendenziös sind als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses?
Wolfgang Sobotka: Nein, natürlich nicht. Das würde ich nie akzeptieren. Und ich versuche, das auch immer zu reflektieren. Und es auch zu korrigieren. Ich bin gleich zu allen.
Man merkt Ihnen aber mitunter schon an, wem Ihre Sympathien gehören. Wenn Sie relativ schroff die Ansinnen der Oppositionsvertreter abwehren.
Da würde ich Sie bitten, sich die Fragestellungen anzuschauen. Und wie ich darauf reagiere. Meine Maßzahl ist, die Rechte der Auskunftsperson zu wahren. Sonst machen wir den Untersuchungsausschuss kaputt. Es gibt eine ganz einfache Formel, in Paragraf 41, Absatz 2 festgelegt: Fragen dürfen nicht unterstellend, nicht beleidigend, nicht irreführend sein. Es soll immer um die Sache gehen. Bisher ist 171-mal von Unterstellungen die Rede. Ich agiere nie persönlich, sondern frage immer die Verfahrensrichterin, den Verfahrensanwalt. Ich habe mich nie gegen die Meinung der Verfahrensrichterin gestellt, das ist ein Faktum.
War die Verfahrensrichterin überfordert? Nein. Sie war sehr bedacht darauf, alles minutiös zu wissen und genau festzulegen. Sie musste auf die Sekunde entscheiden: ja oder nein. Was sie wirklich angestrengt hat, war der Ton im Untersuchungsausschuss. Und letzten Endes auch, wie man miteinander umgeht. Ein Gericht wird zum Beispiel nie angegriffen. Hier wird die Verfahrensrichterin attackiert. Sie ist eine sehr korrekte Frau, sie wird auch von früheren Kollegen als äußerst kompetent beschrieben. Aber vielleicht nicht so robust, dass sie das alles leicht wegsteckt. Was ich zutiefst verurteile: diese Untergriffigkeit im U-Ausschuss! Da haben sich einige Ausschussmitglieder wirklich in einem Maß hervorgetan, das abzulehnen ist.
Sie sehen sich wahrscheinlich nicht als befangen an?
Nicht einmal wahrscheinlich. Erstens gibt es keine Befangenheit für Abgeordnete. Zweitens gibt es keinen Grund, eine Befangenheit anzunehmen.
Sagen wir es so: Es gibt einige Indizien, die gegen Sie sprechen. Ihr Sprecher war dann Sprecher bei der Novomatic. Sie sind Präsident des Alois-Mock-Instituts, das Geld von der Novomatic erhalten hat. Und Sie waren just zu dem Zeitpunkt der Bestellung von Peter Sidlo in der Novomatic zu Besuch, sogar bei Firmeninhaber Johann Graf.
Sind wir in Österreich mittlerweile dort angekommen? Wenn ich mit Ihnen rede, dann sind Sie verdächtig? Das macht mich sprachlos. Das sind Unterstellungen der übelsten Art. Bernhard Krumpel war 1999/2000 mein Pressesprecher, das ist ja krude, daraus einen Vorwurf zu konstruieren. Und wieso hätte ich die Sidlo-Bestellung beeinflussen sollen? Ich war nicht einmal Regierungsmitglied zu dem Zeitpunkt. Ich habe Peter Sidlo am Mittwoch im U-Ausschuss das erste Mal in meinem Leben gesehen.
Es gibt den Vorwurf, während Sie bei Novomatic-Gründer Graf saßen, habe der Novomatic-Aufsichtsratschef, der auch dabei war, eine Mitteilung an den damaligen Novomatic-CEO Neumann geschickt, dass er dringend Informationen über die Casag brauche. Ich war dort im Zuge des Arbeiterkammerwahlkampfs.
Wolfgang Sobotka
(64) ist seit Dezember 2017 Präsident des Nationalrats. Davor war der ÖVP-Politiker Innenminister (April 2016–Dezember 2017), Landesrat in Niederösterreich (von 1998 bis 2016) und Landeshauptmannstellvertreter (2009–2016), außerdem Bürgermeister von Waidhofen an der Ybbs (1996–1998).
Neben einem Studium der Geschichte
an der Universität Wien
(Mag. phil.) absolvierte Sobotka auch Studien an der Hochschule für Musik und darstellende
Kunst in Wien (Violoncello und Musikpädagogik) sowie am BrucknerKonservatorium in
Linz (Dirigieren). Er war Lehrer an der AHS Waidhofen/Ybbs sowie Leiter der Musikschule seiner Heimatstadt. Bis heute ist er Mitglied des Kammerorchesters Waidhofen.
Dem Alois-MockInstitut,
einem bürgerlichen Thinktank, steht Sobotka als Präsident vor. Das Institut wurde nun Thema im IbizaUntersuchungsausschuss, weil der Glücksspielkonzern Novomatic in seinen Publikationen inseriert hat.
Das ergibt sich auch aus meinem Terminkalender.
Aber haben Sie mit Graf über die Casag gesprochen?
Nein. Natürlich nicht. Beim zweiten Gespräch habe ich das getan. Da war das aber alles schon publik.
Was für ein zweites Gespräch?
Später im Juli. Weil ich als Arbeitnehmervertreter die Sorge hatte, dass er mit seiner Firma außer Landes geht. Novomatic ist der viertgrößte Arbeitgeber in Niederösterreich.
Und wie ist das mit der Spende an das AloisMock-Institut?
Das war keine Spende, Herr Kollege!
Inserat.
Das Institut ist ein bürgerlicher Thinktank. Die Zeitschrift des Instituts hat vier bis sechs Ausgaben im Jahr und eine Auflage von zweieinhalbtausend Stück. Es hält Kontakt mit 4000 Keyplayers in Wien und Niederösterreich. Und es gab Inserate. Das Alois-MockInstitut hat circa zweieinhalbtausend Euro pro Inserat bekommen, zweimal im 19er-Jahr, zweimal im 18er-Jahr, zweimal im 17er-Jahr. Halten Sie das für viel? Alles ist belegt und nachvollziehbar. Es gibt Inserate und entsprechende Rechnungen. Und das AloisMock-Institut ist auch keine Vorfeldorganisation der ÖVP. Ich halte mich an das Gesetz seit ewigen Zeiten. Sonst gäbe es mich nicht mehr.
Der Verdacht ist ja, dass die ÖVP über dieses Institut finanziert wird.
Bitte lassen Sie die Kirche im Dorf! Wir haben im Mock-Institut ein Budget von nicht einmal 100.000 Euro. Und eineinhalb Leute. Was will ich denn da finanzieren?
Und was macht das Alois-Mock-Institut nun genau?
Es wurde gegründet von mir und Alois Mock als bürgerlicher Thinktank. „Think out of the box“– wie es der Alois immer getan hat. Er war der, der die Europa-Idee in Österreich verankert hat. Seine unterrichts- und sozialpolitischen Ideen waren nie nur für heute und morgen. Sondern immer mit einer langfristigen Perspektive. Für mich war Alois Mock immer das politsche Vorbild – an Integrität, Lauterkeit, Einsatz.
Neben Kennedy und Figl.
Da hat sich einer die Bilder in meinem Büro genau angesehen. Aber noch einmal zurück zum Alois-Mock-Institut: Es gibt wenige derartige Einrichtungen in Österreich. Und da geht es schon um die Relationen: 14.000 Euro in drei Jahren! Wo ist denn da die Geldwaschmaschine für eine Partei? Das Institut braucht das Geld für seine Arbeit, es bekommt ja auch keine laufenden Förderungen.
Wie ist es Ihnen mit den schon sehr auffälligen Erinnerungslücken des Kanzlers und des Finanzministers gegangen?
Die Geschichte mit dem Laptop von Gernot Blümel war schon ein wenig provozierend. Alle anderen Fragen hätte ich in seiner Position auch nicht beantworten können. Wenn Sie mir sagen können, wen Sie – sagen wir – am 16. März 2019 um 14 Uhr getroffen haben, dann gratuliere ich Ihnen. Ich kann das nicht.
Hat Gernot Blümel gelogen?
Er war sicherlich irritiert. Das hat möglicherweise zu flapsigen Antworten geführt. Aber andererseits waren manche Fragen wohl anmaßend. Teilweise kamen sie mir wie Maturafragen vor, zum Beispiel: „Wie viele Töchter hat die Konzernmutter Verbund?“Für Antworten gibt es einen einzigen Maßstab: die Wahrheit. Und wenn jemand nicht wahrheitsgemäß aussagt, macht er sich strafbar, und es gibt die Möglichkeit, ihn anzuzeigen. Aber man kann sich – wie auch bei Gericht – keine Antworten wünschen.
Was spricht dagegen, die Sitzungen des Untersuchungsausschusses live zu übertragen? Vielleicht hebt das die Qualität der Fragen und der Antworten.
Das müssen die Parteien entscheiden. Ich weiß nur eines: Bei Nationalratssitzungen ist die wichtigste Zeit zwischen neun und 13 Uhr.
Weil der ORF in dieser Zeit live überträgt. Da wird aufgekocht, da stellt man sich dar. Gegen Abend hin nimmt die Intensität der Debatte üblicherweise merklich ab. Eine Liveübertragung könnte einen U-Ausschuss auf einen Schaukampf für die Öffentlichkeit reduzieren. Das verbessert meines Erachtens gar nichts.
Im Herbst werden auch Sie als Auskunftsperson geladen. Werden Sie den Vorsitz zurücklegen?
Ich lasse mich an diesem Tag vertreten, aber ich lege den Vorsitz nicht zurück.
Ist es nicht seltsam, dass der Vorsitzende Teil der Befragung ist?
Der eine oder andere, darunter auch ich, muss damit leben, dass er hier zum Spielball für Parteipolitik wird. Schauen Sie sich die Ladungslisten an: Was hat das mit den Vorwürfen aus dem IbizaVideo zu tun? Auf den Punkt gebracht: Die Regierung hatte im Zuge der Coronakrise viel Öffentlichkeit. Jetzt sieht die Opposition eine Möglichkeit, Themen zu setzen. Politisch verstehe ich das. Leider, fürchte ich, wird man damit dem Bild der Politik generell schaden.
Können Sie mit Stefanie Krisper (Neos) und Kai Jan Krainer (SPÖ) nach den Sitzungen wieder normal reden, oder bleiben Verwundungen zurück?
Ich könnte das schon. Mich bringen diese Vorwürfe weder aus dem Gleichgewicht, noch habe ich schlaflose Nächte. Wenn ich mir etwas hätte zuschulden kommen lassen, wäre das wohl anders.
Der U-Ausschuss ist offenbar für alle Seiten frustrierend. Sehen Sie Reformbedarf?
Es würde helfen, wenn einfach ganz nüchtern gefragt würde. Das ist bei mir unverdächtig, wenn ich den Namen des ehemaligen Kollegen Peter Pilz in den Mund nehme. Er hat nie untergriffig gefragt, sondern erst danach seine Schlüsse gezogen. Ob die richtig oder falsch waren, möchte ich gar nicht beurteilen. Aber Pilz war in den U-Ausschüssen wirklich sehr gut unterwegs. Jetzt verstehe ich den Zusammenhang mancher Fragen nicht. Und nicht, weil ich nicht will.
Das Niveau des Peter Pilz erreichen seine Nachfolger nicht?
Ich würde es anders formulieren: Alle sind massiv interessiert, etwas aufzudecken. Aber die Art und Weise, wie manche das tun, befremdet mich. Ich hoffe ja noch immer, dass irgendetwas kommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Das ist jetzt Koketterie.
Nein, ist es nicht. Wenn es auch nur den Anschein von Käuflichkeit gegeben hat, dann gehört das aufgedeckt. Der Eurofighter-U-Ausschuss war auch nicht angenehm, aber da ist sehr viel ans Tageslicht gekommen.
Ist Gernot Blümel noch der richtige Spitzenkandidat für die Wien-Wahl, oder sollte man ihn ersetzen – zum Beispiel durch Innenminister Karl Nehammer?
Blümel hat der Wiener Partei wieder Selbstvertrauen und ein Profil gegeben. Die trauen sich wieder, eine eigenständige Politik zu machen, eine klare Haltung einzunehmen – etwa beim Kon