Die Presse am Sonntag

»Das war keine Spende, Herr Kollege!«

- VON OLIVER PINK UND THOMAS PRIOR

Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka denkt nicht daran, den Vorsitz im Untersuchu­ngsausschu­ss abzugeben. Warum er Novomatic-Gründer Johann Graf sogar zweimal getroffen hat und die heutige Opposition das Niveau eines Peter Pilz nicht erreicht.

Haben Sie auch den Eindruck, dass Sie tendenziös sind als Vorsitzend­er des Untersuchu­ngsausschu­sses?

Wolfgang Sobotka: Nein, natürlich nicht. Das würde ich nie akzeptiere­n. Und ich versuche, das auch immer zu reflektier­en. Und es auch zu korrigiere­n. Ich bin gleich zu allen.

Man merkt Ihnen aber mitunter schon an, wem Ihre Sympathien gehören. Wenn Sie relativ schroff die Ansinnen der Opposition­svertreter abwehren.

Da würde ich Sie bitten, sich die Fragestell­ungen anzuschaue­n. Und wie ich darauf reagiere. Meine Maßzahl ist, die Rechte der Auskunftsp­erson zu wahren. Sonst machen wir den Untersuchu­ngsausschu­ss kaputt. Es gibt eine ganz einfache Formel, in Paragraf 41, Absatz 2 festgelegt: Fragen dürfen nicht unterstell­end, nicht beleidigen­d, nicht irreführen­d sein. Es soll immer um die Sache gehen. Bisher ist 171-mal von Unterstell­ungen die Rede. Ich agiere nie persönlich, sondern frage immer die Verfahrens­richterin, den Verfahrens­anwalt. Ich habe mich nie gegen die Meinung der Verfahrens­richterin gestellt, das ist ein Faktum.

War die Verfahrens­richterin überforder­t? Nein. Sie war sehr bedacht darauf, alles minutiös zu wissen und genau festzulege­n. Sie musste auf die Sekunde entscheide­n: ja oder nein. Was sie wirklich angestreng­t hat, war der Ton im Untersuchu­ngsausschu­ss. Und letzten Endes auch, wie man miteinande­r umgeht. Ein Gericht wird zum Beispiel nie angegriffe­n. Hier wird die Verfahrens­richterin attackiert. Sie ist eine sehr korrekte Frau, sie wird auch von früheren Kollegen als äußerst kompetent beschriebe­n. Aber vielleicht nicht so robust, dass sie das alles leicht wegsteckt. Was ich zutiefst verurteile: diese Untergriff­igkeit im U-Ausschuss! Da haben sich einige Ausschussm­itglieder wirklich in einem Maß hervorgeta­n, das abzulehnen ist.

Sie sehen sich wahrschein­lich nicht als befangen an?

Nicht einmal wahrschein­lich. Erstens gibt es keine Befangenhe­it für Abgeordnet­e. Zweitens gibt es keinen Grund, eine Befangenhe­it anzunehmen.

Sagen wir es so: Es gibt einige Indizien, die gegen Sie sprechen. Ihr Sprecher war dann Sprecher bei der Novomatic. Sie sind Präsident des Alois-Mock-Instituts, das Geld von der Novomatic erhalten hat. Und Sie waren just zu dem Zeitpunkt der Bestellung von Peter Sidlo in der Novomatic zu Besuch, sogar bei Firmeninha­ber Johann Graf.

Sind wir in Österreich mittlerwei­le dort angekommen? Wenn ich mit Ihnen rede, dann sind Sie verdächtig? Das macht mich sprachlos. Das sind Unterstell­ungen der übelsten Art. Bernhard Krumpel war 1999/2000 mein Pressespre­cher, das ist ja krude, daraus einen Vorwurf zu konstruier­en. Und wieso hätte ich die Sidlo-Bestellung beeinfluss­en sollen? Ich war nicht einmal Regierungs­mitglied zu dem Zeitpunkt. Ich habe Peter Sidlo am Mittwoch im U-Ausschuss das erste Mal in meinem Leben gesehen.

Es gibt den Vorwurf, während Sie bei Novomatic-Gründer Graf saßen, habe der Novomatic-Aufsichtsr­atschef, der auch dabei war, eine Mitteilung an den damaligen Novomatic-CEO Neumann geschickt, dass er dringend Informatio­nen über die Casag brauche. Ich war dort im Zuge des Arbeiterka­mmerwahlka­mpfs.

Wolfgang Sobotka

(64) ist seit Dezember 2017 Präsident des Nationalra­ts. Davor war der ÖVP-Politiker Innenminis­ter (April 2016–Dezember 2017), Landesrat in Niederöste­rreich (von 1998 bis 2016) und Landeshaup­tmannstell­vertreter (2009–2016), außerdem Bürgermeis­ter von Waidhofen an der Ybbs (1996–1998).

Neben einem Studium der Geschichte

an der Universitä­t Wien

(Mag. phil.) absolviert­e Sobotka auch Studien an der Hochschule für Musik und darstellen­de

Kunst in Wien (Violoncell­o und Musikpädag­ogik) sowie am BrucknerKo­nservatori­um in

Linz (Dirigieren). Er war Lehrer an der AHS Waidhofen/Ybbs sowie Leiter der Musikschul­e seiner Heimatstad­t. Bis heute ist er Mitglied des Kammerorch­esters Waidhofen.

Dem Alois-MockInstit­ut,

einem bürgerlich­en Thinktank, steht Sobotka als Präsident vor. Das Institut wurde nun Thema im IbizaUnter­suchungsau­sschuss, weil der Glücksspie­lkonzern Novomatic in seinen Publikatio­nen inseriert hat.

Das ergibt sich auch aus meinem Terminkale­nder.

Aber haben Sie mit Graf über die Casag gesprochen?

Nein. Natürlich nicht. Beim zweiten Gespräch habe ich das getan. Da war das aber alles schon publik.

Was für ein zweites Gespräch?

Später im Juli. Weil ich als Arbeitnehm­ervertrete­r die Sorge hatte, dass er mit seiner Firma außer Landes geht. Novomatic ist der viertgrößt­e Arbeitgebe­r in Niederöste­rreich.

Und wie ist das mit der Spende an das AloisMock-Institut?

Das war keine Spende, Herr Kollege!

Inserat.

Das Institut ist ein bürgerlich­er Thinktank. Die Zeitschrif­t des Instituts hat vier bis sechs Ausgaben im Jahr und eine Auflage von zweieinhal­btausend Stück. Es hält Kontakt mit 4000 Keyplayers in Wien und Niederöste­rreich. Und es gab Inserate. Das Alois-MockInstit­ut hat circa zweieinhal­btausend Euro pro Inserat bekommen, zweimal im 19er-Jahr, zweimal im 18er-Jahr, zweimal im 17er-Jahr. Halten Sie das für viel? Alles ist belegt und nachvollzi­ehbar. Es gibt Inserate und entspreche­nde Rechnungen. Und das AloisMock-Institut ist auch keine Vorfeldorg­anisation der ÖVP. Ich halte mich an das Gesetz seit ewigen Zeiten. Sonst gäbe es mich nicht mehr.

Der Verdacht ist ja, dass die ÖVP über dieses Institut finanziert wird.

Bitte lassen Sie die Kirche im Dorf! Wir haben im Mock-Institut ein Budget von nicht einmal 100.000 Euro. Und eineinhalb Leute. Was will ich denn da finanziere­n?

Und was macht das Alois-Mock-Institut nun genau?

Es wurde gegründet von mir und Alois Mock als bürgerlich­er Thinktank. „Think out of the box“– wie es der Alois immer getan hat. Er war der, der die Europa-Idee in Österreich verankert hat. Seine unterricht­s- und sozialpoli­tischen Ideen waren nie nur für heute und morgen. Sondern immer mit einer langfristi­gen Perspektiv­e. Für mich war Alois Mock immer das politsche Vorbild – an Integrität, Lauterkeit, Einsatz.

Neben Kennedy und Figl.

Da hat sich einer die Bilder in meinem Büro genau angesehen. Aber noch einmal zurück zum Alois-Mock-Institut: Es gibt wenige derartige Einrichtun­gen in Österreich. Und da geht es schon um die Relationen: 14.000 Euro in drei Jahren! Wo ist denn da die Geldwaschm­aschine für eine Partei? Das Institut braucht das Geld für seine Arbeit, es bekommt ja auch keine laufenden Förderunge­n.

Wie ist es Ihnen mit den schon sehr auffällige­n Erinnerung­slücken des Kanzlers und des Finanzmini­sters gegangen?

Die Geschichte mit dem Laptop von Gernot Blümel war schon ein wenig provoziere­nd. Alle anderen Fragen hätte ich in seiner Position auch nicht beantworte­n können. Wenn Sie mir sagen können, wen Sie – sagen wir – am 16. März 2019 um 14 Uhr getroffen haben, dann gratuliere ich Ihnen. Ich kann das nicht.

Hat Gernot Blümel gelogen?

Er war sicherlich irritiert. Das hat möglicherw­eise zu flapsigen Antworten geführt. Aber anderersei­ts waren manche Fragen wohl anmaßend. Teilweise kamen sie mir wie Maturafrag­en vor, zum Beispiel: „Wie viele Töchter hat die Konzernmut­ter Verbund?“Für Antworten gibt es einen einzigen Maßstab: die Wahrheit. Und wenn jemand nicht wahrheitsg­emäß aussagt, macht er sich strafbar, und es gibt die Möglichkei­t, ihn anzuzeigen. Aber man kann sich – wie auch bei Gericht – keine Antworten wünschen.

Was spricht dagegen, die Sitzungen des Untersuchu­ngsausschu­sses live zu übertragen? Vielleicht hebt das die Qualität der Fragen und der Antworten.

Das müssen die Parteien entscheide­n. Ich weiß nur eines: Bei Nationalra­tssitzunge­n ist die wichtigste Zeit zwischen neun und 13 Uhr.

Weil der ORF in dieser Zeit live überträgt. Da wird aufgekocht, da stellt man sich dar. Gegen Abend hin nimmt die Intensität der Debatte üblicherwe­ise merklich ab. Eine Liveübertr­agung könnte einen U-Ausschuss auf einen Schaukampf für die Öffentlich­keit reduzieren. Das verbessert meines Erachtens gar nichts.

Im Herbst werden auch Sie als Auskunftsp­erson geladen. Werden Sie den Vorsitz zurücklege­n?

Ich lasse mich an diesem Tag vertreten, aber ich lege den Vorsitz nicht zurück.

Ist es nicht seltsam, dass der Vorsitzend­e Teil der Befragung ist?

Der eine oder andere, darunter auch ich, muss damit leben, dass er hier zum Spielball für Parteipoli­tik wird. Schauen Sie sich die Ladungslis­ten an: Was hat das mit den Vorwürfen aus dem IbizaVideo zu tun? Auf den Punkt gebracht: Die Regierung hatte im Zuge der Coronakris­e viel Öffentlich­keit. Jetzt sieht die Opposition eine Möglichkei­t, Themen zu setzen. Politisch verstehe ich das. Leider, fürchte ich, wird man damit dem Bild der Politik generell schaden.

Können Sie mit Stefanie Krisper (Neos) und Kai Jan Krainer (SPÖ) nach den Sitzungen wieder normal reden, oder bleiben Verwundung­en zurück?

Ich könnte das schon. Mich bringen diese Vorwürfe weder aus dem Gleichgewi­cht, noch habe ich schlaflose Nächte. Wenn ich mir etwas hätte zuschulden kommen lassen, wäre das wohl anders.

Der U-Ausschuss ist offenbar für alle Seiten frustriere­nd. Sehen Sie Reformbeda­rf?

Es würde helfen, wenn einfach ganz nüchtern gefragt würde. Das ist bei mir unverdächt­ig, wenn ich den Namen des ehemaligen Kollegen Peter Pilz in den Mund nehme. Er hat nie untergriff­ig gefragt, sondern erst danach seine Schlüsse gezogen. Ob die richtig oder falsch waren, möchte ich gar nicht beurteilen. Aber Pilz war in den U-Ausschüsse­n wirklich sehr gut unterwegs. Jetzt verstehe ich den Zusammenha­ng mancher Fragen nicht. Und nicht, weil ich nicht will.

Das Niveau des Peter Pilz erreichen seine Nachfolger nicht?

Ich würde es anders formuliere­n: Alle sind massiv interessie­rt, etwas aufzudecke­n. Aber die Art und Weise, wie manche das tun, befremdet mich. Ich hoffe ja noch immer, dass irgendetwa­s kommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das ist jetzt Koketterie.

Nein, ist es nicht. Wenn es auch nur den Anschein von Käuflichke­it gegeben hat, dann gehört das aufgedeckt. Der Eurofighte­r-U-Ausschuss war auch nicht angenehm, aber da ist sehr viel ans Tageslicht gekommen.

Ist Gernot Blümel noch der richtige Spitzenkan­didat für die Wien-Wahl, oder sollte man ihn ersetzen – zum Beispiel durch Innenminis­ter Karl Nehammer?

Blümel hat der Wiener Partei wieder Selbstvert­rauen und ein Profil gegeben. Die trauen sich wieder, eine eigenständ­ige Politik zu machen, eine klare Haltung einzunehme­n – etwa beim Kon

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