Integration? »Wien darf nicht Paris werden«
Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) über die gewaltsamen Ausschreitungen von radikalen türkischen Nationalisten in Wien Favoriten vor wenigen Tagen, die Versäumnisse in der Wiener Integrationspolitik und Morddrohungen gegen sie, nachdem sie diese Ausschreitungen scharf verurteilt hatte.
Sie erhielten Morddrohungen von radikalen türkischen Nationalisten – weil Sie deren gewalttätige Angriffe auf linke und kurdische Demonstranten scharf verurteilt hatten. Wie geht man als Politikerin mit dieser Bedrohung um?
Susanne Raab: Ich werde mich nicht einschüchtern lassen und weiterhin konsequent gegen den politischen Einfluss der Türkei auf Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Österreich ankämpfen. Die Dokumentationsstelle für den politischen Islam wird somit noch im Sommer auf den Weg gebracht, denn das muss nun rasch passieren.
Wie fühlt es sich an, plötzlich unter Polizeischutz leben zu müssen? Innenminister Karl Nehammer ist nach Morddrohungen radikaler türkischer Nationalisten in derselben Situation.
Der Verfassungsschutz hat die Bedrohungslage analysiert und entschieden, dass ein Personenschutz notwendig geworden ist. Und das ist selbstverständlich
Susanne Raab
wurde am 20. Oktober 1984 in Vöcklabruck geboren. Vor ihrem Aufstieg zur Integrations- und Frauenministerin war die Juristin als Spitzenbeamtin in mehreren Ministerien tätig. eine völlig neue Situation für mich.
Nach den gewalttätigen Angriffen: Ist die Wiener Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte gescheitert?
Wenn man nicht erkennt, dass es ein Integrationsproblem ist, wenn Hunderte Menschen mit türkischen Fahnen, türkischen Parolen und teilweise dem (faschistischen, Anm.) Wolfsgruß durch Favoriten ziehen, dann hat man nicht verstanden, was Integration bedeutet. Wichtig für die Integration ist, dass man Probleme anspricht und nicht zudeckt. Ich habe gesehen, dass in Wien Probleme zugedeckt werden. Auch die jetzigen Vorfälle werden nicht als Integrationsproblem adressiert, was ich für falsch halte.
War die jetzige Eskalation zu erwarten?
Wir wissen, dass die Türkei systematisch Einfluss auf in Österreich lebende Menschen mit türkischem Migrationshintergrund ausübt.
Negativen Einfluss?
Negativen Einfluss! Einen Einfluss, der schädlich ist für die Integration, mit dem systematisch versucht wird, in Österreich lebende Türken für den Wahlkampf in der Türkei zu mobilisieren. Oder Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund in Vereinen anzusprechen und auch die zweite, dritte Generation an die Türkei zu binden. Das alles führt zu einer Abschottung und zu Parallelgesellschaften.
Was wir nun gesehen haben: War das ein Ausfluss dieser Parallelgesellschaft?
Die Gewalteskalationen waren nur die Spitze des Eisbergs.
Und der Rest des Eisbergs?
Der liegt dort, wo der Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft fehlt: wo nicht gut Deutsch gesprochen wird, wo Vereine tätig sind, die einen starken Bezug zur Türkei haben und extremistische Ideologien verbreiten, die auch den Nährboden für Gewalt bilden. Also extremistische Ideologien wie den politischen Islam. Das hängt natürlich mit dem Einfluss aus dem Ausland zusammen.
Ist das ein Wiener Problem, oder gibt es das auch in anderen heimischen Städten?
Wir haben in Wien mit Abstand die dramatischsten Brennpunkte der Integration. In keiner anderen Stadt sind Hunderte Menschen mit türkischen Fahnen und dem Wolfsgruß durch die Stadt gezogen. Man muss jetzt die Probleme ansprechen. Integration gelingt nicht, wenn wir alle nur tolerant genug sind. Es braucht nicht nur die ausgestreckte Hand, sondern auch das Einfordern der eigenen Integrationsleistung des Zuwanderers.
Fordert die Stadt Wien zu wenig ein?
Viele Probleme in Wien werden zugedeckt – wenn ich an die islamischen Kindergärten denke und an Vereine, die aus dem Ausland gesteuert werden. Es ist nicht zu tolerieren, wenn Wien der Austragungsort für innertürkische Konflikte wird. Wien darf nicht Paris werden, wo es Banlieues gibt, in denen Gewalt an der Tagesordnung steht.
Einige der Angreifer auf die Demonstrationen sollen die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Schockiert Sie das?
Das ist völlig inakzeptabel. Gewalttätige Märsche durch Wien, bei denen die Polizei angegriffen wird, es Sachbeschädigungen gibt – das zeigt, dass unser Rechtsstaat nicht akzeptiert wird. Wir haben Umfragen dazu: 42 Prozent der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund fühlen sich eher der Türkei zugehörig als Österreich. Darunter
viele, die in Österreich geboren sind. Dass es so emotional ist, hängt sicher mit dem Einfluss der Türkei in Österreich zusammen.
Vielen scheint, als wäre die dritte, vierte Generation der Zuwanderer schlechter integriert als die erste oder zweite Generation. Haben Sie auch diesen Eindruck? Integration in Ballungszentren, wo es einen hohen Anteil von Zugewanderten gibt, ist immer eine Herausforderung. Wenn wir einen hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund haben, muss man viel mehr tun, um den Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft herzustellen. Man muss viel mehr tun gegen problematische Vereine, Brennpunkte und islamische Kindergärten.
Selbst wenn man nun den idealen Integrationsprozess finden würde: Dieser dauert oft Jahre. Muss man sich bis dahin an Szenen wie in Favoriten gewöhnen?
Es gibt rasche Maßnahmen: Die Polizei greift hier mit voller Härte durch – da sind der Innenminister und ich derselben Meinung. Dazu werden die Hintermänner dieser Gewalteskalationen ausgeforscht. Und ich werde eben die Dokumentationsstelle für den politischen Islam so rasch wie möglich auf den Weg bringen. Wir werden die Vereine ausforschen, in denen sich